Daimler-Großaktionär Geely Herr Li baut sich einen Weltkonzern

Geely-Chef Li Shufu Quelle: REUTERS

Ein Milliardär aus China will bei Daimler nicht nur Investor, sondern auch Freund und Partner sein. Li Shufu macht bei den Stuttgartern Nägel mit Köpfen - und hat wohl noch Größeres im Sinn.

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Man nennt das neudeutsch wohl ein Statement: Wenn schon, dann gleich richtig. Und wenn schon die Nachricht an sich nach wochenlanger Spekulation niemanden mehr groß überrascht, dann zumindest die Dimension. Mit fast zehn Prozent auf einmal steigt der chinesische Geely-Konzern beim deutschen Autobauer Daimler ein.

Aus dem Stand schwingt sich das Firmenimperium des weltweit umtriebigen Milliardärs so zum größten Einzelaktionär der Schwaben auf. Ein Gewinn, wie Autoexperten meinen. „Geely ist für Daimler fast so etwas wie eine Familie Quandt bei BMW oder Porsche/Piëch bei VW“, sagt Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen.

Ein Mann der kleinen Schritte ist Geely-Gründer Li Shufu nicht. Wenn er sich für etwas entscheidet, setzt er die Sache oft auch ohne große Kompromisse um. Und offensichtlich verliert er auch keine Zeit. Laut „Bild am Sonntag“ war Li am Wochenende schon zum Antrittsbesuch in der Stuttgarter Daimler-Zentrale erwartet worden. Weitere Gespräche seien am Montag geplant, am Dienstag sei der Geely-Chef dann gar im Kanzleramt zu Gast. Offiziell bestätigt ist das alles aber nicht.

Für Daimler mit seiner eher kleinteiligen Eigentümerstruktur ist der Geely-Einstieg tatsächlich nichts Alltägliches. Platzhirsch war bislang der Staatsfonds Kuwaits mit knapp sieben Prozent. Einen Ankeraktionär wie bei BMW oder VW haben die Stuttgarter nicht. Und so etwas, sagt Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft in Geislingen, sei generell ein Problem, was etwa die Stabilität eines Konzerns und auch den Schutz vor feindlichen Übernahmen angehe.

Auf rund 900 000 Aktionäre waren die Daimler-Anteile Ende des vergangenen Jahres verstreut. Neben Kuwait waren nur drei weitere überhaupt so groß, dass sie die Meldegrenze von drei Prozent überschritten. Daimlers Börsenwert lag zuletzt bei rund 75 Milliarden Euro, das Paket des Chinesen ist damit 7,3 Milliarden Euro schwer.

„Daimler freut sich, mit Li Shufu einen weiteren langfristig orientierten Investor gewonnen zu haben, der von der Innovationsstärke, der Strategie und dem Zukunftspotential von Daimler überzeugt ist“, verlautet es aus Stuttgart. „Es ist mir eine Ehre“, sagt wiederum Li Shufu - und verspricht, genau das zu sein: ein Partner mit langfristigen Zielen. „Wir respektieren und schätzen die Kultur, die Werte und die Corporate Governance der Daimler AG.“

Derzeit geht das Management um Vorstandschef Dieter Zetsche einen großen Konzernumbau an - da sollte der Großaktionär schon mitziehen, wenn es klappen soll. Zetsche und Finanzchef Bodo Uebber schwebt eine Holding vor, unter deren Dach drei separate Unternehmen stehen sollen: eines für Pkws und Vans, eines für Lastwagen und Busse, das dritte für Finanzdienstleistungen und neue Mobilitätsdienste.

„Daimler kennt und schätzt Li Shufu als chinesischen Unternehmer mit besonderer Kompetenz und Zukunftsorientierung, mit dem man den industriellen Wandel konstruktiv diskutieren kann“, heißt es zudem. Man zeigt sich zuversichtlich, dass er mitzieht. Geely habe den Wert einer starken Marke erkannt - und auch, dass man die nicht mal eben aufbauen könne, sagt Diez. Angst, von den Chinesen technologisch angezapft und ausgesaugt zu werden, müssten die Autobauer heute nicht mehr haben. „Da hat sich ja gezeigt: Das ist nicht so.“

Auch Dudenhöffer hält die Chinesen für einen Gewinn. Li sei ein langfristiger, gut berechenbarer Anker-Investor - und ein Stratege, der daran arbeite, einen der wichtigsten Weltkonzerne für Mobilität aufzubauen und gegen die Googles und Amazons in Stellung zu bringen.

Li selbst verweist ebenso auf „Eindringlinge von außen“. „Den Kampf um die Zukunft des Automobils wird kein aktueller Branchenspieler allein gewinnen können“, sagt er. „Aus dieser Herausforderung ergeben sich aber auch Chancen.“ Man brauche Freunde und Partner.

Was hat Daimler von Geely?

Mit dem schwedischen Autobauer Volvo, den Geely 2010 dem US-Konzern Ford abkaufte und wieder auf Kurs brachte, hat Li wohl auch noch einiges vor. Bei einem Treffen am Samstag in Stockholm habe der Geely-Chef versichert, sein Engagement nach dem Einstieg bei Daimler nicht zu reduzieren, sagte der schwedische Minister Mikael Damberg.

Am derzeitigen Erfolg von Volvo lasse sich Lis Strategie erkennen, sagt Dudenhöffer: eigenständige Firmen, Achtung vor Premium-Marken. Nach hohen Investitionen verdient Volvo Cars prächtig mit seinen SUVs - insbesondere in China, dem wichtigsten Automarkt überhaupt.

Nun hat Daimler aber schon Partner in China - und betont das in seinem ohnehin eher nüchtern gehaltenen Geely-Statement auch extra. Die Geschäfte laufen blendend, 2019 sollen die ersten Fahrzeuge der neuen Elektro-Serie EQ auf den Markt kommen, und auch bei vielen modernen Mobilitätsdienstleistungen abseits des Kerngeschäfts hat man längst einen Fuß in der Tür. Da passt es ins Bild, dass der deutsche Autobauer mit dem langjährigen Partner BAIC Motor dort auch noch die Produktionskapazitäten der Marke Mercedes-Benz ausbauen will. Die Unternehmen investieren dazu rund 1,9 Milliarden US-Dollar (1,54 Mio Euro), wie BAIC am Sonntag gegenüber der Börse in Hongkong mitteilte.

Was also haben die Schwaben von Geely? Ganz andere Ansätze und Zugänge zum chinesischen Markt, meint Dudenhöffer. „Geely ist das dynamischste Unternehmen von allen“, sagt er und verweist zum Beispiel auf die Tochter Lynk. Die will Autos mit Know-how von Volvo bauen und dann in wenigen Varianten komplett online vertreiben - ohne Händlernetz und monatelanges Warten. Oder der Fahrdienstanbieter Cao Cao, der Türen in China öffnen könne, die Daimler mit den eigenen Töchtern Moovel und Co. sonst womöglich verschlossen blieben.

Profitieren könnten beide Seiten auch von Größeneffekten. Was Daimler bisher zwar mit Renault-Nissan schon auf kleiner Flamme mache, was in wirklich großem Stil derzeit aber nur VW mit Audi und Porsche gelinge - nämlich durch einheitliche Plattformen für verschiedene Marken die Kosten zu senken -, sei künftig durchaus denkbar.

Li hat Geely 1986 gegründet und seitdem immer wieder erweitert. Die Gruppe verkaufte zuletzt 1,24 Millionen Autos im Jahr, 2018 sollen es knapp 1,6 Millionen sein. Volvo Cars kam zuletzt auf gut 570 000 Pkw. Auch beim Lkw-Bauer Volvo stieg Li groß ein. Ihm schwebe vor, Marken verschiedener Segmente zu einem Riesen zu formen, will die „Financial Times“ erfahren haben: zu einer chinesischen Version von Volkswagen.

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