




Die Wirtschaft steht weltweit vor der vierten industriellen Revolution. Durch das Internet getrieben, wachsen reale und virtuelle Welt immer enger zusammen. Wie schnell und wie disruptiv der digitale Wandel die Spielregeln verändern und die Marktverhältnisse auf den Kopf stellen kann, hat die Smartphone-Branche in den zurückliegenden Jahren leidvoll erfahren müssen. In einem Zeitraum von nur sechs Jahren sind große Teile der Wertschöpfung von Europa nach USA abgewandert, weil die Internetunternehmen Apple und Google schneller Lösungen und Inhalte entwickelt hatten, die auf die Bedürfnisse der Mobilfunkkunden und Handynutzer exakt zugeschnitten waren. Nokia, der einstige Technologie- und langjährige Weltmarktführer aus Europa, erlitt dabei einen dramatischen Bedeutungsverlust und wurde schmachvoll an Microsoft verscherbelt, um dort patentrechtlich ausgeweidet zu werden. Droht der deutschen Autoindustrie vielleicht bald ein ähnliches Schicksal? Ich befürchte, dass BMW, Daimler und der Volkswagen aufgrund der traditionell langen Produktlebenszyklen und branchenüblichen Vorlaufzeiten die Geschwindigkeit des digitalen Wandels immer noch unterschätzen – ebenso wie die Wucht , mit der die digitale Transformation etablierte Prozesse und Kundenbeziehungen verändern wird.
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Bislang hatten die deutschen Ingenieure und die Spitzen der deutschen Autoindustrie keinen großen Grund, sich zu ängstigen. Das Silicon Valley brachte zwar immer wieder tolle Ideen hervor und verstand es auch, ihre kalifornische Ideologie mit brillantem Marketing in alle Welt zu verkaufen: Das Mantra dabei lautete: „Innovation geht nur in der Garage!“ – „Konzerne sind Steinzeit!“ – und „Risikokapital ist der Treibstoff der digitalen Revolution“. Aber bisher sind Google oder Facebook eigentlich nur internetgestützte Medienunternehmen, die mit Daten, mit Werbung und mit Fantasie Geld verdienen. Davon können europäische Medienunternehmen eine Menge lernen – aber davor braucht die starke deutsche Industrie nicht zu zittern. Denn wenn deutsche Unternehmen etwas gut können, dann sind es die drei „P“: Planung, Prozesse und Produktion.
Auch die Verschmelzung der physikalischen Welt mit dem Cyberspace sollten einen deutschen Ingenieur prinzipiell nicht bange machen. Autos sind schließlich bereits heute rollende Rechenzentren mit Dutzenden von Steuergeräten und Hunderten von Prozessoren. Die Informationen, die im Auto während der Fahrt zusammenlaufen, aufzubereiten und auszuwerten, sollte für die Automobilindustrie eine Kleinigkeit sein. Die große Gefahr der digitalen Revolution liegt aber ganz woanders. Mit eiserner Disziplin, höchstem Qualitätsverständnis und Präzision bauen wir technologisch zwar die besten Autos der Welt – aber der Kunde und seine Bedürfnisse stehen, allen Lippenbekenntnissen zum Trotz, bis heute nicht wirklich im Mittelpunkt der Fahrzeughersteller. Das muss sich schleunigst ändern. Denn in der digitalen Welt verfügt der Kunde über eine nie da gewesene Macht. Es ist eine Macht, die man nicht länger ignorieren darf.