DFB-Sponsoring Volkswagen, schau mal in den Spiegel!

Der Automobilkonzern Volkswagen ist seit 2019 Generalsponsor beim Deutschen Fußball-Bund. Quelle: dpa

Nach dem Dieselskandal versprach Volkswagen, ein verantwortlicher Konzern zu werden. Wenn es die VW-Spitze damit ernst meint, muss sie ihr DFB-Sponsoring in Frage stellen. Und zwar genau jetzt. Ein Kommentar.

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Volkswagen, heute ist Dein Tag. Jetzt kannst Du zeigen, dass aus dem dreisten Diesel-Betrüger von 2015 wirklich ein Konzern mit Rückgrat und Anstand werden möchte. Du kannst dem DFB sagen, dass Du Dein Sponsoring beendest, wenn Kapitän Manuel Neuer beim ersten WM-Spiel nicht mit der One Love-Armbinde im Tor stehen darf. 

Das deutsche Team ist für die Armbinde, der DFB ist dafür, selbst die FIFA ist – außerhalb von Katar – dafür. Nur der Wüstenstaat ist dagegen, und deshalb sind die Fußballverbände eingeknickt. Man kann für universelle Menschenrechte sein und dafür, dass der Sport diese vertritt und einfordert. Man kann auch dagegen sein. Aber man muss sich entscheiden. Man kann in einem Team spielen oder im anderen. Wo spielst Du, Volkswagen

Dieselgate, so sagst Du immer, sei ein Weckruf für Dich gewesen. Die Dieselbetrüger im Konzern standen vor der Wahl, den schnellen Erfolg herbei zu mogeln oder den echten Erfolg mit ehrlicher Ingenieursarbeit herbei zu tüfteln. Die Betrüger entschieden sich für schnell und schmutzig – was viele Menschen in aller Welt ihre Gesundheit kostete, den ganzen Konzern in Verruf brachte und ihn Milliarden und Abermilliarden kostete. Nie wieder sollte das geschehen, weshalb Du die wahrscheinlich professionellste Compliance-Abteilung in Deutschland aufgebaut hast: 200 Menschen allein in Wolfsburg, die 670.000 Kolleginnen und Kollegen beraten, ausbilden, kontrollieren, die aus den neu formulierten „Sieben Volkswagen Konzerngrundsätzen“ Taten werden lassen.

Nach der Entscheidung des DFB, die „One Love“-Armbinde doch nicht zu tragen, kündigt die Supermarktkette Rewe die Partnerschaft mit dem Deutschen Fußball-Bund – andere Sponsoren haben zumindest Redebedarf.
von Stephan Knieps

Die Grundsätze, „das Wertefundament des Konzerns“ (Volkswagen), verlangen folgendes: „Wir sind Teil der Gesellschaft. Wir übernehmen soziale Verantwortung“ (Grundsatz 1). Da möchte ich aus aktuellem Anlass hinzufügen: Bitte auch in Katar. „Wir tun das Richtige aus innerer Überzeugung. Wir haben keine Angst vor Hierarchien und sagen offen unsere Meinung“ (Grundsatz 2). Ich sage: Genau, und bitte auch dann, wenn es um den einflussreichen VW-Großaktionär Katar geht. „Wir sind mutig.“ (Grundsatz 3). Ja, Mut ist wichtig, zum Beispiel heute. „Wir sind bunt. Unterschiedlich. Einzigartig. Teil des Ganzen. Wir sind offen“ (Grundsatz 4). Schön gesagt, Volkswagen. Am besten so bunt wie ein Regenbogen. 

Heute, Volkswagen, blicken Deine Mitarbeiter nach oben und fragen sich: Die an der Spitze, die so eifrig Compliance in den Konzern drücken wollen, wie halten sie es mit dem Anstand? Sind sie klar in ihrer Haltung, auch wenn Druck auf den DFB vielleicht zu Gegendruck des Konzern-Miteigentümers Katar führt? Wenn vielleicht sogar in Deinem wichtigsten Absatzmarkt China das Regime irritiert sein wird über so viel Einsatz für die Menschenrechte? Sind die VW-Oberen standfest, auch wenn das DFB-Sponsoring eine wichtige Bühne für die Marke VW ist? 

Wenn Du heute buckelst, Volkswagen, so wie der DFB vor der Fifa buckelt, dann musst Du Dich nicht wundern, wenn es Deine Leute künftig nicht so genau nehmen mit den hehren Konzerngrundsätzen. Denn die Botschaft wäre eindeutig: Anstand ja, aber bitte nur, wenn es dem Geschäft nicht schadet. Womit sich der Kreis zu Dieselgate geschlossen hätte. 

Die Stimme des Handelsunternehmens Rewe, das gestern sein DFB-Sponsoring gestoppt hat, reicht nicht, um DFB und Fifa umzustimmen. Es braucht weitere Rufer. Keiner der Sponsoren ist dabei so sehr in der Pflicht wie Du, Volkswagen. Denn Du wirst mehr als jedes andere Unternehmen von Mitarbeitern und Gewerkschaft mitbestimmt, Du wirst geschützt von einem eigenen, deutschen Gesetz, dem VW-Gesetz. Du bist ein teilstaatlicher Konzern, in Deinem Aufsichtsrat sitzen ein SPD-Ministerpräsident und neuerdings auch eine Grünen-Politikerin. Welches Unternehmen ist jetzt gefordert, wenn nicht dieser Konzern, der so sehr Teil der deutschen Gesellschaft ist?

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Eine Zeit lang bekamen neue VW-Mitarbeiter bei der Einstellung ein Kärtchen mit einem kleinen, aufgedruckten Spiegel ausgehändigt. Auf der Rückseite des Kärtchens standen die Konzerngrundsätze. Die neuen Mitarbeiter sollten sich fortan immer fragen: Kann ich noch in den Spiegel schauen? 

Also los, Volkswagen, Spiegel raus und reinschauen!

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