Ola Källenius steht am Rande der Automesse in Detroit und fuchtelt mit seinem Handy herum. Es ist Januar 2017 und er will den um sich gescharten Journalisten unbedingt persönlich die neueste App von Daimler zeigen. Sichtlich stolz präsentiert er, was die App schon alles kann. Er kann auf der Landkarte im Handy nicht nur verfolgen, wo sich sein Auto gerade befindet. Zu diesem Zeitpunkt war das ein Plug-In Hybrid. Er könnte im Winter auch die Heizung fernsteuern oder im Sommer für Kühlung sorgen, lange bevor das Auto losfährt. Geduldig beantwortet er die Fragen der Pressevertreter – in perfektem Englisch, damit auch die ausländischen Gäste ihm folgen können.
Källenius, dem Vorstand für Konzernforschung und Entwicklung der Mercedes-Benz Cars, ist dabei keine Frage zu blöd. Stoßen neue Zuhörer hinzu, beantwortet er abermals die immer gleichen Fragen. Auf Wunsch wechselt der gebürtige Schwede auch ins Deutsche. Ob Englisch, Deutsch oder Schwedisch – der viel gereiste Källenius scheint sich überall auf der Welt wohl fühlen, Hauptsache Autos.
Nun dürfte der polyglotte Schwede vorerst in Stuttgart bleiben. Wie Daimler am Mittwoch mitteilte, wird der bisherige CEO Dieter Zetsche seinen Posten Ende 2019 niederlegen. Dafür ist ein Aufstieg in den Aufsichtsrat vorgesehen, allerdings erst nach der vorgeschriebenen „Cooling-off-Periode“ von zwei Jahren. Auf Zetsche folgen soll der schon länger als Kronprinz gehandelte Källenius. Doch wer ist der Mann?
Der Schwede ist in der Welt von Daimler zu Hause, und das, obwohl er im Juni 1969 im schwedischen Västervik südlich von Stockholm geboren wurde. Nach der Schulzeit und dem Abitur an der schwedischen Grammar School von Danderyd, absolvierte er von 1988 bis 1993 an der Stockholm School of Economics und der Schweizer Universität St. Gallen die Masterstudiengänge „International Management“ und „Finance and Accounting“. 1993 kam er über das internationale Nachwuchsprogramm zu Daimler.
Källenius hat eine klassische Konzernkarriere hingelegt. Er hat zwischenzeitlich das Mercedes-Werk in Alabama geleitet und war danach Geschäftsführer der Motorsporttochter AMG. In seinem Lebenslauf stehen noch zahlreiche andere Stationen im Unternehmen: Vom Corporate Controlling (USA), dem Motor- und Abgasmanagement, dem Materialeinkauf für Mercedes-Benz PKW oder bei Mercedes-Benz HighPerformanceEngines (Großbritannien). 2013 wurde er Vertriebsvorstand.
Damals sagte Källenius der WirtschaftsWoche in einem Interview: „Wir sind schon auf dem Weg nicht nur Fahrzeughersteller zu sein, sondern auch Mobilitätsdienstleister.“ Das Auto der Zukunft fahre „autonom, hat null Emissionen und ist intelligent mit dem Fahrer und seiner Umgebung vernetzt“. Als Vertriebschef sprach er damals von dem „Mercedes-Benz Erlebnis“, das „sowohl die Emotionen der Kunden“ wie auch „die Vernunft“ anspreche, „dank unserer innovativen Technologien“.
Analysten und Investoren zum Wechsel an der Daimler-Spitze
„Dieser doch schnelle Abgang (von Zetsche) könnte signalisieren, dass die nächsten Quartale eher ungemütlich werden. Die sehr vielen Themen in der Industrie könnten den Willen gefördert haben, lieber morgen als übermorgen zu gehen.
Källenius ist schon länger der Favorit, er könnte einen Aufbruch auch sehr gut verkörpern. Er ist jung, intelligent, hat ein gutes Auftreten und ist schlicht auch ein anderer Typ als viele Topmanager in der Autoindustrie, offener, international.
Es wird spannend sein zu sehen wie er als Nicht-Deutscher, Nicht-Ingenieur mit der konservativen Daimler-Welt in einer so exponierten Position zurechtkommt, und die anderen mit ihm. Aber die Chance ist gut, mit ihm die ganzen schmutzigen Dieselthemen hinter sich zu lassen.“
„Das ist eine zeitlich gut gewählte Entscheidung. Man weiß jetzt, auf was man sich einzustellen hat. Zetsches Vertrag läuft Ende nächsten Jahres aus, jetzt geht er ein halbes Jahr früher. Er wird die Reorganisation im Aufsichtsrat, die sicherlich auch auf der nächsten HV entschieden wird, aktiv begleiten können. Es ist Klarheit geschaffen worden, wer sein Nachfolger wird, bevor die Spekulationen zu sehr ins Kraut schießen. Von daher halte ich das für eine extrem elegante Kommunikation. Das hat auch alles Hand und Fuß.
Ich glaube nicht, dass Källenius nur eine Marionette von Herrn Zetsche sein wird. Dafür hat er sich schon selber sehr gut positioniert. Källenius ist der Mann für die nächsten zehn Jahre. Zetsche ist zwei Jahre nur Mitglied im Aufsichtsrat, also noch nicht Aufsichtsratsvorsitzender. Das sehe ich relativ gelassen.“
„Daimler wollte für Klarheit sorgen, weil es Druck auf den Vorstand gibt. Durch die Ankündigung soll etwas Ruhe in die Sache gebracht werden. Es ist die Bestätigung des bestehenden Zetsche-Systems, bei dem der Konzernchef gleichzeitig Markenvorstand ist. Es wurde lange diskutiert, ob man zu einem Holdingmodell wechselt, bei dem der Konzernvorstandsvorsitzende über dem Mercedes-Vorstand sitzt. Das wollte Zetsche nie. Er hat sich durchgesetzt.“
„Positive Kursreaktionen sind zu erwarten, wenn Källenius nächstes Jahr Aufräumarbeiten angeht, die bei einem CEO in seinen letzten Monaten nicht mehr konsequent verfolgt werden. Grundsätzlich täte Daimler aber auch eine Blutauffrischung von außen gut, um unabhängigere Blickwinkel ins Unternehmen zu bekommen.“
„Es ist gut, dass Daimler in Zeiten der Krise frühzeitig Klarheit über die Nachfolge schafft. Für den Aufsichtsrat gilt: Nie war ein Cooling off so wichtig wie heute.“
Um die Technik kümmerte er sich erst seit Januar 2017 als Chef der mehr als 10.000 Mercedes-Entwickler. Die Zeit als Entwicklungschef gilt seit jeher als Feuertaufe für einen Manager auf dem Weg nach ganz oben. Deshalb wurde Källenius schon länger als möglicher Zetsche-Nachfolger gehandelt. Obwohl er kein Techniker von Hause aus ist, gilt er als technisch versiert, als Manager, der mit ruhiger Hand führt und dabei stets höflich bleibt. Er spricht exzellent Deutsch – auch das eine gute Voraussetzungen für den Chefposten.
Seitdem er den Job als Entwicklungschef innehat, ist er in Stuttgart erkennbar die Nummer zwei hinter Zetsche. Ex-Truck-Chef Wolfgang Bernhard, der urprünglich auch mal als möglicher Nachfolger galt, hatte sich offenbar keine großen Chancen mehr ausgemalt. Vor anderthalb Jahren verließ er das Haus Hals über Kopf.