"Ebit macht frei" Wie VW-Manager am Umgang mit der NS-Vergangenheit scheitern

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Nach der Rechtfertigung kommt die Entschuldigung

Nach der Rechtfertigung kommt Diess dann zur Entschuldigung: „Es war in keiner Weise meine Absicht, diese Aussage in einen falschen Zusammenhang zu setzen. Dass diese Möglichkeit besteht, daran habe ich in diesem Moment nicht gedacht. Tatsächlich war es eine sehr unglückliche Wortwahl und falls ich damit unbeabsichtigt Gefühle verletzt haben sollte, tut mir das außerordentlich Leid. Dafür möchte ich mich in aller Form entschuldigen.“

Diess will also tatsächlich nicht an „Arbeit macht frei“ gedacht haben. Wenn das so war, dann kann aber sein Statement nicht das letzte zu diesem Thema gewesen sein. Dann muss er erklären, wie ihm das passieren konnte – einem Menschen von seinem Intellekt und in seiner Position. Und: Wie es passieren konnte, dass an dem Abend ein weiterer VW-Vorstand die Gedanken in seiner Rede aufgriff und ebenfalls von „Ebit macht frei“ sprechen konnte.

Noch jemand, dem „in diesem Moment“ das Skandalöse nicht auffiel? Diess brachte den Spruch mehrfach, danach sein Kollege. Das sind schon recht viele „Momente“, in denen gerade mal „nicht gedacht“ wurde.

Volkswagen hat seine NS-Historie in Wolfsburg vorbildlich aufgearbeitet und viele Mitarbeiter und der Betriebsrat halten die Erinnerungskultur mit hohem Engagement wach. Aber das Management scheitert offenbar immer wieder an dieser Herausforderung.

Vor einigen Jahren war es der damalige Audi-Chef Rupert Stadler, der sich erst nach Enthüllungen der WirtschaftsWoche zur Aufarbeitung der grausamen NS-Vergangenheit von Audi durchringen konnte. In mehreren, eigens für den Audi-Vorgänger Auto Union eingerichteten Konzentrationslagern wurden tausende Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge ermordet.

Die Aufarbeitung in Ingolstadt aber war so mangelhaft und beschönigend, dass sogar der damalige Chefhistoriker des VW-Konzerns, Manfred Grieger, in der WirtschaftsWoche scharfe Kritik an seinen Kollegen bei Audi übte – was aber nicht etwa zu Konsequenzen bei Audi führte, sondern es war Chefhistoriker Grieger, den es den Job kostete.

Diess macht Volkswagen fit für die Zukunft, mit hohem Tempo und mit großer Gründlichkeit. Wenn er mit dem gleichen Elan sich selbst und seine Managerkollegen für die wichtigen Fragen der Vergangenheit sensibilisiert, dann wäre schon mal viel gewonnen. Doch den hässlichen Spruch „Ebit macht frei“, den bekommt er nicht mehr weg. Es sind solche Dinge, die bleiben.

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