Deutsche Autobauer in Russland Russlands Automarkt zwischen Auflagen und Extrawürsten

Daimler ist mit seiner Marke Mercedes-Benz nicht der einzige Autobauer, der derzeit wieder auf Russland setzt. Quelle: imago images

Russlands Automarkt erholt sich von der Krise der vergangenen Jahre. Autobauer wie VW oder Opel sind interessiert. Einfach ist das Terrain aber wegen strenger staatlicher Auflagen nicht gerade. Außer es wurde clever verhandelt – wie bei Daimler.

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Auch wenn Russlands Präsident seit knapp einem Jahr mit einer Luxuslimousine aus heimischer Produktion unterwegs ist – an seinen alten Dienst-Mercedes denkt Wladimir Putin mit einem Lächeln zurück. Die Autos dieser Marke hätten die höchste Qualität weltweit, erklärte Wladimir Putin vor wenigen Tagen, als er zur Eröffnung der ersten Mercedes-Fabrik in Esipowo vor den Toren Moskaus eine kurze Rede hielt. „Bei den russischen Verbrauchern wird Mercedes ganz sicher beliebt sein“, fügte der Präsident hinzu. Er sei sich zudem sicher, dass das Unternehmen nicht davon enttäuscht werde, wie die Geschäfte in Russland laufen.

Dabei hatte sich Daimler so schwer getan mit der Entscheidung für ein Werk in Russland wie kaum ein anderer Hersteller. Über Jahre führten die Stuttgarter Verhandlungen mit der russischen Regierung, ehe sie sich auf den krisengeschüttelten Automarkt wagten. Und die letzten Monate scheinen ihnen Recht zu geben. Nach Angaben des Wirtschaftsverbandes „Association of European Businesses“ legte der Automarkt im vergangenen Jahr um 12,8 Prozent zu. Der Gesamtumsatz der Branche erreichte nach Berechnungen der Beratungsgesellschaft PwC rund 33 Milliarden Euro.

Zumal die Stuttgarter nicht die einzigen sind, die derzeit wieder auf Russland setzen. Auch Opel hat kürzlich seine Rückkehr auf den russischen Markt angekündigt, nachdem der einstige Eigentümer General Motors auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise 2015 sein Werk bei Sankt-Petersburg konservieren ließ. Die chinesische Marke Haval hat ebenfalls kürzlich ein Werk in der Nähe von Tula, südlich der russischen Hauptstadt, fertiggestellt. Dort wollen die Chinesen pro Jahr etwa 150.000 für den russischen Markt fertigen.

Doch die guten Zahlen sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass der russische Automarkt heute nur noch ein Schatten seiner selbst ist. Noch vor gut zehn Jahren, als die Absatzzahlen die Drei-Millionen-Marke kratzten, waren sich Analysten einig, dass Russland mit seinen 145 Millionen Einwohnern über kurz oder lang zum größten Automarkt Europas aufsteigen werde. Der galoppierende Ölpreis und der steigende Rubelkurs hatten die Kaufkraft der einfachen Russen innerhalb eines Jahrzehnts vervielfacht.Allein der offizielle Durchschnittslohn stieg nach Angaben der Statistikbehörde Rosstat von gut 50 auf knapp 500 Euro. Kaufkraft, die Wladimir Putin und seine Regierung nicht einfach so den internationalen Konzernen preisgeben wollten.

Mit Importzöllen von bis zu 30 Prozent baute Russland Barrieren gegen importierte Fahrzeuge. Wer jedoch eine eigene Produktion in Russland aufbaute, konnte zunächst zollfrei die für die Montage benötigten Bauteile einführen. Nach 2012 mussten die Hersteller schon Kapazitäten von bis zu 300.000 im Jahr aufbauen und sich verpflichten bis zu 60 Prozent der Bauteile in Russland herzustellen. Große Autobauer wie Volkswagen, Ford, Renault, Kia, Hyundai oder Toyota folgten dem Ruf und investierten Milliarden. Allein Volkswagen gab in Russland 1,75 Milliarden Euro für eine Kfz-Produktion und ein Motorenwerk in Kaluga, südwestlich von Moskau, aus.

Doch weil die Zulassungszahlen heute mit 1,8 Millionen Autos weit hinter dem Niveau der fetten Jahre liegen, leidet die russische Autoindustrie an Überkapazitäten. Aus dem Wirtschaftsministerium heißt es, dass die Fabriken insgesamt nur zu knapp über 40 Prozent ausgelastet sind. Eine schnelle Besserung ist nicht in Sicht. Branchenbeobachter sind sich einig, dass der Automobilmarkt angesichts stagnierender Realeinkommen in diesem Jahr nur minimal zulegen wird. Gleichzeitig zögern Zulieferer mit Investitionen, weil die Stückzahlen einzelner Modelle nicht groß genug sind um eigene Produktionskapazitäten zu rechtfertigen.

Ungeachtet dessen pocht die Regierung darauf, dass Hersteller den Lokalisierungsgrad weiter steigern. Wenn es nach dem Wunsch des Kremls geht, sollen die meisten Hersteller so genannte Sonderinvestitionsverträge (SIV) unterzeichnen, und sich darin zu einer tieferen Lokalisierung in Russland verpflichten.

Daimlers kluger Schachzug in Russland

m vergangenen Jahr hob Russland dafür die Einfuhrzölle für Autoteile an und senkte gleichzeitig die Einfuhrtarife für Neuwagen. Nur wer sich nun zu weiteren Investitionen verpflichtet, etwa zur Lokalisierung der Getriebeproduktion oder zum Aufbau von Entwicklungsabteilungen, kann im Rahmen der SIV auf Erstattung der Zollgebühren und weitere Subventionen und Steuererleichterungen hoffen.

Aus Konzernkreisen heißt es jedoch, dass viele dieser Forderungen überzogen sind. So würde das Industrieministerium VW gerne dazu verpflichten, Getriebe in Kaluga herzustellen. Die Wolfsburger wollen stattdessen aber die bestehende Motorenproduktion erhöhen und verhandeln seit Wochen mit den Moskauer Behörden.

Andere Hersteller wie Ford ziehen stattdessen harte Konsequenz und streichen die Segel. Erst vor wenigen Wochen hatte der Konzern angekündigt, seine Pkw-Produktion in Russland einzustellen.

Daimler wiederum hat die Bedingungen seines SIV geschickt verhandelt – und das auf dem Höhepunkt der Krise. So investierten die Stuttgarter mit 300 Millionen Euro eine vergleichsweise niedrige Summe. Gleichzeitig erklärte Axel Bense, Generaldirektor des neuen Mercedes-Werks, dass eine Lokalisierung von Karosserieteilen oder gar Motoren nicht geplant ist.

Trotzdem gelten die Fahrzeuge als russisches Fabrikat und können so an öffentliche Stellen verkauft werden. Zwar bleiben die konkreten Bedingungen vertraulich, Branchenkenner sind jedoch überzeugt, dass Daimler dank seines SIV die benötigten Teile günstig importieren darf. Auch von einer Mindestkapazität von 300.000 Fahrzeugen ist – anders als bei anderen Herstellern – keine Rede. In der Branche sorgt das für großen Neid. So hatte sich Volkswagen-Russland-Chef Marcus Osegowitsch öffentlich darüber geärgert, dass Daimler bessere Bedingungen als die Konkurrenz bekommt. Volkswagen hatte erst vor wenigen Jahren die Audi-Produktion einstellen müssen. Ein Szenario, vor dem Daimler in Russland in den kommenden Jahren keine Angst haben muss.

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