




Betriebsratschef Michael Brecht will die Mitarbeiter an Daimlers Erfolgssträhne teilhaben lassen. In Deutschland soll es auch mittelfristig einen Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen geben, sagte Brecht der Deutschen Presse-Agentur. „Im Herbst wollen wir diese Diskussion mit Volldampf beginnen und noch in diesem Jahr angehen“, so Brecht. „Wir warten natürlich nicht, bis 2016 die Zukunftssicherung ausläuft.“
Die sogenannte Zukunftssicherung gilt für die Tarifbeschäftigten der Daimler AG in Deutschland - dem Betriebsrat zufolge waren das zuletzt rund 135.000. Nur für die Beschäftigten im Düsseldorfer Sprinter-Werks und die im Konzern verbleibenden Mitarbeiter des Niederlassungsnetzes wurden bereits weiter reichende Kündigungsausschlüsse für die nächsten fünf bzw. acht Jahre ausgehandelt. Insgesamt beschäftigte Daimler zuletzt rund 170.000 Mitarbeiter in Deutschland. Weltweit sind es etwa 280.000. BMW und Volkswagen haben ähnliche Vereinbarungen.
Die Baustellen des Daimler-Konzerns
Lange hechelte Daimler den Rivalen Audi und BMW hinterher. Langsam scheint sich das Blatt zu wenden. Zuletzt legten die Stuttgarter in dem wichtigen Markt um 38,5 Prozent zu, während die Konkurrenz im Vergleich dazu schwächelte. Ein Grund: Die Einführung neuer Modelle und der Ausbau des Händlernetzes. Die Frage ist, ob Daimlers Sonderkonjunktur auch angesichts weniger rosiger Prognosen für den Markt und des jüngsten Kursrutsches an den Börsen anhält: „Daimler profitiert noch von einem gewissen Neuigkeitswert“, sagt Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft Bergisch Gladbach: Die Stuttgarter müssten möglicherweise angesichts drohender Überkapazitäten ihre Planung anpassen. Der Scheitelpunkt der höchsten Gewinne pro Fahrzeug sei überschritten. „China ist nicht mehr „die“ Goldgrube“, sagt Bratzel. Jetzt dürften keine Fehler gemacht werden, warnt auch Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Allerdings sei das Management mit Hubert Troska gut aufgestellt.
Daimlers Absatz beflügelt seit Monaten eine Flut neuer Modelle. „Daimler muss die hohe Geschwindigkeit seiner Modellerneuerung beibehalten“, sagt der Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft in Geislingen, Willi Diez. Bei der C-Klasse sei beispielsweise das T-Modell nachgeschoben worden. „Dieser Zyklus ist richtig.“ Denn auch die Konkurrenz legt demnächst nach. BMW bringt in diesem Jahr seinen neuen 7er auf den Markt. „Das wird ein harter Kampf, die Position der S-Klasse zu verteidigen“, warnt Diez.
Die alten Sparprogramme in Pkw und Lkw-Sparte sollen in diesem Jahr volle Wirkung zeigen. Ein neues großangelegtes Programm ist bislang nicht geplant, wohl aber will Zetsche an der Effizienz schrauben. „Alleine das Ergebnis deutet darauf hin, dass Daimler auf dem richtigen Weg ist“, sagt Diez. „Die Standorte in Deutschland sind langfristig wichtig, denn die Produktionsstruktur sollte in etwa der Absatzverteilung entsprechen.“ Daimler habe zuletzt überraschend hohe Produktivitätsgewinne vorgelegt, sagt Metzler-Analyst Pieper. „Jetzt geht es nicht mehr ums Eingemachte, sondern um Luxusfragen.“. So könnten Investoren, wenn das Profitabilitätsziel von 10 Prozent erreicht ist, auch langfristig zweistellige Gewinnmargen erwarten.
Mit dem Wechsel an der Betriebsratsspitze im vergangenen ist Zetsches hartnäckiger Gegenspieler Erich Klemm Geschichte, der neue Betriebsratschef heißt Michael Brecht. Das Gesprächsklima in Verhandlungen soll sich seitdem deutlich verbessert haben. Für fast alle Standorte in Deutschland wurden inzwischen Investitionsprogramme und sogenannte „Zukunftsbilder“ verhandelt, die Investitionen, aber auch Einsparungen beinhalten. Ein großer Brocken wartet aber noch auf Zetsche: Der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen in Deutschland läuft 2016 aus. Die Zusage dürfte Brecht kaum kampflos aufgeben. Auch das Thema Werkverträge dürfte den Konzern weiter beschäftigen.
Daimler setzt beim Thema Alternative Antriebe wie andere Hersteller stark auf Plug-In-Hybrid-Motoren, die sowohl Strom als auch Benzin tanken. Bislang lässt der Durchbruch der reinen E-Autos bekanntermaßen auf sich warten. Entsprechend stehen die Autohersteller in Lauerstellung „Mit der nächsten Batteriegeneration werden die Karten neu gemischt“, sagt Bratzel.
Die Zukunftssicherung beinhaltet neben dem Kündigungsausschluss unter anderem Anpassungen von abgesicherten Gehalstbestandteilen und die maximale Leiharbeiterquote in der Produktion von acht Prozent. 2011 wurde die Vereinbarung unverändert um fünf Jahre verlängert. „Schlechter machen will ich die Vereinbarung nicht“, sagte Brecht. „Im Moment geht unsere Wachstumsstrategie im Unternehmen ja besser auf, als wir ursprünglich geplant haben.“
Der Betriebsratschef warnte allerdings: „Mit einer Zukunftssicherung werden betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen, aber keine Tätigkeiten geschützt.“ Das erfuhren zuletzt die Beschäftigten der Niederlassungsnetzes, das in Teilen verkauft wurde.
„Die beste Zukunftssicherung, die wir eigentlich haben können, sind Investitionen und Innovationen“, sagte Brecht. Der Betriebsrat hat mit dem Konzern in den vergangenen Monaten Vereinbarungen über Investitionen für alle deutschen Standorte getroffen. „Wenn man die bisher vereinbarten Investitionen für alle zusammenzählt, kommen wir auf rund 8,5 Milliarden Euro für sechs, sieben Jahre.“ Er sei aber überzeugt, dass am Ende sogar mehr Geld fließen wird.
Die Diskussion an den Standorten reißt damit allerdings nicht ab. Im Zuge der Vereinbarungen sollen bestimmte Tätigkeiten an Fremdfirmen ausgelagert werden. In Mannheim sorgte jüngst die Vergabe an eine Logistikfirma für Kritik, weil Leiharbeiter von Daimler nach der Auslagerung schlechter bezahlt werden. „Wir möchten, dass Logistikdienstleistungen, die auf dem Werksgelände stattfinden, stärker reglementiert werden“, sagte Brecht.
Vom Betriebsrat komme der Vorschlag, mit der IG Metall zusammen ein Tarifgefüge zu entwerfen, das über den Tarifen für Logistik und Spedition liegt, aber unter dem Metalltarifvertrag der Fläche. „Dann haben wir immer noch günstigere Verträge, aber stehen nicht so in der Schmuddelecke“, sagt Brecht. „Wenn wir schon gut bezahlte Arbeit bei uns vergeben, soll es keinen völligen Absturz geben.“ Es gehe nicht nur um Löhne, sondern auch um Schichtzuschläge, Urlaubstage und Weihnachtsgeld. „Diese Frage wird bei allen Standorten aufs Tableau kommen - nicht nur in Mannheim.“
Ein weitere Vorschlag der Arbeitnehmer sei es gewesen, Aufgaben für Werkverträge über eine Art Gemeinschaftsbetrieb abzugrenzen. „Wir waren in den Verhandlungen zu dieser Frage schon relativ weit mit dem Unternehmen, am Ende gab es allerdings Kräfte, die diesen Weg blockiert haben.“ Die Standards für Werkverträge bei Daimler seien nur ein kleiner Schritt nach vorne.
Die Pläne von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), die Informationsrechte von Betriebsräten bei Werken auszuweiten, reichen Brecht nicht. „Wir brauchen ein klares Mitbestimmungsrecht bei Werkverträgen, damit wir die Vergabe auch verhindern können, wenn die Bedingungen nicht stimmen“, sagte Brecht. „Wenn wir nur ein Veto-Recht gegen Verlagerung des Kerngeschäfts hätten, wäre uns schon viel geholfen.“