Erste Fahrt im Opel Insignia 2017 Opels Dienstwagen greift Passat und Superb an

Die Geschäfte laufen wieder, dennoch fehlt Opel derzeit ein echtes Aushängeschild. Diese Position soll ab kommenden Frühjahr der neue Insignia bekleiden. Doch müsste ein echtes Topmodell nicht etwas mehr bieten?

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Der neue Opel Insignia Grand Sport. Quelle: Opel

Diplomat, Kapitän oder Senator – das war im Hause Opel alles einmal. Echte Opel-Fans weinen diesen Zeiten des konkurrenzfähigen KAD-Oberklasse-Triumvirats noch heute schmerzlich hinterher. Einst kämpften die Rüsselsheimer mit Mercedes – heute kann man Volkswagen oder Skoda schon lange nicht mehr in Schach halten. Den Angriff nach oben will Opel jetzt wieder wagen – zumindest bei der Größe spielt das neue Flaggschiff jetzt in einer Liga mit E-Klasse, A6 und Co. Doch recht das aus, um sich wieder mit einem Daimler statt einem Ford Mondeo messen zu müssen?

Die erste Insignia-Generation war seit 2008 gezwungen, einen schwierigen Spagat aus Markenaushängeschild und Volumenmodell hinzulegen. Mit der zweiten Insignia-Generation, die auf dem Genfer Automobilsalon im März 2017 ihre offizielle Premiere feiert, will man zu Modellen wie dem Skoda Superb oder einem Ford Mondeo aufschließen.

„Unser aktueller Insignia war ein großer Erfolg“, leitet Werner Jöris als leitender Entwicklungsingenieur ein, „doch es gab trotz über 900.000 verkaufter Fahrzeuge auch Kritik. Das galt zum Beispiel beim Armaturenbrett, dem Platzangebot im Fond oder dem Gewicht.“ Opel nahm sich die Kritik zumindest in Teilen zu Herzen und verabreichte dem hauseigenen Aushängeschild trotz leicht gewachsener Abmessungen eine Weight-Watchers-Diät, die es in sich hat. Je nach Modell- und Motorvariante ist der Vorzeige-Opel 140 bis 175 Kilogramm leichter als der Vorfahr. Trotzdem ging der auf 4,90 Meter gewachsene Insignia durch ein flacheres Dach und eine breitere Spur in die Breite.

Ein Blick in Opels neue Dienstwagen-Limousine
Derzeit absolviert der Opel Insignia Grand Sport, noch getarnt, die finale Entwicklungsphase. Quelle: Opel
Der neue Insignia basiert auf einer komplett neuen Architektur und verfügt über einen erheblich längeren Radstand (über neun Zentimeter mehr). Quelle: Opel
Dank deutlich kürzerer Überhänge vorn und hinten ist er im Vergleich zum Vorgänger jedoch nur 5,5 Zentimeter länger geworden. Mit jetzt 4,90 Metern Länge kratzt er dennoch am Größenniveau einer Mercedes-E-Klasse. Aber kann er es auch sonst mit den Premium-Limousinen aufnehmen? Quelle: Opel
Die um einen Zentimeter breitere Spur sowie die um drei Zentimeter niedrigere Dachlinie betonen die sportliche Silhouette des Insignia Grand Sport. Das klassische Stufenheck wird bei der neuen Generation übrigens gestrichen – künftig gibt es nur noch eine Fließheckvariante neben dem Kombi. Quelle: Opel
Bei der neuen Modellgeneration konnten diese dank der Verwendung von Leichtbaumaterialien bis zu 175 Kilogramm einsparen. Quelle: Opel
Dazu kommt ein optimiertes Packaging, das den Innenraum geräumiger werden lässt. Quelle: Opel
Beim Innenraum selbst lässt sich Opel noch nicht in die Karten schauen – oder zumindest fast nicht. Teile wie der Schalthebel konnten für die Probefahrt nicht im Verborgenen bleiben. Erster Eindruck: Ordentlich und solide, aber bei den Materialien kein Angriff auf die Oberklasse. Quelle: Opel

Gewonnen hat nicht zuletzt die Sitzposition. Hatte man beim Vorgänger bisweilen das Gefühl auf einem herumgedrehten Getränkekasten Platz genommen zu haben, sitzt es sich nunmehr deutlich niedriger und bequemer – keine Chance für SUV-Gefühle. Wer als Dienstwagenfahrer und Kilometerschlucker die rechten Kreuze in der Aufpreisliste macht, bekommt das Gestühl nicht nur schick beledert, sondern auch elektrisch verstellbar, klimatisiert und mit einer leichten Massagefunktion.

Der letzte Pfiff fehlt

Auch die Schalterwirrungen, die es an der überladenen Mittelkonsole und dem Armaturenbrett zumindest bis zur Modellpflege gab, gehören der Vergangenheit an. Alles ist übersichtlich und gut zu bedienen, jedoch fehlt der letzte Pfiff. Die Lenkradhebel wirken ebenso wenig wertig wie die Rundinstrumente und optional lässt sich nur der mittige Teil der Instrumenteneinheit digitalisieren. Dazu hat der Standard-Bildschirm in der Mitte der Armaturentafel eine Diagonale von gerade einmal sieben Zoll. Gegen Aufpreis bei der großen Navigationslösung gibt es ein schmales Zoll obendrauf. Etwas wenig für ein Auto, dass sich bestens vernetzt mit WLAN, OnStar und Co. für die Business-Zukunft wappnen will.

Immerhin hielt in die Armaturentafel erstmals in einem Opel ein Head-Up-Display Einzug – im Gegensatz zu vielen Konkurrenten ein echtes und keine Billiglösung, das seine Navigations- und Fahrhinweise auf eine kleine ausfahrbare Scheibe in der Armaturentafel projiziert.

Doch Oberklassemodelle wie der 5er BMW, ein Audi A6 oder die Mercedes E-Klasse liegen nicht nur wegen Ihrer Ausstattung und ihrem mächtigen Motorenportfolio bis hin zu 600 PS starken Allrad-Achtzylinder längst in unerreichbarer Weite. Das war zu den glorreichen Zeiten von Opel KAD einmal ganz anders. Heute schlägt man sich weniger mit VW Passat, sondern eher der zweiten Reihe mit Skoda Superb, Hyundai i40 oder Ford Mondeo herum.

Nicht nur beim Gewicht, sondern auch bei den Karosserievarianten hat der Opel Insignia abgespeckt. Aufgrund anhaltender Erfolglosigkeit wurde die Standardlimousine gestrichen; so gibt es nur den beliebten Kombi und die Fließheckvariante, die ohne nachvollziehbaren Grund einen höchst überflüssigen Namensannex verabreicht bekommen hat.

Offiziell heißt er Opel Insignia Grand Sport. So erlauchte und kraftvolle Sportkanonen wie ein Maserati Coupé und eine Corvette trugen diese Bezeichnung mit Motorleistungen von 400 PS und mehr. Was das mit einem mitunter nur 110 PS starken Familiendiesel oder einem 170 PS starken Businessmodell zu tun haben soll, dürfte ein Geheimnis der Rüsselsheimer Marketingabteilung bleiben.

Welcher Motor den besten Eindruck macht

Mit der Nomenklatur hat Opel einfach kein glückliches Händchen. Einst strich man den Signum beim Vectra, um ihn als Insignia wieder aufleben zu lassen. Dann kamen Karl, Adam, Mokka und Cascada – unglücklicher geht es kaum. Gut, dass die Autos in den vergangenen Jahren immer besser wurden und der Kunde sich von schrägen Schriftzügen auf Heckdeckeln nicht abschrecken ließ.

Technisch ist der Opel Insignia eng mit dem US-Modell Chevrolet Malibu verwandt, der in den USA bereits seit einigen Monaten unterwegs ist. Bis eine OPC-Variante am Horizont sportliche Kunden mit über 300 PS lockt, muss es als Topversion der Insignia 2.0 Turbo richten. Dessen zwei Liter großer Vierzylinder ist obligatorisch an Allradantrieb und die neue Achtgangautomatik gekoppelt ist. Für seine Motorleistung von 250 PS fährt sich der Benziner allerdings gerade unter Last blutleer und blass.

Mehr Platz für Passagiere und Gepäck

Deutlich besser schlägt sich der Insignia-Einsteiger mit seinem 1,5 Liter großen Vierzylinder-Aluminiummotor, der Dank Turboaufladung leistungshungrige 165 PS offeriert. Er überzeugt mit ruhigem Lauf und flotten Antritt, der vielen Kunden reichen dürfte. Insbesondere die meisten Dienstwagenfahrer werden sich jedoch unverändert für die bekannten Vierzylinder entscheiden. „Das Dieselportfolio startet mit 140 und 170 PS während die Benziner zwischen 140 und 250 PS leisten“, sagt Thorsten Kniesa, Leiter im Bereich Antriebssysteme. Schwächere und stärkere Versionen, die das Insignia-Portfolio nach unten und oben abrunden, dürften spätestens 2018 folgen.

Hatte bereits die Vorgängergeneration des Insignia ein ausgewogenes Fahrwerk, so konnte der Neuling hier spürbar nachlegen. Die Lenkung ist sehr leichtgängig, jedoch angenehm direkt und die breitere Spur tut in Verbindung mit der niedrigen Dachlinie ihr übriges, um den abgesenkten Schwerpunkt erfahrbar zu machen. Die deutliche Gewichtsersparnis macht sich insbesondere auf der Vorderachse bemerkbar, denn der Fronttriebler lenkt überaus leichtfüßig ein.

Die Allradversion macht alles noch etwas besser, überrascht jedoch negativ mit leicht verzögertem Kraftfluss an die Hinterachse; heißt, der 250 PS starke Insignia 2.0 Turbo lässt den Piloten trotz 4x4-Antrieb Antriebskräfte im Steuer spüren. Eine gute Wahl bleiben die optionalen Verstelldämpfer, die sich über Taster am Armaturenbrett ansteuern lassen. Wer flotter ist und die Gänge ausdreht, würde sich über einen weniger hellen und bisweilen angestrengten Motorenklang freuen. Bis zum Serienstart sind es noch sechs Monate – genug Zeit, um beim Sounddesign nachzuarbeiten.

Gewonnen hat nicht nur der Fahrkomfort, sondern auch das Platzangebot. So wuchs der Radstand um fast zehn Zentimeter, was insbesondere die Fondpassagiere erfreuen dürfte. Hier sitzt es sich trotz etwas zu klein dimensionierter Kopfstützen kommoder als bisher und die Kniescheiben bohren sich bei groß gewachsenen Insassen nicht mehr in den Rücken der Frontlehne.

Opels Managerverschleiß auf dem Chefposten
Michael Lohscheller Quelle: Opel
Karl-Thomas Neumann Quelle: obs
Thomas Sedran Quelle: dpa
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Nick Reilly Quelle: REUTERS
Hans Demant Quelle: AP

Am Laderaum vermissen nicht nur klein gewachsene Personen zumindest bei der Schrägheckversion eine elektrische Heckklappe, die die Konkurrenz bietet. Überhaupt fehlt dem großen Opel der große Schritt, die entscheidenden Details und echte Innovationen, die ihn aus der grauen Masse der europäischen Mittelklasselimousinen heraustreten lassen.

Die exzellenten LED-Scheinwerfer (nur optional), den bequemen Concierge-Service OnStar oder sehr guten Sitzkomfort kennt man bereits vom kleinen Bruder Astra und ein Head-Up-Display ist heute keine echte Innovation mehr. So bleibt auch preislich alles beim Alten. Das Segment der Familien- / Businesslimousinen und Kombis ist heißer denn je umkämpft. Die meisten Modelle sind als Dienstwagen auf europäischen Straßen unterwegs. So dürfte der 140 PS starke Basisbenziner mit Sparausstattung bei 25.000 Euro beginnen. Der beliebten Dieselversionen starten wohl bei 27.000 Euro.

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