Daimler-Hauptversammlung Die Sorge vor dem zweiten Volkswagen

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Sorgen der Aktionäre

„Werden wir ein VW 2.0?“, fragte etwa Fondsmanager Ingo Speich jetzt in Berlin. Ein anderer merkte an, dass auch Autos von Daimler bei einem Test des Kraftfahrt-Bundesamtes auffällig hohe Abgaswerte gezeigt hätten und Daimler-Autos deswegen Teil des freiwilligen Rückrufes seien. 

Die Aktionäre machen sich Sorgen, doch Daimler kann dem nur entgegensetzen, dass der Konzern mit den Behörden vollumfänglich kooperiere. Und dass man bei der „freiwilligen Servicemaßnahme“ sogenannte Thermofenster neu eingestellt habe. Diese Thermofenster regelten die Abgasreinigung zuvor so, dass die Reinigung bei bestimmten Temperaturen zurückgefahren wurde. Daimler begründete das mit Motorschutz. Wieso der Motor der betroffenen Autos jetzt plötzlich nicht mehr so stark geschützt werden muss wie zuvor, blieb offen. 

Der Business-Benz wird zum Edel-Laster
Natürlich ist es immer nur eine Frage der Zeit, bis Mercedes nach einer neuen Limousine auch die dazugehörige Kombi-Version vorstellt. Im Falle der aktuellen Baureihe der E-Klasse hat das rund ein halbes Jahr gedauert: Mitte Januar zeigten die Stuttgarter auf der Automesse in Detroit zum ersten Mal die Limousine – in Märkten wie den USA sind neben SUV in sämtlichen Größen vor allem noch klassische Limousinen gefragt. Hierzulande ist das anders, hier stehen die praktischen Kombis mit sparsamen Dieselmotor im Fokus der Dienstwagen-Fahrer. Kein Wunder also, dass Mercedes das E-Klasse T-Modell, wie die Kombis bei Daimler heißen, in Deutschland vorgestellt hat. Und das nicht auf einer Messe, sondern am Rande eines Tennis-Turniers. Quelle: Daimler
Die passende Klientel war bei der Premiere des Luxus-Lasters also gleich anwesend. In der PR-Prosa von Mercedes klingt das dann so: "Dynamisch wie die Tennis-Profis und geräumig wie der Centre Court gibt die sechste Modellgeneration ihr Debüt." Solche gewollten Bezüge hat der Kombi eigentlich gar nicht nötig, denn zumindest auf dem Papier überzeugen die Fakten. Quelle: Daimler
Bei der Technik greift der Kombi auf die bekannten Technologien der Limousine zurück. Zum Marktstart stehen die Modelle E 200 mit Vierzylinder-Benzinmotor (184 PS) und E 220 d (194 PS) mit dem völlig neu entwickelten Vierzylinder-Dieselmotor sowie der E 250 mit (211 PS) zur Verfügung. Im vierten Quartal 2016 folgen der E 200 d mit (150 PS), der E 350 d mit Sechszylinder-Diesel sowie der E 400, dessen Sechszylinder-Benzinmotor 333 PS leistet. Alle Modelle sind bei der Markteinführung mit dem neuen Neungang-Automatikgetriebe ausgerüstet. Quelle: Daimler
Das T-Modell verfügt über alle Innovationen der neuen E-Klasse, die Mercedes im Januar als "intelligenteste Business-Limousine der Welt" gefeiert hatte. Mehr zur Limousine lesen Sie hier. Neben den beiden riesigen Displays verfügt die E-Klasse unter anderem über eine neuartige Bedienmöglichkeit mit Touchpads am Lenkrad und einen teilautonomen Fahrassistenten. Mehr über die Assistenzsysteme der E-Klasse lesen Sie hier. Quelle: Daimler
Auf der Rückbank gibt es für die Passagiere etwas mehr Kopffreiheit, da die Dachlinie nicht wie bei der Limousine abfällt. Neu ist die serienmäßige Cargo-Funktion der Rücksitzbank: Die Lehne kann um rund 10 Grad steiler gestellt werden. Das sorgt für ein zusätzliches Ladevolumen von 30 Litern bei weiterhin voller Nutzbarkeit als Fünfsitzer. Darüber hinaus lässt sich die Rücksitzlehne ebenfalls serienmäßig im Verhältnis 40:20:40 teilen, was viele Möglichkeiten der individuellen Aufteilung zwischen Transportkapazität und Sitzplätzen schafft. Mit Schaltern im Laderaum sowie rechts und links neben den Sitzlehnen lassen sich diese elektrisch entriegeln. Quelle: Daimler
Jetzt aber zum Herzstück des Kombis, dem Kofferraum. Mit einem Fassungsvermögen von 670 bis 1.820 Liter zählt der Laderaum des E-Klasse T-Modells zu den größten im Segment. Da der Kofferraum auch zwischen den Radkästen sehr breit ist (1,10 Meter) ist der Kombi eines der wenigen Autos, in das eine Europalette passt. Zum guten Ton gehört inzwischen, dass die Heckklappe auch durch eine Kickbewegung des Fußes unterhalb des hinteren Stoßfängers geöffnet werden kann, wenn man gerade keine Hand frei hat. Neu ist aber, dass die Gesten-Öffnung auch funktioniert, wenn die optionale Anhängerkupplung montiert ist. Quelle: Daimler
Bereits ab Werk hat der Kombi eine Luftfederung an der Hinterachse. Mit der automatischen Niveauregulierung wird der Kombi selbst dann in der Waagerechten gehalten, wenn die volle Zuladung – je nach Modell bis zu 745 Kilo – oder die Anhängelast – bis zu 2.100 Kilo – ausgenutzt wird. Wer beim Bestellen ein Kreuz bei der "Air Body Control" setzt, bekommt gegen Aufpreis auch an der Vorderachse eine Luftfederung. Quelle: Daimler

Ungemach in Dieselfragen droht auch aus den USA: Daimler kann nicht mehr ausschließen, dass es dem Konzern nicht doch auch so ergeht, wie Volkswagen in den USA. So heißt es im Geschäftsbericht 2016 von Daimler, dass diverse Behörden auch aus den USA bei Daimler Anfragen gestellt hätten und es nicht auszuschließen sei, dass „die Behörden zum Schluss kommen, dass in Mercedes-Benz-Dieselfahrzeugen ähnliche Funktionalitäten enthalten sein könnten“, die im Fall eines anderen Fahrzeugherstellers als unzulässig identifiziert worden seien.

Angesichts der Probleme konnte auch eine gleichbleibende Dividende die Anteilseigner nicht besänftigen. „Wir wünschen uns eine verlässliche Dividendenpolitik und im besten Jahr der Geschichte hätte Daimler eine höhere Dividende gut zu Gesicht gestanden“, sagte etwa Fondsmanager Speich. Zustimmender Applaus aus dem Plenum. Andere Aktionäre stießen in die selbe Kerbe. Daimler konterte das mit dem Argument einer vergleichsweise bereits hohen Ausschüttungsquote von 40 Prozent.

Was die neuen Abgas-Tests bedeuten
WLTP Quelle: obs
Was ändert sich genau unter diesem WLTP-Zyklus?Viele Details: So dauert der Labortest zehn Minuten länger und kommt nur noch auf 13 Prozent Stillzeit. Die gesamte Zykluslänge simuliert mit 23,25 Kilometern eine mehr als doppelt so lange Strecke wie der NEFZ. Die Maximalgeschwindigkeit liegt bei 131 Stundenkilometern statt bisher 120 Stundenkilometern. Außerdem werden Sonderausstattungen für Gewicht, Aerodynamik und Bordnetzbedarf berücksichtigt. Quelle: dpa
Wie werden denn auf der Straße Emissionen gemessen? Gemessen wird mit Hilfe eines portablen Messsystems namens PEMS („Portable Emission Measurement System“). Es wird an der Rückseite des Autos am Auspuff montiert und kann so ortsungebunden die Abgase einfangen. Quelle: dpa
Wie verlässlich sind diese Messungen? Die Messung am fahrenden Auto bringt gewisse Messungenauigkeiten mit sich. Denen trage aber die Gesetzgebung mit Konformitätsfaktoren Rechnung, heißt es bei Bosch. Zu Beginn dürfen die Emissionen noch das 2,1-Fache des Grenzwerts betragen. Von Januar 2020 ist nur noch die Messtechniktoleranz von 50 Prozent des Grenzwerts vorgesehen. Quelle: dpa
Sind dank RDE Unterschiede zwischen Labor und Realität Vergangenheit? Zumindest nähert man sich an: De facto würden Abweichungen von Abgaswerten zwischen Labor und Straße definitiv ausgeschlossen, heißt es beim VDA. Allerdings, warnt man beim ADAC, könne es auch hier im alltäglichen Betrieb zu Abweichungen kommen, da auch im RDE-Messverfahren nicht jede Fahrweise eines jeden Autofahrers abgedeckt werde. Quelle: dpa
Wie sieht es mit den neuen Labortests aus? Ziel der neuen Testmethoden im Labor ist es, realitätsnähere Kraftstoffverbräuche darzustellen. Erste Studien prognostizieren laut ADAC, dass durch die neuen Methoden die bisherige Lücke zwischen Messungen im Labor und auf der Straße halbiert werden könnte. Das genaue Ausmaß der Verbesserung ist derzeit jedoch schwer einzuschätzen, weil die neuen Vorgaben noch nicht gelten. Allerdings werden die Verbraucher sich auch darauf einstellen müssen, dass die Test zu höheren Normverbrauchswerten führen. Quelle: dpa
Muss ich mein Auto jetzt umrüsten? Nein: Die neuen Tests gelten nur für neue Fahrzeugmodelle. Autos, die bereits im Verkehr sind, sind davon nicht betroffen. Quelle: dpa

Daimler sei der größte Dividendenzahler aller deutschen börsennotierten Unternehmen. Applaus gab es dafür dennoch nicht. 

Emotional reagierten die Aktionäre dafür auf die Forderung des Aufsichtsrates, die Vergütung um 20 Prozent zu erhöhen. Erst ging bei dieser Nachricht ein lautes Raunen durch den Saal, denn folgten Buh-Rufe. Die seien berechtigt gewesen, sagte ein Redner später. Und Fondsmanager Speich ergänzte: „Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim.“

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