Dieselskandal bei Mercedes Was Daimler-Chef Zetsche aus Berlin droht

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„Das Problem mit dem Vito betrifft allein Daimler“

Ein angezählter Chef ist für Daimler sicher nicht hilfreich. Für Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), liegt in der derzeitigen Situation eine „besondere Brisanz“. „Es ist zu hoffen, dass genau diese Kommunikation Dieter Zetsche und Daimler nun nicht massiv auf die Füße fällt. Denn dann droht es in Sachen Reputation und auch in finanzieller Hinsicht sehr teuer zu werden“, sagte Tüngler dem „Handelsblatt“.

Wenn der beanstandete Motor von Renault kommt: Wer ist dann für die Software verantwortlich?

Aus Sicht der Franzosen ist die Antwort einfach. „Das Problem mit dem Vito betrifft allein Daimler“, sagte ein Renault-Sprecher am Wochenende. Bereits im März, also kurz nach Bekanntwerden der KBA-Ermittlungen gegen den Vito, hatte Renault-Vize Thierry Bolloré Daimler die Schuld zugewiesen. „Für die Motorensteuerung ist immer der Autohersteller verantwortlich, in dessen Fahrzeug der Motor eingebaut ist“, sagte Bolloré in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. Und beim Vito ist das Daimler – auch wenn der Motor aus einer Renault-Fabrik kommt.

Diese Darstellung ist technisch plausibel, denn die Motorsteuerung als auch die Software für die Abgasnachbehandlung müssen immer an das jeweilige Modell angepasst werden. Selbst wenn derselbe 1,6-Liter-Diesel verwendet wird, muss die Software angepasst werden, denn der Abgasstrang mit all seinen Filtern und Sensoren unterscheidet sich zwischen einem Renault Mégane, einer Mercedes B-Klasse oder einem Vito. Wohl auch deshalb hält man sich in der Daimler-Zentrale mit öffentlichen Anschuldigungen gegen Renault zurück. Klar ist aber auch, dass die Motorensoftware inzwischen so komplex ist, dass Mercedes sicher nicht jede einzelne Programmzeile von Renault kontrolliert und umschreibt.

Ist das der Anfang vom Ende der Partnerschaft zwischen Renault-Nissan und Daimler?

Hinter den Kulissen knirscht es, aber vordergründig will keine der Parteien etwas vom Ende der Partnerschaft wissen. „Beide Seiten sind sehr motiviert, die Zusammenarbeit zu vertiefen“ heißt es in Frankreich. Stuttgart will die Dinge jetzt erst einmal intern klären und werde nicht anfangen, sich „öffentlich zu zanken“. Die Kooperation stehe nicht zur Disposition, versicherte ein Daimler-Sprecher.

Zetsche in Erklärungsnot – 120.000 Daimler-Diesel womöglich manipuliert

Der Unmut in Berlin über die Autobauer steigt. Steigt damit auch die Wahrscheinlichkeit weiterer Fahrverbote?

Nein, denn die Fahrverbote werden nicht bundesweit, sondern jeweils lokal verhängt – wie etwa in Hamburg. Es ist aber auch unwahrscheinlich, weil sich die Bundesregierung selbst nicht einig ist, wie der Blick auf die Debatte um verpflichtende Hardware-Nachrüstungen zeigt: Verkehrsminister Scheuer lehnt zumindest Hardware-Nachrüstungen weiter weiter ab und ist damit auf Linie mit Kanzlerin Angela Merkel. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hält hingegen an Nachrüstungen fest – in einem von ihr erarbeiteten Stufenplan. „Mir geht es nicht darum, sofort flächendeckend in Deutschland alle Diesel nachzurüsten“, sagte Schulze der „Welt“. Zunächst sollten gezielt Fahrzeuge dort nachgerüstet werden, „wo die Luft besonders schlecht ist“. Auf diese Weise könnten Fahrverbote verhindert und der finanzielle Aufwand begrenzt werden. „Die Gesamtkosten lägen dann eher im niedrigen einstelligen Milliardenbereich“, sagte Schulze.

Welche Handhabe hat die Politik gegen die Autobauer?

Umweltministerin Schulze sieht die Automobilindustrie in der Pflicht, verfügt allerdings über keine rechtliche Handhabe. „Es gibt keine Möglichkeit, sie zu zwingen“, sagte Schulze. Die Hersteller wollen nur mit Software-Updates den Schadstoffausstoß senken – wie auch Mercedes beim Vito. Hardware-Nachrüstungen, also Umbauten direkt am Motor, lehnen sie als zu aufwendig und teuer ab.

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