Daimler Pkw-Sparte soll auch 2017 Wachstumsgarant sein

Das Lkw-Geschäft entwickelte sich 2016 zum Bremsklotz für Daimler. Mit Trucks macht der Konzern immerhin ein Fünftel seines Umsatzes. Auf die Pkw-Sparte ist Verlass – doch die Zeiten stürmischen Wachstums sind vorbei.

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Daimler erwartet auch 2017 steigende Zahlen. Quelle: AP

8.55 Uhr: Zu Beginn der Jahrespressekonferenz gibt es Blitzlichtgewitter. Erst Daimler-Chef Dieter Zetsche gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen Wolfgang Bernhard, Chef der Trucksparte, und Finanzvorstand Bodo Uebber, dann Zetsche alleine vor dem Elektroauto, was neben dem Sprechertisch in der Stuttgarter Carl Benz Arena auf der Bühne steht.

Um Punkt 9 Uhr dann spielt Daimler einen Unternehmensfilm ab. „Unser Antrieb ist Pioniergeist“, sagt eine Stimme. Das liege in der Daimler-DNA.

Keine Frage, Zetsche lässt sich feiern – dabei sind die Zeiten stürmischen Wachstums sind für Daimler vorerst vorbei. Bei einem Umsatzplus von drei Prozent auf 153,3 Milliarden Euro kletterte der um Sonderfaktoren bereinigte Vorsteuergewinn (Ebit) 2016 ebenso stark auf 14,2 Milliarden Euro. In den beiden Jahren zuvor war das bereinigte Ebit, angetrieben von einer Aufholjagd in China und einer Modelloffensive, noch um Raten von 36 oder 27 Prozent in die Höhe geschnellt.

Im Automobilgeschäft habe Daimler seine Zielrendite erreicht, sagte Uebber. „Und wir sind zuversichtlich, die bei Daimler erreichten Bestmarken im Jahr 2017 noch einmal nach oben entwickeln zu können.“ Dennoch plant Daimler 2017 vorsichtig – mit einem leichten Absatz- und Umsatzplus und einem leichten Wachstum beim operativen Gewinn.

Das Wachstum bremste die Lkw-Sparte, die unter anderem in Nordamerika und Brasilien schwächelte. Unterm Strich verdiente der Konzern 8,5 Milliarden Euro, nach 8,4 Milliarden Euro im Vorjahr.

Der Autokonzern hatte im Vorjahr 2,2 Millionen Autos verkauft – ein Plus von knapp 12 Prozent. Im Oberklassesegment überholte Daimler den Rivalen BMW beim Absatz. In diesem Jahr rechnet Daimler allerdings nur noch mit einem leichten Plus bei den Verkäufen. Neben einer Überarbeitung des Flaggschiffs S-Klasse stehen nur neue Modellvarianten und ein neuer kleiner kompakter Geländewagen auf dem Plan.

Der Business-Benz wird zum Edel-Laster
Natürlich ist es immer nur eine Frage der Zeit, bis Mercedes nach einer neuen Limousine auch die dazugehörige Kombi-Version vorstellt. Im Falle der aktuellen Baureihe der E-Klasse hat das rund ein halbes Jahr gedauert: Mitte Januar zeigten die Stuttgarter auf der Automesse in Detroit zum ersten Mal die Limousine – in Märkten wie den USA sind neben SUV in sämtlichen Größen vor allem noch klassische Limousinen gefragt. Hierzulande ist das anders, hier stehen die praktischen Kombis mit sparsamen Dieselmotor im Fokus der Dienstwagen-Fahrer. Kein Wunder also, dass Mercedes das E-Klasse T-Modell, wie die Kombis bei Daimler heißen, in Deutschland vorgestellt hat. Und das nicht auf einer Messe, sondern am Rande eines Tennis-Turniers. Quelle: Daimler
Die passende Klientel war bei der Premiere des Luxus-Lasters also gleich anwesend. In der PR-Prosa von Mercedes klingt das dann so: "Dynamisch wie die Tennis-Profis und geräumig wie der Centre Court gibt die sechste Modellgeneration ihr Debüt." Solche gewollten Bezüge hat der Kombi eigentlich gar nicht nötig, denn zumindest auf dem Papier überzeugen die Fakten. Quelle: Daimler
Bei der Technik greift der Kombi auf die bekannten Technologien der Limousine zurück. Zum Marktstart stehen die Modelle E 200 mit Vierzylinder-Benzinmotor (184 PS) und E 220 d (194 PS) mit dem völlig neu entwickelten Vierzylinder-Dieselmotor sowie der E 250 mit (211 PS) zur Verfügung. Im vierten Quartal 2016 folgen der E 200 d mit (150 PS), der E 350 d mit Sechszylinder-Diesel sowie der E 400, dessen Sechszylinder-Benzinmotor 333 PS leistet. Alle Modelle sind bei der Markteinführung mit dem neuen Neungang-Automatikgetriebe ausgerüstet. Quelle: Daimler
Das T-Modell verfügt über alle Innovationen der neuen E-Klasse, die Mercedes im Januar als "intelligenteste Business-Limousine der Welt" gefeiert hatte. Mehr zur Limousine lesen Sie hier. Neben den beiden riesigen Displays verfügt die E-Klasse unter anderem über eine neuartige Bedienmöglichkeit mit Touchpads am Lenkrad und einen teilautonomen Fahrassistenten. Mehr über die Assistenzsysteme der E-Klasse lesen Sie hier. Quelle: Daimler
Auf der Rückbank gibt es für die Passagiere etwas mehr Kopffreiheit, da die Dachlinie nicht wie bei der Limousine abfällt. Neu ist die serienmäßige Cargo-Funktion der Rücksitzbank: Die Lehne kann um rund 10 Grad steiler gestellt werden. Das sorgt für ein zusätzliches Ladevolumen von 30 Litern bei weiterhin voller Nutzbarkeit als Fünfsitzer. Darüber hinaus lässt sich die Rücksitzlehne ebenfalls serienmäßig im Verhältnis 40:20:40 teilen, was viele Möglichkeiten der individuellen Aufteilung zwischen Transportkapazität und Sitzplätzen schafft. Mit Schaltern im Laderaum sowie rechts und links neben den Sitzlehnen lassen sich diese elektrisch entriegeln. Quelle: Daimler
Jetzt aber zum Herzstück des Kombis, dem Kofferraum. Mit einem Fassungsvermögen von 670 bis 1.820 Liter zählt der Laderaum des E-Klasse T-Modells zu den größten im Segment. Da der Kofferraum auch zwischen den Radkästen sehr breit ist (1,10 Meter) ist der Kombi eines der wenigen Autos, in das eine Europalette passt. Zum guten Ton gehört inzwischen, dass die Heckklappe auch durch eine Kickbewegung des Fußes unterhalb des hinteren Stoßfängers geöffnet werden kann, wenn man gerade keine Hand frei hat. Neu ist aber, dass die Gesten-Öffnung auch funktioniert, wenn die optionale Anhängerkupplung montiert ist. Quelle: Daimler
Bereits ab Werk hat der Kombi eine Luftfederung an der Hinterachse. Mit der automatischen Niveauregulierung wird der Kombi selbst dann in der Waagerechten gehalten, wenn die volle Zuladung – je nach Modell bis zu 745 Kilo – oder die Anhängelast – bis zu 2.100 Kilo – ausgenutzt wird. Wer beim Bestellen ein Kreuz bei der "Air Body Control" setzt, bekommt gegen Aufpreis auch an der Vorderachse eine Luftfederung. Quelle: Daimler

Daimler rechnet aber damit, die Profitabilität der Sparte weiter zu steigern, weil unter anderem die wichtige E-Klasse in der neuen Version das ganze Jahr über in China verfügbar ist. Weltweit schwächen sich die Pkw-Märkte nach Daimlers Erwartung allerdings etwas ab.

In der Lkw-Sparte dürften sich die Verkäufe nach dem Rückgang im vergangenen Jahr stabilisieren. 2016 waren die Verkäufe um knapp 90.000 Einheiten auf 415.100 zurückgegangen. Im vergangenen Jahr hatte die Schwäche des Geschäfts Daimler dazu gebracht, seine Absatz und Umsatzerwartungen für den gesamten Konzern zurückzunehmen. Wichtige Märkte wie Nordamerika, Brasilien und Indonesien schwächelten. In Brasilien rechnen die Stuttgarter mit einer allmählichen Markterholung, allerdings dürfte der Absatz dennoch auf dem niedrigen Niveau des Vorjahres liegen.

Die E-Klasse für Genießer
Mercedes-Benz E-Klasse Cabrio Quelle: Daimler
Mercedes-Benz E-Klasse Cabrio Quelle: Daimler
Mercedes-Benz E-Klasse Cabrio Quelle: Daimler
Mercedes-Benz E-Klasse Cabrio Quelle: Daimler
Mercedes-Benz E-Klasse Cabrio Quelle: Daimler
Mercedes-Benz E-Klasse Cabrio Quelle: Daimler
Die E-Klasse für Genießer

Für das laufende Jahr stellte Zetsche einstelliges Wachstum in Aussicht. Absatz, Umsatz und Vorsteuerergebnis sollen „leicht“ steigen. Das bedeutet beim Gewinn eine Spanne von 2,5 bis zehn Prozent – von Reuters befragte Analysten hatten ein Gewinnplus von knapp zehn Prozent erwartet. Erleichtert wird das Wachstumsversprechen, da der Dax-Konzern einen anderen Maßstab für sein Gewinnziel nutzt als bisher. Ab 2017 richtet sich Daimler wegen strengerer EU-Vorschriften nach dem unbereinigten Vorsteuerergebnis. Dieses lag wegen Sonderlasten von rund 1,3 Milliarden Euro im vergangenen Jahr bei 12,9 Milliarden Euro. Die Ausgangsbasis ist damit niedriger.

Bei kritischen Fragen gibt sich Zetsche einsilbig

Zahlen sind das eine – Makrothemen das andere. Doch da kanzelt sich Zetsche ab. Fragen nach Trump? Er gibt Standardantworten, die gleichen Sätze wie seit Wochen. „Wir stellen uns auf Dinge ein, wenn wir sie kennen.“ Punkt. Kritik am US-Einreiseverbot für Muslime aus bestimmten Ländern? Über Zetsches Lippen kommt kein Wort der Kritik. Fast scheint es, als ob er es sich nicht mit der neuen US-Regierung verscherzen wolle. Auch zum Brexit könne er noch nichts beitragen. Das sei „rein spekulativ“, die Zeiten seien im Moment einfach volatiler, da müsse sich Daimler anpassen. Wie? Verrät er nicht.

Zugeknöpft gab sich Zetsche auch bei für Daimler anderen kritischen Themen. So ermittelt die Staatsanwaltschaft in Paris etwa gegen Renault. Der Verdacht: ein möglicher Abgasbetrug. Da ist es misslich, dass Daimler mit Renault kooperiert und auch Renault-Motoren in seine Fahrzeuge einbaut. In Deutschland ist Daimler gar von einem freiwilligen Rückruf betroffen. Wie wirken sich da wohl die Ermittlungen gegen den Partner auf Daimler aus? „Nicht“, antwortet Zetsche einsilbig. Und fügt dann hinzu, dass sich an seinem Optimismus in der Zusammenarbeit mit Renault nichts geändert habe.

So geht die einstündige Frage-Antwort-Runde munter weiter. Ein Reporter fragt nach einer Studie, die bezüglich CO2-Ausstoß immense Abweichungen zwischen den Emissionen auf der Straße und solchen in behördlichen Tests auch bei Daimler-Autos zutage förderte. Diese Autos verbrauchen deutlich mehr Sprit als vom Hersteller angegeben. Doch: Zetsche kennt die Studie leider nicht.

Als eine Reporterin ihren Unmut darüber zum Ausdruck bringt, dass Zetsche so gar nichts zu Risiken in den USA und anderen kritischen Themen sagt, antwortet Zetsche nur, dass es ihm zwar leid tue, dass die Dame nicht glücklich sei. „Ich weiß aber auch nicht, wie ich das ändern soll.“ Und zu einer laufenden Untersuchung der US-Regierung, ob nach Volkswagen auch Daimler bei Emissionen getrickst hat, gibt man sich betont kleinlaut. Die Untersuchung, sagt der Finanzchef, schreite voran und Daimler kooperiere natürlich mit den Behörden.

Da gewinnt man den Eindruck: Hauptsache, die Zahlen sich gut.

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