Dieselskandal Was wusste Müller?

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Dieselgate mit aller Macht abhaken

Am gefährlichsten für die Audi-Führung erscheint ein Vorfall aus dem Jahr 2015. Audi wollte damals den Q7 auch in Hongkong vermarkten, doch das wuchtige Auto konnte die dort geltenden Abgasvorschriften nicht einhalten. Es sei, so berichtete Weiß’ Anwalt Hans-Georg Kauffeld vor Gericht, zu einer hitzigen Diskussion in einem der sogenannten Steuerkreise gekommen. Vertriebsmanager hätten gefordert, dass Audi beim Abgasausstoß betrügt. Weiß habe sich jedoch gewehrt. Schließlich habe ein Vorgesetzter von Weiß gesagt: „Ich kann den Uli (Ulrich Weiß) voll verstehen. Der braucht eine Lebensversicherung.“ Gemeint war wohl: Weiß fordere den schriftlichen Segen des Vorstands.

Aktionärsverteilung der Volkswagen AG

Der Vorgesetzte sei deshalb nach dem Meeting zum Audi-Vorstand gegangen und habe die gewünschte Erklärung eingeholt. Weiß solle den manipulierten Motor bereitstellen, so habe der Topmanager handschriftlich notiert. Für den Fall, dass der Betrug in Hongkong auffliegt, solle der Vertrieb Rückstellungen bilden. Damit sollten dann mögliche Rückrufe oder Strafen bezahlt werden. Dieses Vorgehen sei mit ‚G, E, EG, GQ‘ abgestimmt, so heißt es laut Kauffeld in der Notiz vom 28. Juli 2015, die die Unterschrift von Weiß’ Vorgesetzten trägt. ‚G‘ soll für Stadler gestanden haben, ‚E‘ für den früheren Audi-Vorstand Hackenberg, ‚EG‘ und ‚GQ‘ für die weiteren Audi-Manager.

Audi bestreitet eine Verwicklung von Stadler in den Abgasskandal und verweist auf interne Ermittlungen und Ermittlungen von US-Behörden, die nichts Belastendes für Stadler ergeben hätten. Audi-Insider betonen, dass die bei dem Arbeitsgerichtsverfahren beschriebenen Abläufe sich mit ihren Erfahrungen decken. „Das ist eher ein normaler als ein ungewöhnlicher Vorgang bei VW“, so ein Insider. Denn in aller Regel hätten Techniker nicht den Mut, das Risiko von fragwürdigen oder besonders gewagten Aktionen selbst zu tragen.

Volkswagen steckt in der Krise. Eine neue Generation der Familie Porsche-Piëch tritt bei Europas größtem Autokonzern an die Macht. Ex-Patriarch Ferdinand Piëch hat kaum noch etwas zu sagen.
von Melanie Bergermann, Martin Seiwert

Wenn es aber bei Audi so lief, warum soll es bei der Konzernschwester Porsche und deren Chef Müller anders gelaufen sein?

Seit 2015: Vorstandschef des VW-Konzerns

Fünf Jahre blieb Müller an der Spitze von Porsche, dann machte ausgerechnet Dieselgate im Herbst 2015 den Weg frei für Müller an die VW-Spitze. Dort fiel er durch das Bestreben auf, das Fehlverhalten zu relativieren und den Skandal möglichst schnell zu den Akten legen zu können. Bei der letzten Pressekonferenz von VW erklärte er Dieselgate für weitgehend erledigt, am Folgetag rückten die Münchner Staatsanwälte zu Razzien aus. Sie durchsuchten wegen manipulierter VW-, Audi- und Porsche-Motoren unter anderem Büros bei Audi, VW und der von Volkswagen mit der Aufklärung betrauten Kanzlei Jones Day. Die Kanzlei sollte im Auftrag von VW einen Bericht über die Hintergründe des Dieselskandals verfassen – doch der soll, anders als zuvor von Müller versprochen, nicht veröffentlicht werden.

Die Machtverteilung in der Porsche SE

Der VW-Chef will den Skandal nicht nur mit aller Macht abhaken. Er schreckt auch nicht davor zurück, das Rad zurückzudrehen: Vor einem Jahr wollte Müller seinen langjährigen Weggefährten, den Motorenentwickler Hatz, der wegen Dieselgate beurlaubt worden war, zurück an Bord holen. Begründung: Es sei bei den internen Untersuchungen nichts Belastendes entdeckt worden. Darüber kam es zum Streit mit Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück. Der wollte keine mögliche Schlüsselfigur des Skandals zurückholen, sagt ein Insider. Hück gewann diesen Machtkampf. Hatz verließ später freiwillig das Unternehmen. Müller blieb.

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