
8.55 Uhr: Zu Beginn der Jahrespressekonferenz gibt es Blitzlichtgewitter. Erst Daimler-Chef Dieter Zetsche gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen Wolfgang Bernhard, Chef der Trucksparte, und Finanzvorstand Bodo Uebber, dann Zetsche alleine vor dem Elektroauto, was neben dem Sprechertisch in der Stuttgarter Carl Benz Arena auf der Bühne steht.
Um Punkt 9 Uhr dann spielt Daimler einen Unternehmensfilm ab. „Unser Antrieb ist Pioniergeist“, sagt eine Stimme. Das liege in der Daimler-DNA.
Keine Frage, Zetsche lässt sich feiern – dabei sind die Zeiten stürmischen Wachstums sind für Daimler vorerst vorbei. Bei einem Umsatzplus von drei Prozent auf 153,3 Milliarden Euro kletterte der um Sonderfaktoren bereinigte Vorsteuergewinn (Ebit) 2016 ebenso stark auf 14,2 Milliarden Euro. In den beiden Jahren zuvor war das bereinigte Ebit, angetrieben von einer Aufholjagd in China und einer Modelloffensive, noch um Raten von 36 oder 27 Prozent in die Höhe geschnellt.
Im Automobilgeschäft habe Daimler seine Zielrendite erreicht, sagte Uebber. „Und wir sind zuversichtlich, die bei Daimler erreichten Bestmarken im Jahr 2017 noch einmal nach oben entwickeln zu können.“ Dennoch plant Daimler 2017 vorsichtig – mit einem leichten Absatz- und Umsatzplus und einem leichten Wachstum beim operativen Gewinn.
Das Wachstum bremste die Lkw-Sparte, die unter anderem in Nordamerika und Brasilien schwächelte. Unterm Strich verdiente der Konzern 8,5 Milliarden Euro, nach 8,4 Milliarden Euro im Vorjahr.
Der Autokonzern hatte im Vorjahr 2,2 Millionen Autos verkauft – ein Plus von knapp 12 Prozent. Im Oberklassesegment überholte Daimler den Rivalen BMW beim Absatz. In diesem Jahr rechnet Daimler allerdings nur noch mit einem leichten Plus bei den Verkäufen. Neben einer Überarbeitung des Flaggschiffs S-Klasse stehen nur neue Modellvarianten und ein neuer kleiner kompakter Geländewagen auf dem Plan.





Daimler rechnet aber damit, die Profitabilität der Sparte weiter zu steigern, weil unter anderem die wichtige E-Klasse in der neuen Version das ganze Jahr über in China verfügbar ist. Weltweit schwächen sich die Pkw-Märkte nach Daimlers Erwartung allerdings etwas ab.
In der Lkw-Sparte dürften sich die Verkäufe nach dem Rückgang im vergangenen Jahr stabilisieren. 2016 waren die Verkäufe um knapp 90.000 Einheiten auf 415.100 zurückgegangen. Im vergangenen Jahr hatte die Schwäche des Geschäfts Daimler dazu gebracht, seine Absatz und Umsatzerwartungen für den gesamten Konzern zurückzunehmen. Wichtige Märkte wie Nordamerika, Brasilien und Indonesien schwächelten. In Brasilien rechnen die Stuttgarter mit einer allmählichen Markterholung, allerdings dürfte der Absatz dennoch auf dem niedrigen Niveau des Vorjahres liegen.





Für das laufende Jahr stellte Zetsche einstelliges Wachstum in Aussicht. Absatz, Umsatz und Vorsteuerergebnis sollen „leicht“ steigen. Das bedeutet beim Gewinn eine Spanne von 2,5 bis zehn Prozent – von Reuters befragte Analysten hatten ein Gewinnplus von knapp zehn Prozent erwartet. Erleichtert wird das Wachstumsversprechen, da der Dax-Konzern einen anderen Maßstab für sein Gewinnziel nutzt als bisher. Ab 2017 richtet sich Daimler wegen strengerer EU-Vorschriften nach dem unbereinigten Vorsteuerergebnis. Dieses lag wegen Sonderlasten von rund 1,3 Milliarden Euro im vergangenen Jahr bei 12,9 Milliarden Euro. Die Ausgangsbasis ist damit niedriger.
Bei kritischen Fragen gibt sich Zetsche einsilbig
Zahlen sind das eine – Makrothemen das andere. Doch da kanzelt sich Zetsche ab. Fragen nach Trump? Er gibt Standardantworten, die gleichen Sätze wie seit Wochen. „Wir stellen uns auf Dinge ein, wenn wir sie kennen.“ Punkt. Kritik am US-Einreiseverbot für Muslime aus bestimmten Ländern? Über Zetsches Lippen kommt kein Wort der Kritik. Fast scheint es, als ob er es sich nicht mit der neuen US-Regierung verscherzen wolle. Auch zum Brexit könne er noch nichts beitragen. Das sei „rein spekulativ“, die Zeiten seien im Moment einfach volatiler, da müsse sich Daimler anpassen. Wie? Verrät er nicht.
Zugeknöpft gab sich Zetsche auch bei für Daimler anderen kritischen Themen. So ermittelt die Staatsanwaltschaft in Paris etwa gegen Renault. Der Verdacht: ein möglicher Abgasbetrug. Da ist es misslich, dass Daimler mit Renault kooperiert und auch Renault-Motoren in seine Fahrzeuge einbaut. In Deutschland ist Daimler gar von einem freiwilligen Rückruf betroffen. Wie wirken sich da wohl die Ermittlungen gegen den Partner auf Daimler aus? „Nicht“, antwortet Zetsche einsilbig. Und fügt dann hinzu, dass sich an seinem Optimismus in der Zusammenarbeit mit Renault nichts geändert habe.
So geht die einstündige Frage-Antwort-Runde munter weiter. Ein Reporter fragt nach einer Studie, die bezüglich CO2-Ausstoß immense Abweichungen zwischen den Emissionen auf der Straße und solchen in behördlichen Tests auch bei Daimler-Autos zutage förderte. Diese Autos verbrauchen deutlich mehr Sprit als vom Hersteller angegeben. Doch: Zetsche kennt die Studie leider nicht.
Als eine Reporterin ihren Unmut darüber zum Ausdruck bringt, dass Zetsche so gar nichts zu Risiken in den USA und anderen kritischen Themen sagt, antwortet Zetsche nur, dass es ihm zwar leid tue, dass die Dame nicht glücklich sei. „Ich weiß aber auch nicht, wie ich das ändern soll.“ Und zu einer laufenden Untersuchung der US-Regierung, ob nach Volkswagen auch Daimler bei Emissionen getrickst hat, gibt man sich betont kleinlaut. Die Untersuchung, sagt der Finanzchef, schreite voran und Daimler kooperiere natürlich mit den Behörden.
Da gewinnt man den Eindruck: Hauptsache, die Zahlen sich gut.