
Die Linke lässig in die Hüfte gestemmt, die Rechte an der schneeweißen Vordertür der neuen Großraumlimousine. Zetsche setzt sein smartestes Lächeln auf - die Journalisten drücken ab. Ein Star im Blitzlichtgewitter - die Vorstellung der neuen V-Klasse in München im Januar dieses Jahres war ein Termin ganz nach Dieter Zetsches Geschmack. Und sie muss ihm eine unsagbare Genugtuung gewesen sein.
Wenige Monate zuvor war Zetsche der Prügelknabe der deutschen Automobilindustrie. Nicht um fünf, sondern nur um drei Jahre hatte der Aufsichtsrat seinen Vertrag verlängert. Anhaltende Querelen mit dem Betriebsrat hatten dazu geführt, dass die Arbeitnehmerseite sich gegen Zetsche gestellt hatte. Danach galt er als angezählt. Doch weit gefehlt. Auf der Aktionärsversammlung am Mittwoch müssen die Zweifler und Kritiker neidlos eingestehen: Zetsche hat mehr als beachtliche Erfolge erzielt.
Allein im März hat Daimler im Vergleich zum Vorjahresmonat 13 Prozent mehr Autos verkauft. Von Januar bis März waren es sogar 15 Prozent mehr. In den USA findet der Kompakt-Sportler CLA so reißenden Absatz, dass Daimler mit der Produktion kaum hinterherkommt. Und in China - dem derzeit wichtigsten Absatzmarkt der Welt - legten die Schwaben um 43 Prozent zu. "Daimler gibt Gas", sagt Frank Schwope, Analyst bei der Nord LB.
Die rundumerneute Fahrzeugpalette, angefangen bei C-Klasse, über S-Klasse, GLA, CLA und B-Klasse gibt Zetsche Rückenwind. "Damit könnte Mercedes innerhalb der nächsten zwei Jahre beim Absatz an Audi vorbeiziehen." Auch für technologische Highlights wie den Müdigkeitsassistenten oder autonomen Staupiloten in der neuen S-Klasse erntete die Management-Riege von Fachpresse und Kundschaft viel Lob. Die Daimler-Aktie ist innerhalb von zwölf Monaten um rund 70 Prozent gestiegen - BWM brachte es nur auf 40, VW lediglich auf 30 Prozent. Alles wieder in Butter in Stuttgart?
Weit gefehlt. Anfang der Woche meldete sich Ingo Speich von Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volksbanken und Raiffeisenbanken, zu Wort. Zetsche solle seine Doppelfunktion als Vorstandschef von Daimler und der Autosparte Mercedes-Benz Cars aufgeben. Es sei an der Zeit, einen Nachfolger aufzubauen und das geschehe am besten, indem Zetsche einen Teil der Verantwortung - sprich die Mercedes-Leitung - abgebe.
Humbug, finden zahlreiche Branchenbeobachter. "Daimler ist Mercedes", sagt etwa Willi Diez, Professor am Institut für Automobilwirtschaft im schwäbischen Geislingen, "es ist vollkommen richtig und wichtig, dass Zetsche beide Funktionen ausübt." Es gebe keinerlei triftigen Grund, das zu ändern.
"Ein guter CEO soll eben nicht in abgehobenen Managementsphären schweben, sondern im Kernbereich des Geschäfts die Fäden in der Hand halten", argumentiert auch Stefan Bratzel vom CAM Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. Gerade die Bodenhaftung Zetsches sei ein Grund für seinen Erfolg.