




Ein Autohändler räumt die Christbäume weg, ein anderer schraubt die elektrischen Kerzen aus dem neunarmigen Leuchter, der seit dem jüdischen Lichterfest Ende November am Eingang steht. Es geht gemächlich zu bei New Yorks größtem Chrysler-Händler in Manhattan. Kunden sind weit und breit nicht in Sicht, was – so versichert einer der Verkäufer – an den arktischen Temperaturen liege, die die Metropole zuletzt erstarren ließen.
Die Verschnaufpause zum Jahresbeginn hat sich der Chrysler-Dealer redlich verdient. Denn seit der Insolvenz vor knapp fünf Jahren wird bei Chrysler rangeklotzt. Der Dezember war der 48. Monat in Folge, in dem die Absatzkurve nach oben zeigte. 2013 verkaufte der Autobauer rund 2,6 Millionen Fahrzeuge der Marken Chrysler, Jeep, Dodge (Pkws, Geländewagen) und Ram (Pick-up-Trucks) – neun Prozent mehr als 2012. Nach vorläufigen Schätzungen erzielte Chrysler 75 Milliarden Dollar Umsatz, verbuchte einen operativen Gewinn von rund 3,5 Milliarden Dollar und steigerte den Marktanteil in den USA auf 11,8 Prozent. Mit seinen Profiten rettet Chrysler sogar die Mutter Fiat, von der die Amerikaner jetzt komplett geschluckt wurden.
Doch wie lange hält der Höhenflug noch an? Sind die leeren Verkaufsräume in New York wirklich nur dem Wetter geschuldet oder Vorboten neuer Schwierigkeiten, wie skeptische Wall-Street-Analysten unken? Das neue Autojahr, das die Branche in der kommenden Woche bei der Motor Show in Detroit einläutet, wird spannende Antworten liefern – für Chrysler, aber auch für andere große Hersteller. Nachdem die einstigen Pleitekandidaten Chrysler und General Motors (GM), aber auch Ford zu alter Stärke zurückgefunden, die japanischen Konkurrenten die Folgen des Tsunamis weggesteckt und die deutschen Angreifer ihre Waffen geschärft haben, steht der US-Automarkt vor einer Reihe von Entscheidungsschlachten.
Wegen der enormen Bedeutung des Marktes kann das Geschehen dort über Wohl und Wehe ganzer Konzerne entscheiden. Denn neben China sind die USA derzeit die einzige Region mit robusten Zuwachsraten und auch der wichtigste Markt für Elektroautos. „Die Vereinigten Staaten sind so etwas wie die Dampfmaschine der Autoindustrie, mit fast noch mehr Zugkraft als der chinesische Markt“, urteilt Christoph Stürmer, Autoanalyst bei PricewaterhouseCoopers in Frankfurt.

Entsprechend energiegeladen machen sich die Spitzen der deutschen Konzerne auf den Weg, um in der Cobo Hall am Detroit River ihre Neuheiten zu präsentieren und die Weichen für ein weiteres Erfolgsjahr zu stellen. So erleben in Motown City die neue C-Klasse und der S600 von Mercedes sowie der neue Targa von Porsche ihre Weltpremiere. Volkswagen gibt mit dem Beetle Dune einen Vorgeschmack auf die Offroad-Version des Beetle und zeigt den neuen Golf mit Elektroantrieb. BMW lockt mit dem Elektroauto i3, dem Sportcoupé M4 und einer über 200 PS starken Variante des neuen Mini. „Die deutsche Autoindustrie“, sagt Matthias Wissmann, Präsident des Branchenverbandes VDA, „wird 2014 in den USA weiter wachsen.“
Die rasche Erholung des US-Automarkts von den Folgen der Finanzkrise hat den deutschen ebenso wie den japanischen und südkoreanischen Branchengrößen Mut gemacht zu Milliardeninvestitionen in neue Modelle und Fabriken, in den Ausbau bestehender Produktionsstandorte in den USA und Mexiko sowie den Ausbau der Zuliefererstrukturen und Vertriebsnetze. Die Analysten des Bewertungsdienstes Kelley Blue Book aus dem kalifornischen Irvine erwarten 2014 einen Absatz von 16,3 Millionen neuen Pkws, Pick-ups und leichten Nutzfahrzeugen – das wären rund 200.000 Fahrzeuge mehr als im Rekordjahr 2007. Zum Vergleich: In Westeuropa wurden 2103 nur rund zwölf Millionen Autos verkauft. Und Experten erwarten für 2014 nur einen leichten Nachfrageanstieg.