Die wichtigsten Antworten zum VW-Skandal Experte befürchtet dreistellige Milliardenstrafe

Im Skandal um manipulierte Abgaswerte bei VW geht es um die Zukunft des Konzerns. VW-Chef Winterkorn hat seinen Platz geräumt. Experte warnt vor existenzbedrohenden Strafen für VW. Die wichtigsten Antworten.

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"Das ist besser für VW"
Martin Winterkorn Quelle: AP
Wolfgang Porsche, Berthold Huber, Stephan Weil Quelle: dpa
Der Konzern stellte darüber hinaus Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig. Damit will der Konzern das durch die Abgasmanipulationen verlorene Vertrauen zurückgewinnen. Wörtlich heißt es in einer Erklärung des Gremiums: „Es steht nach Ansicht des Präsidiums fest, dass es zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist, die auch strafrechtlich relevant sein können.“ Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft würden vom Konzern in aller Form unterstützt. Quelle: REUTERS
Stephan Weil (SPD), Niedersachsens Ministerpräsident und Aufsichtsratsmitglied bei Volkswagen Quelle: dpa
Anton Hofreiter (Die Grünen) Quelle: REUTERS
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) Quelle: dpa
Oliver Krischer Quelle: dpa

Wie hart trifft der Manipulationsskandal VW?

Die Auswirkungen sind immens. Thomas Möllers, Juraprofessor an der Universität Augsburg und einer der führenden deutschen Kapitalmarktexperten, rechnet in der Abgas-Affäre mit existenzbedrohenden Strafen für Volkswagen. „Wenn jemand arglistig täuscht, kennt das US-Schadenersatzrecht sogenannte punitive damages, also Schadenersatz mit strafendem Charakter“, sagte Möllers der WirtschaftsWoche. „Da kann das 20- oder auch 50-Fache des tatsächlichen Schadens als Schadenersatz verhängt werden.“

Wenn man bei elf Millionen verkauften Autos nur 1000 Dollar Schaden pro Auto annimmt, wären dies insgesamt schon elf Milliarden Dollar. „Dann rechnen Sie das mal mit dem Faktor 30 oder 50“, sagt Möllers, „da können drei- oder vierstellige Milliardenbeträge auf VW zurollen. US-Gerichte nehmen da auch wenig Rücksicht, es mussten schon Unternehmen Insolvenz anmelden wegen Schadenersatzzahlungen.“

Stimmen zum Abgas-Skandal bei VW

Als einzigen Ausweg sieht Möllers harte Maßnahmen. „Bei VW müssen Köpfe rollen und das Unternehmen muss binnen kürzester Zeit aufarbeiten, was passiert ist“, sagt Möllers, „Siemens etwa kam nur deswegen einigermaßen glimpflich durch die Auseinandersetzungen mit den US-Behörden, weil Vorstände ausgetauscht wurden und das Unternehmen extrem kooperativ war.“

Volkswagen legte im Zuge der Abgas-Affäre in den USA rund 6,5 Milliarden Euro zur Seite. Dadurch werde das Ergebnis im laufenden Jahr geschmälert, kündigte der Konzern am Dienstag an. Die Ergebnisziele würden entsprechend angepasst.

Auch bei Fahrzeugen außerhalb der USA gibt es offenbar Auffälligkeiten. Volkswagen geht davon aus, dass weltweit insgesamt rund elf Millionen Fahrzeuge betroffen sind. Bei einem bestimmten Motortyp sei "eine auffällige Abweichung zwischen Prüfungswerten und realem Fahrbetrieb" festgestellt worden. Das Unternehmen stehe dazu in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem deutschen Kraftfahrtbundesamt.

Selbst wenn die Probleme auf die USA beschränkt bleiben, wären die Folgen enorm. Im ärgsten Fall droht allein deswegen eine Strafzahlung für die Manipulationen in Höhe von 18 Milliarden Dollar. Mittlerweile hat sich das US-Justizministerium mit strafrechtlichen Ermittlungen gegen den VW-Konzern eingeschaltet, berichten US-Medien unter Berufung auf Ministeriumsinsider.

Glauben die Ermittler, bei VW liegt noch mehr im Argen, könnte der Autobauer sogar für mehrere Jahre unter Beobachtung der US-Behörden gestellt werden. Daimler hat bereits Erfahrung mit einem solchen "Monitorship". Der Hersteller wurde zwischen 2010 und 2013 beaufsichtigt, nachdem Korruptionsfälle bekannt worden waren. Zudem könnten Anleger den Konzern wegen Schadenersatzforderungen vor Gericht bringen und Autofahrer eine Sammelklage einreichen. Zwingen die US-Behörden Volkswagen dazu, die betroffenen Modelle zurückzurufen, fallen weitere Kosten an. Rund 500.000 Fahrzeuge von der Straße zu holen, ist nicht gerade preiswert.

Klar ist auf jeden Fall: Der Imageschaden für Volkswagen ist groß. US-Kunden könnten den Konzern künftig als dreisten Trickser abtun. Die Anleger haben VW in einer ersten Reaktion bereits das Vertrauen entzogen. Die VW-Aktie verlor zeitweise mehr als 20 Prozent. Durch die Kursverluste ist der Börsenwert von Volkswagen über Stamm- und Vorzugsaktien gerechnet um insgesamt 15 Milliarden Euro geschmolzen, von knapp 77 auf nur noch 61,8 Milliarden Euro.

Welche Konsequenzen zieht VW-Vorstandschef Martin Winterkorn?

Er trat am Mittwoch nach einer Krisensitzung des Volkswagen-Aufsichtsrats zurück. "Volkswagen braucht einen Neuanfang - auch personell", erklärte Winterkorn selbst. Mit seinem Rücktritt mache er den Weg dafür frei. Er tue dies im Interesse des Unternehmens, obwohl er sich "keines Fehlverhaltens bewusst" sei. "Ich bin bestürzt über das, was in den vergangenen Tagen geschehen ist. Vor allem bin ich fassungslos, dass Verfehlungen dieser Tragweite im Volkswagen Konzern möglich waren", so Winterkorn.

Die Erklärungen zu Winterkorns-Rücktritt

Was sagt das Präsidium des Aufsichtsrates der Volkswagen AG?

Das oberste Gremium des Konzerns hat Winterkorns Rücktritt angenommen. "Die Mitglieder des Präsidiums stellen fest, dass Herr Professor Dr. Winterkorn keine Kenntnis hatte von der Manipulation von Abgaswerten. Seine Bereitschaft, die Verantwortung zu übernehmen und damit ein deutliches Signal in das Unternehmen hinein und nach außen zu senden, wird von dem Präsidium mit größter Hochachtung zur Kenntnis genommen", heißt es in einer offiziellen Erklärung.

Wer folgt Winterkorn nach?

Vorschläge zu personellen Neubesetzungen werden laut Präsidiumserklärung bis zur Sitzung des Aufsichtsrates am kommenden Freitag vorliegen. Als Kandidaten für die Nachfolge des VW-Chefs werden unter anderem Herbert Diess, Matthias Müller und Andreas Renschler gehandelt.

Warum stand Winterkorn im Feuer?

Als direkter Verantwortlicher für Forschung und Entwicklung muss Winterkorn entweder von den Manipulationen gewusst haben oder er ließ sich von seinen Mitarbeitern auf der Nase herumtanzen. Beide Fälle ließen sich nicht so einfach aussitzen. Auch intern war die Anspannung groß.

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