Das Timing ist gut gewählt. Nicht einmal eine Woche bevor EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am kommenden Mittwoch den Green Deal und ihre Pläne für den grünen Umbau Europas vorstellen wird, gab EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager am Donnerstag eine Strafe über 875 Millionen Euro für das deutsche Autokartell bekannt. Fünf Jahre lang hatten sich Daimler, BMW und Volkswagen beim Einsatz der Umwelttechnologie Adblue abgesprochen, die den Ausstoß von Stickoxiden bei Diesel-Pkw senken. Die Hersteller hätten kollaboriert und sich bewusst gemeinsam dafür entschieden, die Technologie nur so weit einzusetzen, dass die gesetzlichen Mindestwerte eingehalten wurden, sagte Vestager. Sie taten das, obwohl alle Beteiligten gewusst hätten, dass es möglich gewesen wäre, die Abgase stärker zu reinigen. Durch ihr Kartell hätten die Autohersteller den Wettbewerb ausgeschaltet. „Und ohne Wettbewerb können wir den Klimawandel nicht bekämpfen“, sagte Vestager in Brüssel.
Trotz der Schwere des Vorwurfs kommen die deutschen Automobilbauer vergleichsweise glimpflich davon. Zum Vergleich: Beim Lkw-Kartell, an dem ebenfalls deutsche Hersteller beteiligt waren, hat die EU-Kommission 2016 eine Strafe von insgesamt 2,9 Milliarden Euro verhängt. Die EU-Kommission entschied sich für die milden Strafen, weil es sich um das erste Kartell im Bereich Technologie handelt. Vestager lobte ausdrücklich, dass die Automobilbauer gemeinsam eine neue Technologie entwickelt hätten, um Diesel-Abgase zu reinigen. Normalerweise geht es bei Kartellen darum, Preise abzusprechen oder geographische Märkte aufzuteilen. Um klarzustellen, welche Art von Zusammenarbeit zwischen Automobilherstellern erlaubt ist, hat die EU-Kommission ein Schreiben an alle großen Unternehmen aufgesetzt.
Wie bereits bekannt, geht Daimler als Kronzeuge straffrei aus. Hätte das Unternehmen nicht als erstes die EU-Kommission umfassend über die Zusammenarbeit informiert, wäre die Strafe bei 727 Millionen Euro gelegen.
Wegen der Neuartigkeit des Verstosses verringerte die EU-Kommission die Strafen um 20 Prozent. Weil sich die drei Unternehmen auf einen Vergleich mit der EU-Kommission einließen, den sie vor Gericht nicht mehr anfechten können, erhielten sie einen weiteren Strafnachlass von zehn Prozent. Als zweiter Kronzeuge erhielt VW eine zusätzliche Reduzierung auf 502 Millionen Euro. Der Münchner Premiumhersteller BMW, der sich dem Vergleich lange entgegen gestellt hatte, erhält eine Strafe von 373 Millionen Euro.
Die relativ milden Strafen waren auch erwartet worden – weil die EU-Kommission kein Interesse daran hatte, die Automobilbauer empfindlich zu treffen, ehe sie kommende Woche verschärfte CO2-Ziele für die Jahre 2030 vorschlägt.
Im Green Deal wird aller Voraussicht auch ein Enddatum für Verbrenner stehen. Kommissionsintern wird noch um die Jahreszahl gerungen. Der französische Kommissar Thierry Breton plädiert für 2040, während Klimakommissar Frans Timmermans 2035 befürwortet. Das letzte Wort soll von der Leyen haben.
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