Daimler-Truck-Vorstand Bernhard „Der vernetzte Lkw kommt schneller als das Connected Car“

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„Herr Dobrindt muss keine Milliarden investieren“


Noch befindet sich das vernetzte Konvoifahren in der Erprobung. Wann kommt die Technologie in Serie?
Wir haben für drei Lkws in Baden-Württemberg auf der A81 und in Nordrhein-Westfalen auf der A52 eine Sondererlaubnis. Wir glauben, dass wir das teilautonome Fahren in wenigen Jahren zur Serienreife bringen können. Das Koppeln im Verbund können wir auch zeitnah umsetzen. In diesem Fall geht es aber nicht nur darum, eine Mercedes-Lösung, sondern eine Industrie-Lösung anzubieten. Wir müssen uns mit den anderen Herstellern auf ein gemeinsames Protokoll verständigen, damit sich die Fahrzeuge auch markenübergreifend austauschen können. Deshalb basiert unsere Technologie auch auf dem Automobilstandard für Wifi-Verbindungen.



Wie teuer ist die Aufrüstung zu einem Connected Truck?
Die Kosten sind überschaubar. Wir nutzen ein gut abgesichertes Wifi, die Technik ist preiswert und überall verfügbar. Auf dieser Basis können die Fahrzeuge im Radius von 200 Metern untereinander kommunizieren – das reicht für einen Platoon vollkommen aus. Deshalb brauchen wir auch keine aufwändige Infrastruktur. Herr Dobrindt muss also nicht erst Milliarden in ein Datensystem investieren. Die Herausforderungen bestehen weniger bei den Kosten der Technologie, sondern branchenweite Standards und einen gesetzlichen Rahmen zu bekommen. In dem Platoon fahren die Lkws in nur 15 Metern Abstand, deutlich weniger als der heute vorgeschriebene Sicherheitsabstand bei Autobahntempo. Das ist zum Beispiel ein Punkt, der geändert werden muss.

Der Sicherheitsabstand hat seine guten Gründe, bei Notbremsungen zum Beispiel.
Die Fahrzeuge tauschen sich in Echtzeit aus. In der Sekunde, in der das erste Fahrzeug des Platoons bremst, bremsen alle anderen auch. Die Reaktionszeit liegt bei einer Zehntelsekunde. Selbst ein aufmerksamer Fahrer reagiert erst nach 1,2 Sekunden. Unsere Versuche auf der Straße haben gezeigt, dass der Abstand der Fahrzeuge auch bei einer unerwarteten Vollbremsung bei 15 Metern bleibt. Dazu kommt, dass das System nie müde, unkonzentriert oder in einer anderen Art abgelenkt wird. Wir sehen darin einen echten Vorteil für die Sicherheit im Straßenverkehr.


Noch viele Hürden für selbstfahrende Autos


Damit die Vernetzung funktioniert, gehen Experten davon aus, dass fünf bis zehn Prozent der Autos vernetzt sein müssen. Welche kritische Masse benötigen Sie, um die Vorteile ausschöpfen zu können?
Wir haben es einfacher als unsere Kollegen im Pkw-Bereich. Wir haben es nicht mit Einzelkunden zu tun, sondern unsere Kunden haben große Flotten, die recht kostengünstig aufgerüstet werden können. Deshalb erwarten wir, dass sich die Technologie schneller verbreiten wird und wir auch mit einem geringeren Anteil auskommen werden. Klar ist, dass es umso besser funktioniert, wenn sich mehr Fahrzeuge zusammenfinden.

Wenn autonome Lkws auch noch miteinander kommunizieren können und so noch effizienter ans Ziel kommen, wird dann der Fahrer überflüssig?
Nein, auch wenn der Lkw automatisch fährt: In einigen Fällen ist der Fahrer immer noch gefragt. Das ist ein einfacher Spurwechsel oder zum Beispiel eine Baustelle. Wenn der Lkw nicht mehr die Linien der Fahrspur zuverlässig erkennt, muss nach wie vor der Mensch übernehmen. Es gibt diese Situationen im Alltag noch zuhauf, wir arbeiten aber daran, sie seltener zu machen.


von Sebastian Schaal, Franz W. Rother


Ein Ziel der vernetzten Trucks ist es, die Sicherheit zu erhöhen. Ein anderes aber auch, deren Einsatz wirtschaftlicher zu machen. Wenn der Lkw wieder attraktiver wird, nimmt dann das Verkehrsproblem wieder zu?
Das Transportaufkommen wird steigen – unabhängig davon, ob und wie der Truck das macht. Die Frage ist, wie wir es schaffen, mehr Güter über die Straße zu transportieren, ohne dabei mehr Ressourcen zu verbrauchen und die Infrastruktur mehr zu belasten. Technologie allgemein und die Vernetzung von Trucks im Speziellen kann hier einen enormen Beitrag leisten. Fahren drei Lkws im Platoon, ist der Konvoi rund 80 Meter lang – anstatt heute 150 Meter.

Wenn die vernetzten Trucks den Sicherheitsabstand unterschreiten dürfen und die Fahrzeuge wichtige Dokumente elektronisch mit dem Zoll austauschen sollen, muss der Staat aktiv werden. Wie sehr bremst der Gesetzgeber?
Nicht wirklich. Die großen Dinge können wir alleine stemmen. Wir brauchen auch nicht, wie oft behauptet, eine aufwändige Infrastruktur an den Autobahnen. Was hingegen sinnvoll wäre, ist eine bessere Netzabdeckung an den Straßen. Die Telekommunikationsunternehmen haben bislang unzureichend verstanden, welche Umsatzmöglichkeiten sich auf den Autobahnen und Straßen ergeben.


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