
Der Diesel und die USA – es ist eine historisch schwierige Beziehung. Selbst als deutsche Autobauer Anfang der Achtzigerjahre ihre Turbodiesel nach Amerika brachten, löste das nur einen kurzen Boom aus. Schnell war der Diesel als Rußschleuder verschrien, eine echte Gefahr für den dominierenden V8-Motor konnten die Selbstzünder nie werden.
Umso verwunderlicher, dass Daimler mit „Bluetec“ und Volkswagen mit dem „Clean Diesel“ vor rund zehn Jahren erneut versuchten, den in Europa beliebten Antrieb auch in den USA zum Erfolg zu führen. Das Ergebnis ist bekannt: VW hat die Abgaswerte nur mit Tricksereien geschafft, gegen Daimler laufen noch Untersuchungen.
Der Diesel war zwar nur eine Nische – im bereits von Abgasskandal betroffenen Jahr 2015 lag der US-Marktanteil bei rund drei Prozent –, aber eine wachsende: Ohne den Abgasskandal und den damit verbundenen Verkaufsstopp aller Diesel-Modelle des VW-Konzerns hätte es ein Diesel-Rekordjahr werden können. In mehreren Bundesstaaten wuchsen die Diesel-Zulassungen sogar zweistellig. Ganz vorne lag Kalifornien mit knapp 15,5 Prozent – der Westküstenstaat gilt als Trendsetter im Automarkt. Hier nahm der Hybrid-Boom und Diesel-Aufschwung in den USA ihren Anfang. Aber eben auch der Diesel-Skandal.





Wer nun meint, dass der Diesel nach den Manipulationen in den USA endgültig unten durch ist, der könnte sich irren. Die Lücke, die VW hinterlässt, ist zwar gewaltig: Von den 102.000 Diesel-Neuzulassungen im Jahr 2014 (dem letzten vollständigen Jahr vor der Verzerrung durch Dieselgate) kamen über 80.000 Fahrzeuge von Volkswagen. Und während Audi- oder Porsche-Fahrer im Zweifel auf die Diesel-Modelle von BMW oder Mercedes wechseln könnten, fehlt im Volumensegment eine echte Alternative für Diesel-Fans. Noch.
GM will 2017 neuen Diesel in die USA bringen
Denn jetzt wagt offenbar ausgerechnet US-Riese General Motors einen neuen Diesel-Vorstoß in den US-Massenmarkt. Dan Nicholson, bei General Motors weltweit für Antriebssysteme verantwortlich, hat festgestellt: „Es gibt bei uns immer mehr Menschen, die den Dieselantrieb wollen, ihm loyal gegenüberstehen und nach einem Hersteller suchen, der ihren Wünschen entspricht.“ Im August erläuterte Nicholson bei einer Veranstaltung des renommierten Center for Automotive Research der Universität Michigan seine Bemerkung: „Diese Kunden sind technisch versierter als der Durchschnittskunde, und sie wissen um die Vorteile, die ein Diesel bietet. Ihnen werden wir entgegenkommen.“
Nicholson glaubt, dass die USA trotz des VW-Skandals einer der Wachstumsmärkte für Dieselmotoren bleiben. Momentan, so der Manager, gebe es bei GM eine starke Nachfrage für die Dieselversionen des Chevrolet Colorado und des GMC Canyon. Beide Autos kamen wegen des VW-Skandals etwas später auf den Markt, weil die US-Aufsichtsbehörden strengere Abgastests in Kraft gesetzt hatten.
Die Milliarden-Buße für VW im Überblick
Der Konzern hat mit US-Klägern einen Vergleich ausgehandelt. Demnach muss VW die knapp 15 Milliarden Dollar für verschiedene Dinge ausgeben: für einen Umweltfonds und die Förderung von emissionsfreien Autos etwa. Der weitaus größte Teil wird aber an Kunden fließen, die in den USA einen manipulierten VW oder Audi besitzen.
Die reine Entschädigung für Autobesitzer soll zwischen 5100 und knapp 10.000 Dollar pro Fahrzeug liegen. Das kommt darauf an, wie alt das Auto ist. Zusätzlich muss der Konzern den Kunden anbieten, ihre Autos zurückzukaufen. Die Diesel-Besitzer sollen dabei so viel Geld bekommen, wie ihr Auto vor Bekanntwerden der Manipulationen wert war.
Jein. Generell haben US-Kunden eine Wahlmöglichkeit: Entweder Rückruf mit einer Nachbesserung oder Rückkauf, also Rückgabe. Diese Varianten stehen in Deutschland und Europa nicht zur Auswahl. Dafür hat der Rückruf hierzulande schon begonnen und in den nächsten Wochen soll er weiter Fahrt aufnehmen, so dass zum Jahresende alle 2,5 Millionen Diesel in Deutschland nachgebessert sein könnten. In den USA hat VW bis Mai 2018 Zeit, um sich technische Nachbesserungslösungen von den Behörden absegnen zu lassen. Das gilt dort als deutlich kniffliger.
Wahrscheinlich nicht viel. Volkswagen hat wiederholt betont, dass eine Entschädigung wie in den USA in Europa und damit auch in Deutschland nicht infrage komme. Vorstandschef Matthias Müller selbst hat das mehrfach ausgeschlossen. Verbraucherschützer kritisieren, dass Kunden in den USA mehr bekommen sollen. Einige Anwaltskanzleien haben sich zum Ziel gesetzt, auch für betroffene Autobesitzer in Europa Schadenersatz zu erstreiten. Die Erfolgsaussichten sind aber aufgrund der unterschiedlichen Rechtssysteme ungewiss.
Nein. Zum einen müssen sich nicht alle Kläger in den USA einem Vergleichsvorschlag anschließen und können individuell weiter klagen. Auch von drei US-Bundesstaaten sind inzwischen Klagen eingegangen. Zum anderen muss VW auch außerhalb der USA viele Verfahren bewältigen. In Deutschland fordern ebenfalls Kunden Entschädigungen oder Rückkäufe. Gerichte haben hier in ersten Instanzen unterschiedlich geurteilt. Zudem fühlen sich zahlreiche VW-Aktionäre von dem Konzern zu spät über die Manipulationen informiert. Sie wollen sich Kursverluste erstatten lassen.
2017 will General Motors mehr Diesel anbieten als nur in den großen Pick-ups. Dann soll der Chevrolet Cruze, mit rund 1,3 Millionen Exemplaren pro Jahr weltweit das meistverkaufte GM-Modell, auch in den USA mit einem Selbstzünder auf den Markt kommen. Hierzulande wird der Cruze, der technisch eng mit dem Opel Astra verwandt ist, seit dem Rückzug von Chevrolet aus Europa nicht mehr angeboten.
Der Cruze Diesel zielt auf jene Käufer ab, die sich bislang für einen VW Jetta, Golf oder die US-Version des Passat interessiert haben. Die Eckdaten mit vier Zylindern, 1,6 Litern Hubraum und 136 PS Leistung klingen gar europäisch. Kein Wunder: Handelt es sich doch um jenen Motor, den die GM-Tochter Opel unter der Werbebezeichnung „Flüsterdiesel“ im Mittelklassemodell Insignia anbietet.





Sogar der Slogan soll in den USA übernommen werden – offen ist dem Vernehmen nach aber noch, ob das in der übersetzten Version („whisper diesel“) oder eingedeutscht als „fluster diesel“ geschehen soll. Wobei deutsche Bezüge in der Diesel-Technologie derzeit eher nicht verkaufsfördernd sein dürften.