Dass Mercedes-Benz gerade einen Lauf hat, das kann selbst der bescheidene Daimler-Chef Dieter Zetsche zurzeit nicht leugnen. Über 40 Rekordmonate in Folge konnten die Stuttgarter zuletzt verzeichnen. Und das Wachstum scheint immer noch kein Ende zu kennen: Allein im Jahr 2016 verkaufte Daimler 11,3 Prozent mehr Autos mit dem Stern auf der Haube als im Vorjahr. Zudem hat Mercedes zum ersten Mal mehr als zwei Millionen Autos ausgeliefert.
Ganz nebenbei hat Mercedes mit diesen Absatzzahlen auch BMW und Audi überholt und feiert sich selbst als „absatzstärkste Premiummarke“. „Wir haben unser Ziel vier Jahre früher erreicht“, freut sich auch Ola Källenius, der bis zum Jahreswechsel Vertriebschef war und seit dem Konzernvorstand für Forschung und Entwicklung ist.
Wenn am Donnerstag Vorstandschef Zetsche und Finanzvorstand Bodo Uebber die Bilanz für das vergangene Jahr vorlegen, ist der Etappensieg im Rennen um die Absatzkrone unter den deutschen Premiummarken nur nebensächlich. Denn es gilt nicht nur möglichst viel zu verkaufen, sondern damit auch Geld zu verdienen – und das möglichst nachhaltig.
Automotive Performance 2016
Tesla
Der kalifornische Elektroautohersteller findet sich zum ersten Mal im Ranking. Dass es nur für den letzten Platz reicht, liegt an den hohen Verlusten und der dementsprechend niedrigen finanziellen Performance.
Mitsubishi
Der kleine japanische Hersteller hat im Vergleich zu seinen Wettbewerbern im Bereich Markt- und Innovationskraft nur unterdurchschnittliche Leistungen zu bieten.
Suzuki
Suzuki schafft es zwar sich einen Platz vor Mitsubishi zu platzieren, hat aber mit den gleichen Problemen zu kämpfen: Auch hier mangelt es an Markt- und Innovationskraft.
PSA
Der französische Hersteller von Peugeot und Citroën zeigt eine deutlich höhere Innovationskraft als seine japanischen Mitbewerber und erreicht damit Platz 14.
Renault
Aufgrund der im Vergleich niedrigen finanziellen Performance landet der französische Konzern auf Platz 13.
Fiat-Chrysler
Der Konzern kann sich trotz eines guten Ergebnisses der amerikanischen Tochter nicht im Mittelfeld halten und rutscht auf den 12. Platz.
Subaru
Der kleine japanische Autohersteller schafft es in dem Ranking auf einen Platz im unteren Mittelfeld.
Mazda
Mit einem Index von knapp unter 30 Prozent landet Mazda auf dem zehnten Platz und kann sich in der Gesamtperformance verbessern.
Honda
Mit einem Performance-Index von über 40 Prozent landet der japanische Konzern deutlich vor seinem Konkurrenten Mazda.
Nissan
Mit einem ähnlich guten Ergebnis wie Honda sichert sich Nissan Platz 8.
VW
Der Abgasskandal macht sich auch in der Performance des Wolfsburger Konzerns bemerkbar: Während er im letzten Jahr noch Platz eins war, reicht es 2016 nur für den siebten Platz.
Hyundai
Während es im letzten Jahr noch für Platz fünf gereicht hat. Liegt das Unternehmen mit einem Indexwert von 44 Prozent dieses Jahr nur auf Platz sechs.
GM
Der amerikanische Konzern verbessert sich im Vergleich zum Vorjahr um eine Position und landet auf Platz 5.
Ford
Dank guter Markt- und Finanzkennzahlen landet Ford auf dem vierten Platz.
BMW
Eine gute finanzielle und eine starke Innovationsperformance sorgen dafür, dass BMW auf dem dritten Platz landet.
Daimler
Der schwäbische Autohersteller verbessert sich im Vergleich zum Vorjahr um einen Platz. Grund dafür ist die zweitbeste Financial Performance.
Toyota
Die beste finanzielle Performance sorgt dafür, dass Toyota auf dem ersten Platz landet.
Das Problem für die Konkurrenz: Selbst das läuft bei Daimler derzeit extrem gut. Und selbst in China, wo Mercedes der Konkurrenz lange hinterher fuhr, steigt der Absatz immer weiter.
Daimler wird die Ziele erfüllen
Sechs von der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX befragte Branchenanalysten schätzen das Ebit (um Sondereffekte bereinigtes Ergebnis vor Zinsen und Steuern) auf durchschnittlich 14,36 Milliarden Euro – ein Zuwachs von vier Prozent im Vergleich zu 2015. Angepeilt hatte Daimler einen leichten Anstieg, was nach der hausinternen Lesart ein Wachstum von 2,5 bis zehn Prozent bedeutet – Ziel erfüllt.
Der Konzernumsatz dürfte vor allem dank der Autosparte Mercedes-Benz Cars laut den Analysten im Schnitt auf 152,3 Milliarden Euro gestiegen sein. Das wäre nur ein Plus von zwei Prozent, das Ziel des „leichten Anstiegs“ hätte Daimler also knapp verfehlt. Stefan Burgstaller von Goldman Sachs liegt mit seiner Umsatzschätzung für das vierte Quartal über den Konsenserwartungen, womit Daimler wieder im Zielkorridor wäre.
Dass Zetsche und Uebber die vor einem Jahr ausgegebenen Finanzziele voraussichtlich erreichen (auch die operative Rendite legt leicht zu), ist nicht zuletzt der eigenen Arbeit der vergangenen Jahre zu verdanken. Seit 2012 hat Mercedes seine Modellpalette in großem Tempo runderneuert und erweitert. Alleine von der für Mercedes so wichtigen E-Klasse wurden nach der Limousine im Januar 2016 bis heute vier weitere Ableger vorgestellt – der Kombi, das Coupé, das Cabriolet und erstmals auch ein Offroad-Kombi, „All-Terrain“ genannt.
Auch das Angebot bei den so gefragten SUV hat Mercedes in den vergangenen Jahren gezielt ausgebaut: GLA, GLC, GLE und GLS sind die SUV-Ableger zu den im letzten Buchstaben der Modellbezeichnung genannten Baureihe – im Falle des GLC und GLE kommt jeweils noch ein SUV-Coupé mit flachem Heck dazu. Und auch für weiteres Wachstum wird bereits gesorgt: Derzeit ist ein weiteres Kompakt-SUV, das möglicherweise als GLB verkauft wird – in der Endphase der Erprobung.
Die SUV erfreuen sich auch auf dem weltgrößten Automarkt China wachsender Beliebtheit. Waren in Shanghai, Peking und den weiteren Millionen-Städten bislang eher klassische Limousinen gefragt, interessieren sich chinesische Kunden zunehmend auch für die Stadt-Geländewagen.
Von diesem Trend kann Mercedes unter den deutschen Premiummarken besonders profitieren. Über Jahre gab Audi in China den Ton an, doch inzwischen ist Mercedes die am schnellsten wachsende Marke in dem asiatischen Riesen-Reich. Die Stuttgarter haben den Anteil der lokal gefertigten Wagen gezielt erhöht, neben der C- und E-Klasse (teils mit längerem Radstand) laufen in China die SUV-Modelle GLA und GLC vom Band. Mit Erfolg: Der GLC ist 2016 in seinem ersten vollen Produktionsjahr mit 87.275 Einheiten gleich zum meistverkauften Mercedes aufgestiegen.
In China hat Mercedes seine Hausaufgaben gemacht
Die deutschen Hersteller selbst weisen offiziell keine Verkaufszahlen für einzelne Modelle in China aus. Laut den Zahlen des chinesischen Branchenverbands CAAM kommt Mercedes bei dem Spitzenmodell zwar noch nicht an Audi (129.453 verkaufte Q5) oder gar BMW (143.626 verkaufte 5er) heran, in der Summe aller Modelle setzen die Stuttgarter aber zum Überholmanöver an.
Mercedes hatte in China jede Menge Nachholbedarf, das steht außer Frage. Doch Zetsche und seine Mannen haben ihre Hausaufgaben gemacht, die Produktion und vor allem das Händlernetz gezielt ausgebaut. Während Audi längst im „New normal“ angekommen ist (nur noch 3,6 Prozent Wachstum und auch BMW 2016 nur noch um 11,3 Prozent zulegen konnte, hat Daimler das hohe Wachstum von 26,6 Prozent beibehalten.
In der Summe liegt Mercedes Benz mit knapp 473.000 Autos in China zwar immer noch auf dem dritten Rang, aber BMW liegt mit 513.000 Autos inzwischen in Reichweite – Audi hat mit 592.000 Einheiten noch einen nennenswerten Vorsprung. Die Reihenfolge wackelt aber auf absehbare Zeit: Die Experten des Analysehauses IHS Automotive rechnen im Jahr 2020 mit 595.000 verkauften Mercedes in China, aber nur mit 560.000 BMW. Neben den Problemen in der noch lückenhaften SUV-Fertigung vor Ort bei BMW sehen die IHS-Experten Mercedes bei der Modellvielfalt vorne.
Der Ausblick könnte Überraschungen bergen
Die Grundlagen dafür hat Zetsche vor Jahren gelegt. Und sollte das IHS-Szenario eintreten, wird auch noch sein Nachfolger (Zetsches Vertrag läuft bis Ende 2019) davon profitieren. Das dank des China-Ergebnisses starke Auto-Geschäft darf aber auch nicht über die Baustellen im Konzern hinwegtäuschen. Denn Daimler ist nicht nur Mercedes-Benz Cars.
In der Truck-Sparte sieht es zum Beispiel weit weniger gut aus. Zwar ist Daimler immer noch der weltgrößte Lkw-Bauer, doch der Konzern leidet unter dem schwachen Markt in Südamerika und auch in den USA. Die Analysten rechnen damit, dass der Umsatz von Daimler Trucks um rund 13 Prozent gesunken ist.
Zudem hatte die EU-Kommission Daimler und andere Lkw-Hersteller wegen Kartellabsprachen mit einem Rekord-Bußgeld belegt. Allein auf die Stuttgarter entfallen dabei rund eine Milliarde Euro. Einige Analysten schätzen aber den Ausblick etwas positiver ein: Dank der Ausgabeprogramme von US-Präsident Donald Trump könnte sich der Markt dort erholen – wenn auch zunächst nur bei den Auftragseingängen. Daimler Trucks ist auf dem nordamerikanischen Markt stark vertreten, etwa mit den Marken Freightliner und Western Star.
Es bleibt also abzuwarten, wie viel vom guten Lauf der Auto- und Van-Sparten wegen des schwächeren Lkw-Ergebnisses in der Konzernbilanz übrig bleibt. In der Summe dürfte der Effekt jedoch überschaubar bleiben, wie die Analystenschätzungen nahe legen.
Viel interessanter als der eine oder andere Prozentpunkt beim Umsatz wird der Ausblick auf das Jahr 2017 werfen, den Dieter Zetsche umreißen wird. Die globale Unsicherheit hat zugenommen, das Geschäft in China wird auch für Daimler irgendwann schwieriger werden und nicht zuletzt beschäftigen nationalistische Tendenzen wie die Zoll-Drohungen von Donald Trump und der Brexit global agierende Unternehmen wie Daimler.
Die US-Werke der deutschen Autokonzerne
Pkw-Werk in Vance (Tuscaloosa)
Bundesstaat: Alabama
Mitarbeiter: 3.500
Modelle: C-Klasse (für Nordamerika), GLE, GLS
Lkw-Werk in Cleveland
Bundesstaat: North Carolina
Mitarbeiter: ca. 3000
Lkw-Werk in Mount Holly (Freightliner)
Bundesstaat: North Carolina
Mitarbeiter: 1.000
Lkw-Werk in Portland (Western Star)
Bundesstaat: Oregon
Mitarbeiter: 1.000
Van-Werk in Charleston (im Bau)
Bundesstaat: South Carolina
Mitarbeiter: bis zu 1.300 (geplant)
Modelle: Sprinter
Pkw-Werk in Spartanburg
Bundesstaat: South Carolina
Mitarbeiter: 8.000
Modelle: X3, X4, X5, X6
Pkw-Werk in Chattanooga
Bundestaat: Tennessee
Mitarbeiter: 2.200
Modelle: US-Passat, künftig Midsize-SUV
Deshalb gehen auch die Meinungen der Analysten auseinander. Die einen rechnen wegen des hohen US-Anteils bei lokal gefertigten Autos wie der C-Klasse und dem GLE in den USA weiter mit guten Ergebnissen, andere sehen BMW mit seinem US-Werk Spartanburg besser aufgestellt. Und beim Brexit hätte es Daimler auch schwerer als die Münchner: Die haben mit Mini und Rolls-Royce zumindest eigene Werke auf der Insel.
Im Schnitt rechnen die Experten aber damit, dass Daimler für 2017 anstelle eines leichten Wachstums ein operatives Ergebnis auf dem Niveau des Vorjahres anpeilen wird. Etwas mehr Bescheidenheit – gerade in erfolgreichen Zeiten – hat noch nie geschadet.