Detlef Wetzel Das ist der neue IG-Metall-Boss

Die IG Metall, die größte Einzelgewerkschaft Europas, bekommt eine neue Führung. Wie tickt der künftige Vorsitzende Detlef Wetzel – und auf was müssen sich Arbeitgeber und Politik jetzt einstellen?

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Detlef Wetzel Quelle: dpa

Wer Detlef Wetzel mit einem Satz charakterisieren will, könnte diesen nehmen: „Die Welt wird nicht verändert, weil die IG Metall in der Lage ist, einen guten Aufsatz zu schreiben.“ Wetzel mag die große Rede nicht. Er präferiert die Tat.

Auf dem Gewerkschaftskongress in Frankfurt am Main stimmten am Montag 75,51 Prozent der Delegierten für den bisherigen Vize-Vorsitzenden. Wetzel erhielt 333 von insgesamt 458 gültigen Stimmen bei 17 Enthaltungen. Der 60-jährige Nordrhein-Westfale löst den bisherigen Ersten Vorsitzenden Berthold Huber ab, der seit Herbst 2007 an der Spitze der größten Gewerkschaft Deutschlands stand. Huber war damals mit 92,6 Prozent der Delegierten-Stimmen gewählt worden.

Wetzel gilt als der strategische Kopf der IG Metall. Er ist nicht nur für Mitgliederakquise verantwortlich, sondern plant und steuert auch die politischen Kampagnen der Metaller. Gegen interne Widerstände hat er mit Huber die einst sieche und in Flügelkämpfen verschlissene Gewerkschaft umstrukturiert und in eine straff organisierte Truppe verwandelt.

Als Vorsitzender dürfte Wetzel (Jahresgehalt: rund 261.000 Euro) trotzdem nicht das gleiche Standing haben wie Huber. Zum einen wird er – ein Novum – nur für zwei Jahre gewählt; danach soll der Bezirksleiter aus Baden-Württemberg, Jörg Hofmann, übernehmen. Zum anderen behält Huber seine einflussreichen Posten als stellvertretender Aufsichtsratschef bei Siemens, VW und Audi sowie als Aufsichtsrat bei Porsche. Wetzel bleiben seine Mandate bei SMS, SMS Siemag und ThyssenKrupp Steel.

Ziele & Visionen: Gegen weiße Flecken

Die erste Metalltarifrunde als Vorsitzender muss Wetzel erst 2015 bestreiten. Umso wichtiger sind für ihn zwei andere Termine: Im Januar präsentiert er die neuen Geschäftszahlen der IG Metall; dann wird sich zeigen, ob der zuletzt positive Trend bei Mitgliederzahl und Beitragseinnahmen nachhaltig ist. Strategisch ebenso wichtig sind für Wetzel die zwischen März und Mai 2014 stattfindenden bundesweiten Betriebsratswahlen. Er hat intern die Devise ausgegeben, den Anteil der IG-Metaller in den Betriebsräten der Branche – derzeit rund 70 Prozent – weiter zu erhöhen. Zudem will die IG Metall flächendeckend die Gründung neuer Betriebsräte forcieren, etwa im Handwerk, wo es noch viele weiße Flecken gibt.

Politisch dürfte Wetzel in den kommenden Monaten den Kampf gegen Werkverträge der Industrie in den Mittelpunkt stellen. Die Frage der Fertigungstiefe in der Industrie werde „das nächste Mega-Thema für die IG Metall“. Die IG Metall wittert hier vielerorts Lohndumping und will massiven Druck auf die Politik ausüben, Werkverträge zu regulieren. Derzeit denken Union und SPD über ein reines Informationsrecht des Betriebsrats nach. Wetzel hält dies für „nicht ausreichend. Betriebsräte müssen wirksame Mitbestimmungsrechte erhalten, um den Missbrauch von Werkverträgen zu verhindern.“ Dazu gehöre zum Beispiel „die Umkehr der Beweislast bei dem Verdacht von Scheinwerkverträgen“.

Vorlieben: Bienen im Siegerland

Auch wenn er aus seinem großzügig verglasten Büro im 15. Stock der IG-Metall-Zentrale einen grandiosen Blick auf die Main-Metropole hat: So richtig wohl und heimisch fühlt sich Wetzel auch nach sechs Jahren in Frankfurt nicht. An fast jedem Wochenende zieht es ihn zurück ins beschauliche Siegerland. Im Städtchen Kreuztal lebt er mit seiner Frau (die beiden Töchter sind aus dem Haus) in einem Eigenheim im Grünen. Hier kann Wetzel vom Trubel in der Zentrale entspannen und in Ruhe seinen beiden Hobbys nachgehen. Erstens Krimis lesen. Und zweitens Bienen züchten. „Honig vom Imker“ steht auf einem Schild an Wetzels Gartenzaun. Der künftige IG-Metall-Chef ist Arbeitgeber von sieben Bienenvölkern und engagiert sich im Imkerverein Ferndorf-Kreuztal.

Freunde&Gegner, Stärken&Schwächen, Vorbilder

Freunde & Gegner: Nicht nur Anhänger

Wetzel und der scheidende Chef Berthold Huber liegen auf einer Wellenlänge. Im Gewerkschaftsapparat hat der Neue indes nicht nur Anhänger – er genießt Respekt, wird aber nicht geliebt. Seine Organisationsreform (inklusive Stellenabbau in der Zentrale) und die Einführung von Managementmethoden gefielen nicht jedem Funktionär. Wetzels Wahlergebnis zum Vize-Chef 2011 war mit 83 Prozent nur mäßig. Gesamtmetall-Chef Rainer Dulger lobt seinen Kontrahenten Wetzel gegenüber der WirtschaftsWoche als „verlässlichen und guten Gesprächspartner“, konstatiert aber auch ironisch, es sei „beeindruckend, wie er die Zeitarbeit in der Metall- und Elektroindustrie zum Thema gemacht hat, obwohl die größten Probleme objektiv in anderen Branchen lagen“.

Mit Sicherheit keine Freunde Wetzels sind diese Herren: Der Ex-Vorsitzende Jürgen Peters wurde von Wetzel während der dramatischen Führungskrise 2003 öffentlich aufgefordert, seinen Hut zu nehmen. Und ein gefeuerter Chauffeur Wetzels erhob 2010 via „Bild“ den Vorwurf, er habe bis zu 14 Stunden am Tag arbeiten müssen. Die IG Metall dementierte.

Stärken & Schwächen: Kein Dogmatiker

Wenn es um Organisationsinteressen der IG Metall geht, ist Wetzel kompromisslos und beinhart. Deren Macht in den Betrieben will er unbedingt erhöhen, und so ordnet er dem Mitgliederwachstum – seit 2011 gibt es wieder mehr Eintritte als Austritte – alle anderen Ziele unter. Gleichwohl ist er kein Dogmatiker, sondern hat sich durch flexible Tarifabschlüsse und persönliche Integrität den Respekt auch der Arbeitgeber erworben. Wetzel dürfte alles in allem den pragmatischen Kurs von Berthold Huber fortsetzen.

Und persönlich? Wetzel ist eher zurückhaltend und kein Redner, der die Marktplätze der Republik am 1. Mai zum Beben bringt. Aber er besitzt Autorität und Beharrlichkeit. Er gilt als ungeduldig und kann, so berichten Metaller aus NRW, im persönlichen Umgang auch schon mal ungemütlich werden.

Vorbilder: Alter Genosse

Der jüngste Trend im Deutschen Gewerkschaftsbund, dass Chefs von Einzelgewerkschaften kein Parteibuch mehr besitzen (IG Bau, GEW, NGG) kommt mit Wetzel zum Stillstand: Der neue IG-Metall Boss ist seit 1969 in der SPD. Und bei der Frage nach seinem politischen Vorbild muss Wetzel nicht lange überlegen: „Willy Brandt“. Dessen Leitspruch „Mehr Demokratie wagen“ und sein Einsatz für gleiche Bildungschancen machten Wetzel, damals Werkzeugmacher-Lehrling bei Siemag, zum Genossen. Als Wetzel 2012 unter die Buchautoren ging („Mehr Gerechtigkeit wagen“), schickte er seinen Betrachtungen ein Brandt-Zitat voran, dass auch ihn selbst gut charakterisiert: „Alles politische Handeln muss von den Realitäten ausgehen – von den Gegebenheiten, nicht von Wunschvorstellungen.“

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