Walker, 56, kam 1987 zu Magna. Den Autozulieferer hatte der Österreicher Frank Stronach in den Fünfzigerjahren in Kanada gegründet. Seit 2010 ist der Ingenieur Vorstandschef. Magna ist der fünftgrößte Autozulieferer der Welt und produziert vor allem Komponenten für Pkw-Antriebe, Schließsysteme und Teile der Innenausstattung. Das Unternehmen betreibt mehr als 300 Werke und setzte mit 120.000 Mitarbeitern zuletzt knapp 31 Milliarden Euro jährlich um.
WirtschaftsWoche: Mister Walker, was erwarten Sie für die weltweite Autoindustrie in diesem Jahr, wenn Sie in Ihre Auftragsbücher schauen?
Donald Walker: Wir gehen davon aus, dass unser Umsatz in diesem Jahr um zwei Milliarden auf 33 Milliarden Dollar steigen wird. Der größte Markt für uns ist klar Nordamerika. Der Wirtschaft dort geht es gut, der Autoabsatz steigt, und die Dynamik ist sehr groß. Anders sieht es in Europa aus. Dort lässt die Dynamik deutlich nach. China wird weiter wachsen.
Werden Sie angesichts der Krise in Europa Werke schließen und Mitarbeiter entlassen müssen?
Wir müssen sicherlich Anpassungen vornehmen. Wir schauen zurzeit beispielsweise, welche Teile wir hier nah am Kunden in Europa fertigen müssen und welche Komponenten wir aus anderen Teilen der Welt hierher transportieren können. Anpassungen wird es aber auch in Nordamerika geben müssen. Wir arbeiten daran, unsere globale Präsenz bestmöglich aufzustellen und Kosten zu reduzieren. In Europa mussten wir einige Stellen abbauen, da sich die Wirtschaftslage verschlechtert hat, und wir werden weitere Restrukturierungen in der Region vornehmen.
Welche Rolle soll dabei Ex-Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke spielen, den Sie kürzlich zu Magna geholt haben?
Ich bin glücklich, dass wir Stracke für uns gewinnen konnten. Er ist ein exzellenter Kenner der Märkte in Nordamerika und Europa. Er leitet jetzt die Auftragsfertigung bei Magna Steyr in Graz und weltweit das Engineering der Gruppe. Herr Stracke wird sich aber auch mit unserer langfristigen Produktstrategie befassen.
Ist Stracke ein Kandidat, der eines Tages Ihren umstrittenen Europa-Chef Günther Apfalter ersetzen könnte?
Günther Apfalter hat zwei Funktionen. Er ist der Europa-Chef von Magna International, aber auch der Chef von Magna Steyr weltweit, also Strackes Vorgesetzter.
Qualitätsprobleme und Chaos
Apfalter gilt als einer der Verursacher der Probleme, die Magna in Europa hat. Stehen Sie noch hinter ihm?
Günther hat mein absolutes Vertrauen, er macht einen prima Job.
Er wird aber für umstrittene Preisverträge mit Abnehmern und für Qualitätsprobleme in europäischen Werken verantwortlich gemacht.
Es stimmt, wir hatten in einigen Werken Probleme. Es gab in Europa in manchen Produktionsstätten Schwierigkeiten auf operativer Ebene oder bei der Preisfestlegung. Aber das hatte nicht allein Günther Apfalter zu verantworten. Wir sind dabei, die Probleme zu lösen.
In Österreich herrscht bei Magna doch Chaos, Teile der Kapazitäten für die Auftragsfertigung in Graz stehen leer. Hat Stracke den Auftrag aufzuräumen?
Es muss nichts aufgeräumt werden. Klar ist, wir müssen am Standort Graz effizienter werden. Österreich ist ein Hochlohnland.
BMW hat Teile der Fertigung des Mini aus Ihren Werken in Graz abgezogen. Wie füllen Sie die Kapazitäten?
Wir haben bei Magna Steyr Kapazitäten für 150 000 Fahrzeuge. Wir überlassen es unseren Kunden, Aufträge zu kommunizieren.
Warum verlegen Sie nicht größere Teile Ihrer Aktivitäten von Europa ins billigere Nordamerika oder gleich nach China?
Wichtige Neuentwicklungen kommen noch immer aus Deutschland. Außerdem sind die Menschen in Europa sehr gut ausgebildet.
Magna-Gründer Frank Stronach ist im Juni 2010 aus dem Unternehmen ausgestiegen, und Ihr Geschäft verlagert sich immer mehr nach Nordamerika. Ist Magna nicht längst ein kanadisches und kein europäisches Unternehmen?
Ich bin seit mehr als 25 Jahren bei Magna. Wir sind ein globaler Konzern, aber richtig ist auch: Den meisten Umsatz erzielen wir in Nordamerika.
Sie fertigen noch bis 2019 die G-Klasse für Daimler. Wie geht es danach weiter?
Bis dahin sind es noch sechs Jahre, die G-Klasse ist jedoch vom Volumen her nicht ausschlaggebend für den Standort Graz. Das Entscheidende ist, dass wir für das Werk weitere Aufträge brauchen, etwa mit Stückzahlen von 20 000 bis 30 000 aber auch von 70 000.
Keinerlei Erfahrung im Management von Automarken
Die Fertigungsstraßen der großen Hersteller wie BMW und Daimler werden immer flexibler und können auch kleine Serien bauen. Warum soll jemand bei Ihnen noch Autos bauen lassen?
Wir investieren viel in den Leichtbau von Fahrzeugen, aber auch in die Entwicklung von Batteriepaketen. Für Ford in Nordamerika haben wir beispielsweise an der Elektrifizierung des Focus mitgewirkt. Wir können unter anderem auf diesen Feldern für die großen Hersteller ein wichtiger Partner sein.
Magna hat für die Chinesen den Qoros mitentwickelt. Wird die Limousine das erste Auto aus China sein, das auf dem Weltmarkt erfolgreich ist?
Das könnte in der Tat sein. Andererseits haben alle großen Hersteller der Welt in China Joint Ventures und bauen auf globalen Plattformen Autos. Sie können eines Tages von dort aus auch den Weltmarkt beliefern. Denn es könnte der Tag kommen, an dem China die ganzen dort gefertigten Autos nicht mehr abnehmen kann.
Wo führt die Krise in Europa hin, wird es Zusammenschlüsse geben, wie viele Hersteller bleiben übrig?
Vor zehn Jahren hat jeder gesagt, es bleiben fünf Hersteller übrig, und die kontrollieren 90 Prozent des Marktes. Das ist nicht eingetreten. Die großen Player werden globale Plattformen mit verschiedenen Aufbauten haben. Der Trend zu mehr Gemeinsamkeiten wird sich beschleunigen. Die Fahrzeuge werden in allen Regionen der Welt gefertigt, und dazu braucht es ein globales Zulieferernetz. Um die Kosten zu drücken, werden die Hersteller mehr outsourcen.
Vor drei Jahren wollte Magna Opel übernehmen. Bedauern Sie, dass es nicht geklappt hat?
Ich habe das von Anfang an für keine gute Idee gehalten. Unser damaliger Co-CEO, Siegfried Wolf, hatte Frank Stronach davon überzeugt. Es wäre für uns eine riesige Aufgabe gewesen. Wir haben schließlich keine Erfahrung im Management von Automarken.
Stronach hat eine neue Partei gegründet und will im Herbst bei den Wahlen antreten. Was halten Sie davon?
Frank ist ein Unternehmer, wie es ihn kein zweites Mal gibt. Er hat so viel Energie und auch einige interessante Ideen. Jetzt versucht er, das politische System in Österreich umzukrempeln. Ich kann nicht sagen, ob er erfolgreich sein wird.