Daimler Zetsches letzte Bilanz

Daimler: Dieter Zetsches letzte Bilanz Quelle: imago images

Im Mai endet mit dem Ausscheiden Dieter Zetsches eine Ära bei Daimler. 13 Jahre stand der Manager an der Spitze des Autobauers. Seine letzte Bilanz ist geprägt von miesen Zahlen, aber auch viel Aufbruchsstimmung.

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Daimler-Chef Dieter Zetsches Präsentation der Jahresbilanz des Autobauers in Stuttgart ist dieses Mal in mehrfacher Hinsicht ein besonderer Moment: Es ist seine letzte Bilanz nach 13 Jahren im Amt des Vorstandschefs, denn er übergibt Ende Mai das Zepter an Entwicklungschef Ola Källenius. Und ausgerechnet dieses Mal muss Zetsche erstmals seit dem Verlustjahr 2009 einen Gewinneinbruch erklären. Um fast ein Drittel ist der Gewinn zurückgegangen – unterm Strich sank das Ergebnis um 29 Prozent auf 7,25 Milliarden Euro.

Diese Entwicklung kommt keinesfalls überraschend. „Für Daimler war 2018 ein Jahr mit starkem Gegenwind“, sagte der scheidende Konzernchef vor der Hauptversammlung. Zum einen waren große Investitionen in die Zukunftsfähigkeit des Autobauers (Stichwort: Elektrifizierung und Autonomes Fahren) notwendig geworden. Zum anderen musste Zetsche den Autobauer 2018 durch ein wirtschaftspolitisch schwieriges Geschäftsjahr führen. Der Handelsstreit, WLTP und die Diesel-Rückrufaktionen kosteten Daimler Gewinn und schlugen aufs Image. Die Daimler-Aktie bröckelte noch stärker als die anderer deutscher Autobauer, auch weil Anleger um die Dividende für 2018 bangten.

Gleich zwei Mal senkte der Dax-Konzern im vergangenen Jahr die Gewinnprognose und kündigte im Herbst einen Rückgang des Vorsteuergewinns (Ebit) um mehr als zehn Prozent an.

Gleichzeitig setzte Zetsche 2018 wichtige Signale für Daimlers Zukunft. Um Daimler zukunftsfähig zu halten, drehte der Chef in Sachen Elektrifizierung auf. Im Rahmen der Hauptversammlung im April 2018 sagte Zetsche: „Wir wissen alle, dass sehr, sehr viele und grundlegende Veränderungen, insbesondere auch durch neue technologische Möglichkeiten, in der Automobilindustrie zu gewärtigen sind.“ Das Motto damals: „Daimler kann mehr!“

Was dieses „mehr“ bedeutete, zeigte der Daimler-Chef damals auf der Hauptversammlung: Auf großer Bühne parkten zu seiner linken und rechten Seite zwei elektrifizierte Daimler-Modelle: der Mercedes-Benz Concept EQ und der Mercedes-Benz Elektro-Sprinter.

Dass dafür kostspielige Investitionen nötig geworden waren und auch 2018 wieder viel Geld in diese und andere Zukunftspläne fließen sollte, verschwieg Zetsche bei der letztjährigen Hauptversammlung keinesfalls. „Mehr Elektroautos sind gut für die CO2-Bilanz. Aber nicht so gut für unsere Konzern-Bilanz – jedenfalls vorübergehend“, sagte Zetsche damals. Vor knapp zwei Wochen bezifferte der Daimler-Chef entsprechende Ausgaben noch einmal genauer: Bis 2020 sollen zehn Milliarden Euro in den Ausbau der E-Flotte fließen. Mit dem Ziel, bis 2022 das gesamte Mercedes-Portfolio zu elektrifizieren.

von Annina Reimann, Christian Schlesiger

Milliardenhohe Kosten für die elektrisch und selbst fahrenden Autos von morgen dürften also in Zetsches letzte Bilanz ein zusätzliches Loch reißen. Und auch die Daimler-Bilanzen der nächsten Jahre könnten wenig erfreulich ausfallen. Wegen der vielen Einmalfaktoren erwarten Analysten nach der Delle 2018 zwar wieder steigenden Profit, „aber den Rekordgewinn von über 14 Milliarden Euro 2017 werden wir nicht so schnell wiedersehen“, sagt Christian Ludwig, Autoexperte vom Bankhaus Lampe. Denn die Ausgaben für alternative Antriebe und automatisiertes Fahren blieben hoch.

Nicht nur hier hinterlässt Zetsche seinem Nachfolger große Herausforderungen. Auch beim Thema CO2 wird Källenius den Kampf Zetsches fortsetzen müssen. Nach Einschätzung des scheidenden Daimler-Chefs könnte der Autobauer – ebenso wie die Konkurrenz – den Erwartungen aus Gesellschaft und Politik womöglich nur hinterherrennen. Mitte Januar hatte Zetsche zuletzt deutlich gemacht: Er habe Zweifel an der Erreichbarkeit der neuen europäischen CO2-Grenzwerte für Autos bis 2030. „Aktuell weiß noch keiner, ob und wie es uns gelingen kann, die im Dezember in Brüssel beschlossenen CO2-Reduktionsziele für Pkw von 37,5 Prozent bis 2030 zu erreichen“, sagte Zetsche damals in Berlin. Dasselbe gelte für die diskutierten CO2-Einspar-Vorgaben für Lkw.

Nichtsdestotrotz sehen Experten Daimler dank Zetsches Planungen auf dem richtigen Weg. Für Klimaschutz und Digitalisierung braucht es Autos, die keine Schadstoffe mehr ausstoßen und dem Fahrer das Steuer abnehmen, damit er schneller von A nach B kommt und sich unterwegs noch mit dem Smartphone beschäftigen kann. Das zu entwickeln, verschlingt zwar viel Geld, während die Autokonjunktur weltweit ins Stottern kommt. Dorothee Cresswell, Autoanalystin von Barclays Capital hält Daimler aber dennoch für gut gewappnet. „Ohne Zweifel wird 2019 für die gesamte Industrie wieder eine Herausforderung“, schreibt Cresswell. Der Umsatz werde nur noch langsam steigen, während die Kosten durch ungünstige Wechselkurse, verteuerte Rohstoffe oder drohende Zölle zusätzlich anziehen. Für die Stuttgarter sei es jedoch ein Machbarkeitstest, den der Autobauer durchaus bestehen könnte.

Die wichtigsten Stationen des Ola Källenius
Zuhören, erklären, nie die Ruhe verlieren - so zeigt sich der designierte neue Daimler-Chef Ola Källenius in der Öffentlichkeit. Quelle: dpa
Der 49-jährige Ökonom Källenius hat schon viele Stationen bei dem Premiumautobauer durchlaufen Quelle: dpa
Dass Ola Källenius kein Ingenieur ist, stört Daimler nicht. Er übernahm 2017 das Ressort Forschung und Entwicklung. Quelle: dpa
Källenius sei mit seiner Erfahrung "bestens" für den Vorstandsvorsitz geeignet. Quelle: dpa
Källenius habe sich schon eine gute Position aufgebaut, sagte Christian Ludwig, Autoanalyst vom Bankhaus Lampe. "Ich glaube nicht, dass Källenius nur eine Marionette von Herrn Zetsche sein wird." Quelle: dpa
Der Schwede spricht Deutsch so exzellent wie Englisch. Quelle: dpa

Der Schwede Källenius übernimmt den Chefposten bei Daimler also in einer Phase des Umbruchs der gesamten Autoindustrie. Zetsche dürfte seinen Nachfolger aber mit einiger Schubkraft ins neue Geschäftsjahr schicken. Denn die neuen und erneuerten Modelle sollten den Schwaben einen gewissen Auftrieb verschaffen. So geht etwa der Geländewagen EQC, das erste Elektroauto der neuen Marke EQ, an den Start. Damit hat Daimler wieder mehr im Köcher als im vergangenen Jahr. Außerdem dürfte erneut die Nutzfahrzeugsparte Daimler Trucks eine gute Stütze sein. 2019 soll neben Absatz und Umsatz auch der operative Gewinn wieder leicht steigen. Bei der wichtigen Umsatzrendite in der Pkw-Sparte peilt Daimler zwischen sechs und acht Prozent an. 2018 lag sie bei 7,8 Prozent. Daimler bleibt damit vorsichtig. In der Regel peilte der Konzern in der Vergangenheit hier einen Wert von acht bis zehn Prozent an. „Damit können und wollen wir nicht zufrieden sein“, sagte Zetsche. „Deshalb haben wir begonnen, umfassende Gegenmaßnahmen zu erarbeiten“, die ab Mai dann sein Nachfolger weiterführen wird.

Für Zetsche bedeutet der Weg in die Rente ab 2020 ein Ruhegehalt von jährlich mindestens 1,05 Millionen Euro. Darüber hinaus können laut Daimler weitere Ansprüche entstehen. Ein endgültiger Abschied von Daimler dürfte der Abschied vom Chefposten im Mai für Zetsche indes nicht sein. Ab 2021, nach einer verpflichtenden „Cooling-off-Periode“ von zwei Jahren, soll er die Nachfolge von Manfred Bischoff im Aufsichtsrat antreten.

Mit Material von dpa und Reuters

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