Der VW ID.3 im Test Das Auto überzeugt, die Software enttäuscht

Christian Stadler, erster Kunde, fährt bei einem Pressetermin zur Auslieferung der ersten Volkswagen-Elektroautos ID.3 in seinem neuen Auto vor der Gläsernen VW Manufaktur. Quelle: dpa

Der ID.3 von Volkswagen ist eines der wichtigsten Autos der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Er könnte die Umstellung der deutschen Autoindustrie auf den Elektroantrieb einläuten und soll bei den E-Autos das werden, was der VW Golf bei den Verbrennern war: Marktführer, Qualitätschampion und Inbegriff einer ganzen Fahrzeugklasse. Kann das gelingen? Die Redaktion der WirtschaftsWoche hat den ID.3 getestet.

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1. Thomas Stölzel: Bewertung: 3 von 5 Sternen

Eins vorneweg. Nachdem ich den ID.3 gefahren bin, lautet mein Urteil: Es handelt sich nicht um „Das Auto“, dies ist einfach nur „Ein Auto“. Der ID.3 fährt sich solide. Das Fahrwerk fühlt sich straff an. Das Auto zieht an der Ampel ordentlich weg. Die Verarbeitung scheint auf den ersten Blick gut zu sein.

Dass bei mir in diesem Fahrzeug kein Fahrspaß wie in einem Porsche Taycan, einem Tesla Model S oder einem BMW-Roadster mit Verbrennungsmotor aufkommt, hätte ich von einem Fahrzeug der Golf-Klasse zwar nicht erwartet, aber VW hätte mich hier gern überraschen können.

Der Innenraum ist mit allerlei Displays versehen, verfügt über moderne USB-C-Anschlüsse, wirkt allerdings insgesamt uninspiriert. Daran ändert auch die Lichtleiste unter der Windschutzscheibe nichts, die sich beim Einschalten des Fahrzeugs und bei der Kommunikation mit der Sprachsteuerung meldet und den Fahrer wohl an K.I.T. aus dem US-Serien-Hit „Knight Rider“ aus den 80ern erinnern soll. Als Designfauxpas empfinde ich die Taster zum Einschalten des Lichtes am Armaturenbrett. Vor allem wenn ein Fahrer den Wagen noch nicht gewohnt ist, muss er den Blick von der Straße nehmen, sich erst einmal damit beschäftigen. Nicht alles an bisherigen Autos ist schlecht, so möchte ich doch mal an dieser Stelle ein kleines Plädoyer für den guten alten Drehschalter halten.

Diesen hätte ich auch gern für die Bedienung des Radios und der Klimaanlage zurück. Denn das könnte verwirrender kaum sein. Zwar findet der Fahrer recht schnell die zwei Taster, mit denen er die Klimaautomatik kälter oder wärmer stellen kann. Wie sich das Gebläse bei den einzelnen Düsen hoch oder runter drehen lässt, blieb mir aber auf die Schnelle verborgen. Das ist vor allem für jene von Nachteil, die das Fahrzeug mal für einen Tag als Leihwagen übernehmen oder, noch schlimmer, vom Autohaus als Testwagen bekommen.

Und da sind wir schon bei meinem Hauptkritikpunkt: Das sogenannte User-Interface ist abgesehen von Lenkrad, Gas, Bremse, Blinker und Schaltung alles andere als intuitiv. Die Sprachsteuerung schaffte es nach mehrmaligem Versuch nicht, eine Navigation zu einer Straße in Düsseldorf zu starten, deren Name einfacher kaum sein könnte. Insgesamt bekommt der Fahrer den Eindruck vermittelt, dass deutsche Ingenieurkunst genau da endet, wo die Grenze zur digitalen Welt überschritten wird.

Insgesamt ist der ID.3 also ein unspektakuläres Fahrzeug, dessen Elektroantrieb in Sachen Sportlichkeit einem Verbrenner sicher überlegen ist. Allerdings bleibt zu hoffen, dass VW in den nächsten Monaten etwas mehr Schweiß in die Software zur Steuerung des Innenraums investiert, um die Funktionen für den Fahrer zugänglicher zu machen.

Volkswagens Antwort auf den Tesla Model Y
Die Auslieferung des ID3 hat noch gar nicht so richtig begonnen, da werden die E-Fahrer bereits auf den ID4 eingestimmt. Quelle: Volkswagen
Als erstes SUV mit Stecker soll der ID.4 den Mobilitätswandel der Marke weltweit voranbringen und dem Model Y das Leben schwer machen Quelle: Volkswagen
Der Innenraum wirkt wertiger als beim ID3 Quelle: Volkswagen
Noch vor Weihnachten sollen zu Preisen ab etwa 37.000 Euro die ersten Autos bei den Kunden sein Quelle: Volkswagen
 Wo der ID3 in der schrumpfenden Kompaktklasse antritt, startet der ID4 im Boomsegment der handlichen Geländewagen Quelle: Volkswagen
Nur in zwei Punkten bricht der ID.4 mit den Konventionen seiner Klasse: Für ein SUV dieses Formats ist er ungewöhnlich handlich und wendig, weil die Vorderräder ohne den raumgreifenden Verbrennungsmotor dazwischen deutlich stärker einschlagen können. Und für ein Elektroauto traut er sich dank deutlich mehr Bodenfreiheit mutig auch ins Gelände und meistert in Ehra-Lessien auch jene Schotterpisten, Gruben und Kuppen, auf denen die Niedersachsen ihre Rallye-Autos testen – dabei kommt die Version mit standesgemäßem Allradantrieb erst im nächsten Jahr. Quelle: Volkswagen
Los geht es statt erst einmal mit gleich vier Leistungsstufen für den an der Hinterachse montierten E-Motor von 109 kW/150 PS im Basismodell bis zu 150 kW/204 PS in der vorläufigen Top-Ausstattung. Quelle: Volkswagen

2. Jana Reiblein: Bewertung: 3von 5 Sternen

Das Auto ist ein Hingucker. „Ist das der neue Golf? Der sieht aber schick aus!“, werde ich an einem Schnelladepark im Rheinland von einem Tesla-Fahrer begrüßt. Auffällig ist er, der ID.3 – dabei ist die mit Heckspoiler sportlich angehauchte schwarze Limousine aber nicht so betont anders wie etwa der BMW i3. Nette Spielerei: Das Ambient Light im Cockpit leuchtet grün beim Laden, bei laufender Navigation gibt es einen blauen Lichtfluss in Abbiegerichtung.

Im Innenraum der First Edition wird man von einem durchdringenden Plastikgeruch begrüßt, oder, wie der neugierig inspizierende Tesla-Fahrer sagt: „Puh, der riecht aber noch sehr neu“. Der schicke schwarze Hochglanz-Kunststoff der Mittelkonsole ist leider ein Fingerabdruck-Magnet. In den Ablagen zeigen sich nach rund 4000 Kilometern schon sehr deutliche Kratzspuren. Dafür haben selbst größere Mitfahrer im Fond deutlich mehr Platz als etwa im aktuellen Golf, die Rückbank ist bequem und die Lehne erstaunlich gut konturiert. Wermutstropfen aber auch hier die Materialien: Die kleinen Taschen an den Rücklehnen der Vordersitze wirken schon jetzt etwas ausgeleiert.

Im Infotainment-System hakt es noch gewaltig. Die erste Probefahrt hatte ich im Eco-Modus beendet. Als es etwa eine Stunde später zur zweiten Runde losgeht, wundere ich mich, warum das Gaspedal jetzt viel sensibler ist. Ein Blick aufs Display zeigt: Der ID.3 befindet sich plötzlich im Sportmodus. Mit einem Fingertipp kann ich wieder Umschalten.

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Wenig später merke ich, was leider nicht mehr geht: Die Steuerung von Klimaanlage und Gebläse ist ausgegraut. Auch die Softtouch-Knöpfe des Infotainment-Systems funktionieren nicht mehr. Der Rest der Fahrt wird schweißtreibend: Die Heizung bollert auf 24 Grad hoch. Also: Ab an die Ladesäule, den Wagen eine Weile abgeschaltet stehen lassen – den Computer neustarten, quasi. Doch leider hilft auch das nicht, der ID.3 heizt weiter ein, im Display steht die Klimaanzeige beharrlich auf „Off“. Also Fenster auf und nach Hause. Nach dem längeren Abstellen über Nacht ist der Fehler am nächsten Morgen zum Glück verschwunden.

Der ID.3 ist mit einem Fahrassistenzsystem ausgerüstet, das Verkehrsschilder und somit die aktuell erlaubte Geschwindigkeit erkennt. Das gestaltet sich recht rigoros: Schon bei 1 km/h Geschwindigkeitsüberschreitung poppt jedes Mal eine Warnmeldung auf. Besonders nervig, als das System eine 30-Tonnen-Gewichtsbeschränkung auf meiner Strecke als 30-km/h-Begrenzung wertet. Zusätzlich mahnt der Wagen an, stets in der Mitte der Fahrbahn gehalten zu werden und greift sehr früh in die Lenkung ein, was ich in mehreren Situationen auf der Landstraße, als mir Lkw oder Traktoren entgegenkommen, als äußerst unangenehm empfinde. Theoretisch sollte man dies in den Softwareeinstellungen regulieren können – in unserem Testwagen war diese Funktion aber noch als „nicht verfügbar“ ausgegraut.

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3. Dominik Reintjes: Bewertung: 4 von 5 Sternen

Die Testfahrt im geräumigen ID.3 beginnt auf der zweiten Ebene der Tiefgarage. Auf manchen Carsharing-Fahrten etwa im i3 von BMW oder als Beifahrer bei Bekannten mit größeren E-Modellen wurden die Fahrten in engen Tiefgaragen oder Parkhäusern schnell mal zu nervenaufreibenden Abenteuern. Kein Vergleich zur Geschmeidigkeit meines deutlich leichterten, privaten Benziner-Kleinstwagens. Doch der ID.3 lenkt sich überraschend problemlos aus der Tiefgarage in den frühmorgendlichen Berufsverkehr im Düsseldorfer Norden. Oben angekommen macht die sehr direkte Fahrweise schnell Spaß – wenn die Straßen der Innenstadt denn frei sind. Und selbst bei Ansagen des Navigationssystems, die manch einen Großstadtfahrer im morgendlichen Berufsverkehr sonst angst und bange werden lassen, kann ich gelassen bleiben: „In 150 Metern wenden.“ 180 Grad, ein U-Turn, wenig Platz und auch noch Gegenverkehr. Dank des geringen Wendekreises und der guten Beschleunigung wird daraus ein souveräner Prozess von wenigen Sekunden.

Im Innenraum gleicht der ID.3 dieses unaufgeregt souveräne Fahrgefühl wieder aus – nicht unbedingt zu meiner Freude: Mal blinkt es auf dem Bildschirm, mal wechselt die LED-Leiste, die sich im Cockpit erstreckt, plötzlich ihre Farbe. Sie soll mit mir kommunizieren. Doch der unerprobte ID.3-Fahrer könnte hier zu Beginn gut einen Dolmetscher gebrauchen. Nach einem ersten prüfenden Blick auf den Touchscreen versuche ich während der Fahrt erst gar nicht, die Einstellungsmöglichkeiten für das Lichtschauspiel oder das Radio zu finden. Zu viel Ablenkung. Dann halt an das Blinken und Leuchten sowie die (akustische) Stille im Wagen gewöhnen. Das dauert.

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Von den verschiedenen Spielereien im Infotainment-System begeistert mich dann aber doch ein Feature, das ich überhaupt erst bemerke, als der ID.3 aus der grellbeleuchteten Tiefgarage in die morgendliche Dunkelheit rollt: das Head-up-Display. Es zeigt die aktuelle und die maximal erlaubte Geschwindigkeit an, meckert schon bei der geringsten Überschreitung. Zurecht. Anweisungen des Navigationssystems – „in 150 Metern links“ – werden mit entsprechendem Pfeil hier dargestellt. Die Anzeige lenkt nicht ab, liegt angenehm knapp unterhalb meines normalen Sichtfelds. Bei der abendlichen Fahrt im privaten Kleinstwagen ärgere ich mich dann schon ein wenig, dass ich die Geschwindigkeit auf klassischem Wege viel weiter unten am Zeiger ablesen muss. Doch immerhin weiß ich, wie ich das Radio bediene. Und LED-Streifen werde ich wohl auch nicht an die Innenverkleidung kleben.

4. Martin Seiwert: Bewertung: 3,5 von 5 Sternen

Beginnt hier die neue Epoche von Volkswagen und Autovolk, die elektrische? Wahrscheinlich ist es so, aber ich spüre es nicht. Das Auto ist äußerlich in etwa so aufregend wie ein Golf. Sie wissen schon, dieses Auto, das seit 15 Jahren gleich aussieht. Das Innere des ID.3 ist schlicht und aufgeräumt – aber auch hier: Emotion bestenfalls in sehr kleinen Dosen. Ich ahne, warum Tesla-Gründer Elon Musk so wenig euphorisch wirkte, als VW-Chef Herbert Diess ihn unlängst zu einer Spritztour im ID.3 mitnahm.
Ich steuere den Wagen zunächst für eine kleine Marktforschung auf die Königsallee in Düsseldorf, wo Gäste der umliegenden Luxushotels gern ihre Bugattis und Ferraris ausführen. Mit dem ebenfalls elektrischen Porsche Taycan war mir hier etwas gelungen, was den meisten Bugatti- und Ferrari-Lenkern verwehrt bleibt: neidische Blicke ernten. Nun also der ID.3, der streng genommen für die Autonation das tausend Mal bedeutendere Auto ist als der Taycan. Doch es ist eine Schande – niemand erkennt die Größe des Augenblicks. Ich bin so gut wie unsichtbar. Angeben wird schwierig in diesem Auto.

9 günstige E-Autos, die schon zu haben sind
1. Renault ZOE Die Renault ZOE ist eine Besonderheit: erstens legt Renault auf die staatliche Kaufprämie freiwillig noch einen Tausender drauf, zieht also statt der vorgeschriebenen 3000 gleich 4000 Euro vom eigenen Listenpreis ab. Zweitens kann man bei Renault den Akku auch mieten, statt ihn mit dem Auto zu kaufen, im Markt ein absolutes Alleinstellungsmerkmal. Vom Bruttolistenpreis ab 19.900 (Miet-Akku) bzw. 29.900 (Kauf-Akku) gehen also 10.000 Euro Umweltprämie ab; man bekommt also eine neue ZOE für ziemlich genau 10.000 Euro. Das Auto hat einen Akku mit 41 Kilowattstunden (kWh) Stromspeicherkapazität. Damit kommt man realistisch rund 260 Kilometer weit. Die Lieferzeit liegt bei überschaubaren drei Monaten. Quelle: dpa
2. Opel Corsa e Den aus der Verbrennerwelt bestens bekannten Kleinwagen aus Rüsselsheim bekommt man in der günstigsten Version und um die Kaufprämie bereinigt schon für 19.800 Euro. Dafür gibt es knapp 300 Kilometer realistische Reichweite; das Auto kann auch Schnellladen. Die Lieferzeit beträgt inzwischen aber rund acht Monate. Quelle: Presse
3. Nissan Leaf Der Japaner war eines der ersten E-Autos auf dem Markt, ist technisch fast zehn Jahre alt. Bald soll er durch eine neue Plattform von Nissan abgelöst werden. Der Leaf ist schon kein Kleinwagen mehr, sondern Kompaktklasse; fünf Menschen haben einigermaßen Platz. Wer also die gute Förderung und die um drei Punkte gesenkte Mehrwertsteuer noch bis Ende des Jahres ausnutzen kann, bekommt ein E-Auto der Golf-Größe für ab 18.300 Euro. Der Akku ist dafür mit 40 kWh nicht allzu üppig. Der etwas reichweitenstärkere Leaf mit 62 kWh , die eine reale Reichweite von gut 330 Kilometern ermöglichen, kostet 8000 Euro mehr, läge also abzüglich Fördersumme bei rund 26.000 Euro. Quelle: Presse
4. Mini Cooper SE Trotz üppiger Prämien ist der Mini noch etwas teurer als die meisten Konkurrenzmodelle seiner Größe. Nach Abzug der Kaufprämie ist er ab etwa 21.000 Euro zu haben. Dafür bekommt man eine realistische Winterreichweite von knapp 200 Kilometern. Auch nicht gerade viel. Die Wartezeit beträgt zudem rund ein Jahr.  Quelle: Presse
5. smart EQ fortwo Mehr als ein Stadtauto war der Smart noch nie; seit 2020 gibt es ihn konsequenterweise nur noch als Elektroauto. Die äußerst mäßige Reichweite von rund 140 Kilometern lässt mehr aber auch nicht zu. Abzüglich des Umweltbonus ist der EQ fortwo dafür sehr erschwinglich : ab 10.170 Euro. Allerdings ist die Produktion von 2021 derzeit komplett ausverkauft. Der Smart ist über viele Händler aktuell nicht bestellbar. Per Internet schon, wann er geliefert wird, ist aber derzeit unklar.   Quelle: Presse
6. Peugeot e-208 Der Franzose ist technisch das gleiche Auto wie der Corsa-e von Opel. Karosserie und Motor sind baugleich. Wer die 9000 Euro Kaufprämie und den reduzierten Mehrwertsteuersatz mitnehmen kann, bekommt ihn derzeit für rund 20.000 Euro. Der Akku mit 50 kWh ermöglicht eine passable Reichweite von knapp 300 Kilometern. Die Lieferfrist liegt allerdings inzwischen auch schon bei einem dreiviertel Jahr. Quelle: Presse
7. Honda e Viele Analysten bemängelten bei der Vorstellung des ersten reinen Elektroautos des japanischen Konzerns dessen hohen Listenpreis (33.000 bis 39.000 Euro). Für äußerst überschaubare 150 Kilometer reale Reichweite ist das in der Tat ein ambitionierter Preis. Wer sich trotzdem in das ungewöhnliche Design des Autos verguckt hat, bekommt es abzüglich der Kaufprämie derzeit binnen fünf bis sechs Monaten geliefert – für knapp 24.000 Euro. Quelle: imago images

Ich fahre auf eine Parallelstraße, die Kasernenstraße. Für Dekaden war sie das Zuhause der Verlagsgruppe Handelsblatt, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört. Ich passiere das frühere Verlagsgebäude mit der Hausnummer 67 und denke an den Moment, als in der Redaktion der WirtschaftsWoche die Gewissheit reifte, dass Autos künftig elektrisch fahren werden. Sie verleitete die WirtschaftsWoche zu einem Titel, der ein Spielzeugauto mit Batterie zeigte, versehen mit der Zeile: „Ihr nächstes Auto.“ Das war 2008. Stimmt – wir waren damit wohl etwas voreilig. Es war keine technische Fehleinschätzung. Unterschätzt haben wir die Behäbigkeit der meisten Autobauer. So eine Art ID.3 hätte VW auch schon 2008 bauen können. Der heute immer noch gebaute Tesla Model S wurde Anfang 2009 vorgestellt. Doch warum technisch in die Ferne schweifen, dachten sich VW und Co., wenn das gute Verbrenner-Geschäft so nah liegt?

Immerhin, denke ich, hat die Stromepoche doch noch begonnen und sie scheint gar nicht so übel zu werden. Nach zwei Jahren Negativschlagzeilen war zu befürchten, dass der ID.3 bei der ersten Ausfahrt zusammenklappt. Tut er nicht. Je länger ich das Auto fahre, umso mehr Spaß macht es mir. Die Fahreigenschaften sind klasse, da kann kaum ein Verbrenner mithalten. Ob eindrucksvoller Sprint an der Ampel im Performance-Modus, Landstraßen-Gleiten mit Klassikradio aus wirklich guten Boxen oder Bleifuß auf der Autobahn mit schlicht nicht spürbaren 160 km/h – immer flott und wunderbar leise und herrlich leichtfüßig. Außerdem ein Platzangebot im Innenraum wie in einem Passat. Und das alles schon ab 21.000 Euro (bei 9000 Euro Förderung). Das ist sehr viel Auto fürs Geld.

Unter einer Voraussetzung, allerdings: Die Elektronikprobleme muss VW spätestens mit dem Softwareupdate, das für Anfang 2021 geplant ist, abstellen. Es ist ja nicht nur so, dass einige Funktionen noch fehlen, die VW dann nachliefert. Das ist die offizielle VW-Version der Geschichte. Tatsächlich läuft die Software einfach nicht rund.


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Bei meiner ersten Ausfahrt etwa war es nicht möglich, das Start-Menü auf dem Bildschirm aufzurufen. Ich konnte in den Unter-Menüs herumtippen, aber nicht das Start-Menü aufrufen. Auch zehn Mal Neustarten hat nicht geholfen. Noch schlimmer die Spracherkennung: Meinem iPhone könnte ich diesen Text vorlesen, es würde ihn fast fehlerfrei aufschreiben. Der ID.3 wollte partout den Namen Neuss, eine Nachbarstadt von Düsseldorf, nicht erkennen. Danach habe ich die Ziele nur noch eingetippt. Diese Mängelliste ließe sich fortsetzen.

Das ist eigentlich unverzeihlich für ein Unternehmen wie Volkswagen. Aber es sind ungewöhnliche Zeiten mit Abgasskandal, Corona und rasantem Wandel im IT- und Softwaregeschäft. Da sollte nachbessern erlaubt sein. Wirklich solide wurde auch der Golf erst mit den Jahren.

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