eHighway Erste deutsche Elektro-Autobahn für Lkw geht an den Start

Deutschlands Elektro-Highway fehlt es an Tempo Quelle: dpa

In Skandinavien wird es schon länger erprobt, nun können Lkw auch in Hessen wie Züge mit Stromabnehmern unter Oberleitungen fahren. Auf der A5 startet ein Pilotprojekt unter normalen Verkehrsbedingungen.

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Klimaschutz und Schwerlastverkehr auf der Straße – das passt nicht so recht zusammen. Künftig soll sich das ändern: Die erste Elektro-Autobahn für den Güterverkehr in Deutschland ist in Südhessen in Betrieb genommen worden. Auf der viel befahrenen Autobahn A5 sind in beide Fahrtrichtungen auf der rechten Spur jeweils fünf Kilometer mit Oberleitungsmasten versehen. Bis 2022 wollen sich fünf Speditionen mit Lastwagen an dem Feldversuch beteiligen.

Es wird geprüft, ob die Oberleitungstechnik tauglich ist und ob so klima- und lärmschonend Güter auf der Straße transportiert werden können. Das System erlaubt den Einsatz unterschiedlicher Antriebskonzepte, rein elektrische, Hybridfahrzeuge mit Diesel, Bio-Diesel, Gas, Batterien oder Brennstoffzellen.

Was an Schienentrassen oder in Innenstädten für Straßenbahnen normal ist, wirkt auf dem eHighway für den Beobachter zunächst einmal gewöhnungsbedürftig. Kommt ein Lkw mit einem Stromabnehmer in den Bereich der Trasse, wird an die Kabel angedockt. Die Fahrzeuge erkennen automatisch bei laufender Fahrt über Sensoren die Leitungen über sich und docken an, ohne langsamer zu werden. Das Stromtanken bei der Fahrt soll dem Aufladen der Batterien dienen. Im Anschluss kann der Laster im Batteriebetrieb weiterfahren. Sind die Akkus leer, übernimmt der Hybridmotor mit Diesel den Antrieb. Wie weit die Lastwagen nach dem Laden mit ihrem Akku dann kommen, ist noch unklar. Dies soll der Feldversuch zeigen. Der Erfolg hängt aber unter anderem auch vom Gewicht der Fahrzeuge ab.

Die Batterie-Lastwagen kommen
Mercedes-Benz Urban eTruck Quelle: Daimler
Der Elektro-Lastwagen von Daimlers US-Marke Freightliner bei der Präsentation und Testfahrt auf dem US-Highway 15 vor drei Jahren. Quelle: dpa
Tesla Semi Truck Quelle: Tesla
Mercedes-Benz eTruck Quelle: Daimler
Bereits im ersten Quartal 2018 bringt die Konkurrenz eine elektrische Lkw-Flotte auf die Straße: Zusammen mit neun österreichischen Logistikern erprobt Lkw-Hersteller MAN den Einsatz von elektrischen Verteiler-Lkw im Alltag. Die Fahrzeuge der TGM-Baureihe haben einen 250 kW-Elektromotor und werden mit einer elektrischen Reichweite von 200 Kilometern ebenfalls in der City-Logistik eingesetzt. MAN hat angekündigt ab Ende 2018 eine Kleinserie von weiteren E-Trucks aufzulegen, eine Großserienfertigung ist für 2021 geplant.
Scania Oberleitung Lkw Quelle: Scania
Siemens Oberleitung Quelle: Siemens-Pressefoto

„Wir müssen in innovative Lösungen investieren“, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter, bei der Inbetriebnahme der Strecke. Es gebe große Herausforderungen beim Klimaschutz auch im Verkehrsbereich, und irgendwo müsste ja mal angefangen werden. Das Bundesumweltministerium hat die fünf Kilometer lange Strecke zwischen Langen und Weiterstadt mit knapp 14,6 Millionen Euro finanziert. Weitere rund 15 Millionen Euro sollen in Datensammlungen und Auswertungen bis 2022 fließen.

„Der Güterverkehr wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen“, sagte die Staatssekretärin. Der Ausstoß von Treibhausgasen habe sich aber seit 1990 nicht gesenkt. „Es ist genau richtig, diese Technik hier auszuprobieren“, sagte der Staatssekretär im hessischen Verkehrsministerium, Jens Deutschendorf, über den Abschnitt. Hier rollen täglich mehr als 130.000 Fahrzeuge, gut zehn Prozent davon sind Lastwagen. „Wenn das Oberleitungssystem hier funktioniert, dann funktioniert es überall.“

Mit dem Projekt Elisa – das ist die Kurzform für elektrifizierter, innovativer Schwerverkehr auf Autobahnen – sollen alle Daten gesammelt werden, die für einen späteren Ausbau in Deutschland relevant sein könnten. Es soll keine Konkurrenz zum Güterverkehr auf der Schiene sein. Nichtsdestotrotz geht es dem Bundesumweltministerium zufolge darum, sich Modelle anzuschauen, was für die Zukunft die beste Variante für den Schwerlastverkehr auf der Straße ist. Für insgesamt drei Teststrecken gibt das Umweltministerium knapp 50 Millionen Euro aus, knapp 15 Millionen alleine für den Abschnitt auf der A5. Zwei weitere Teststrecken sollen in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg entstehen. Auf der Autobahn 1 zwischen Reinfeld und dem Autobahnkreuz Lübeck soll auf je fünf Kilometern pro Richtung eine Oberleitung für schwere Lastwagen erprobt werden. In Baden-Württemberg will man die Technik auf der Bundesstraße 462 (zwischen Rastatt und Rottweil) auf einer Strecke von rund sechs Kilometern in beide Fahrtrichtungen testen.

Sollte sich ein System als für den Schwerlastverkehr tauglich zeigen, müssten keineswegs alle Autobahnen voll elektrifiziert werden. Schätzungen des Ministeriums zufolge wären in Deutschland rund 1000 Kilometer betroffen. Die Kosten: Rund eine Million Euro pro Kilometer, also rund eine Milliarde Euro.

Untersucht werden sollen zudem Auswirkungen auf den Verkehr, ökologische und ökonomische Aspekte oder auch der Mehraufwand für die Straßenmeistereien, sagte Projektleiter Achim Reußwig von der Verkehrsbehörde Hessen mobil. Unklar sei auch, wie später der abgezapfte Strom in Rechnung gestellt wird. Während der Projektphase zahlt den das Bundesumweltministerium. Offen sind auch Belastungen für Spediteure, wenn sie ihre Fahrzeugflotten umstellen müssen.

Ein Diesel-Hybrid-Lkw mit Stromabnehmer kostet rund 150 bis 175 Prozent von dem, was ein herkömmlicher Lkw kostet, wie Thiemo Freyer vom Fahrzeughersteller Scania erläutert, der die Prototypen gebaut hat. „Die Technologie ist nicht im Handel, aber marktreif.“ Allerdings ist die Reichweite der Lastwagen nur mit Batterieantrieb im Augenblick noch kurz – maximal zehn Kilometer. Ziel ist Freyer zufolge eine Reichweite von 60 Kilometern.

„In Zukunft wird CO2 einen Preis haben müssen“, sagte Julius Jöhrens vom Forschungsinstitut ifeu in Heidelberg, das Elisa begleitet. Höhere Fahrzeugkosten müssten mit geringeren Energieausgaben kompensiert werden.

In Schleswig-Holstein soll auf der A1 bei Lübeck getestet werden, ob eine Anbindung an einen Hafen funktioniert. In Baden-Württemberg soll auf einer Bundesstraße die Tauglichkeit für Ortsdurchfahrten geprobt werden. Erste Strecken gibt es bereits in der USA und in Schweden. Auch in Norditalien gibt es Reußwig zufolge bereits Planungen für einen eHighway. „Klar muss man das System europaweit denken.“

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