Elektro-Lkw-Bauer Zwei Deutsche haben die härtesten Jobs in der US-Autobranche

Ex-Opel-Chef Lohscheller soll CEO beim US-Truckbauer Nikola werden. Quelle: imago images

Ex-BMW-Manager Breitfeld hält den Luxuslimousinen-Hersteller Faraday Future über Wasser. Beim LKW-Anbieter Nikola Motors wird der einstige Opel-Chef Lohscheller zum CEO aufsteigen. Die Herausforderungen sind immens.

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Deutsche Automanager haben in den USA einen guten Ruf. Besonders für schwierige Aufgaben. So wie der einstige BMW-Manager und Byton-Gründer Carsten Breitfeld, der vor drei Jahren den Chefsessel bei Faraday Future übernahm. Beobachter hielten dies für ein Himmelfahrtskommando, weil der kalifornische Elektroautohersteller zwar einen Prototyp für eine Luxuslimousine vorzuweisen hatte, aber unter finanziellen Problemen ächzte. Inklusive einem Exodus von Talenten und angespannte Beziehungen mit Investoren. Breitfeld hat gegen alle Skeptiker und selbst durch die Covid-Krise Faraday über Wasser gehalten, konnte immer wieder zusätzliches Kapital auftreiben und ist momentan dabei, die Produktion seines FF91 in einer eigenen Fabrik in Kalifornien zu starten. Aber es bleibt ein täglicher Kampf.

Bei Nikola Motors ringt Michael Lohscheller mit ähnlichen Herausforderungen. Der langjährige VW-Manager und dann Chef der Adam Opel AG hat bei dem auf Elektro- und Wasserstoff Trucks fokussierten Hersteller aus Arizona eine Blitzkarriere hingelegt. Erst im März heuerte er dort an, ist dort für die Serienproduktion des batterieelektrischen LKW „Nikola Tre“ zuständig und steigt kommenden Januar zum Chef von Nikola Motors auf. Es half, dass Stephen Girsky, der ehemalige General Motors Vize-Verwaltungsratschef und kurzzeitige Europachef von Opel, bei Nikola einer der wichtigsten Investoren und zugleich Chef des Verwaltungsrates ist. Girsky lobt den Deutschen für seine Agilität und „schnelle Entscheidungsfindung“ in den höchsten Tönen. Er scheint in nur ein paar Monaten großen Eindruck bei Nikola gemacht zu haben.

Lohscheller hat es auf den ersten Blick etwas einfacher als Breitfeld. Sein Vorgänger Mark Russell hat in den vergangenen zwei Jahren bereits viele Kastanien aus dem Feuer geholt, Nikola vor der Pleite bewahrt. Denn das Image von Nikola ist, freundlich formuliert, angeschlagen.

Im September 2020 wurde sein schillernder Gründer Trevor Milton zum Rücktritt gezwungen. Der hatte es mit der Wahrheit nicht immer genau genommen. Das Genick brach ihm allerdings eine Analyse des Shortsellers Hindenburg Research. Dessen Chef Nathan Anderson ging einem Bericht von Bloomberg nach, dass Milton bei der Präsentation seines batterieelektrischen LKWs im Jahr 2017 schwer getrickst hatte, dieser gar nicht fahrbereit war. Anderson brachte ehemalige Mitarbeiter zum Reden und funkte dabei mitten in einen Coup von Milton hinein, der General Motors Chefin Mary Bara fast zu einem großen Investment in Nikola Motors überredet hatte. Zunächst hielten General Motors und Aktionär Bosch noch zu Milton, ließen ihn dann allerdings fallen. Kurz vor der Enthüllung konnte Milton sein Unternehmen noch via Aufkauf durch einen Börsenmantel an die Nasdaq führen, was den Wert des Startups auf bis zu 35 Milliarden Dollar hochschraubte. Seitdem hat es rund neunzig Prozent an Wert verloren, war inmitten des Falls von Technologiewerten im Juni nur noch zwei Milliarden Dollar wert. Momentan sind es drei Milliarden Dollar. Der ehemalige Aktionär Bosch hat seinen Anteil auf unter fünf Prozent reduziert.

Negative Schlagzeilen sind im September zu erwarten. Dann muss sich Milton, immer noch einer der größten Aktionäre von Nikola Motors, wegen Anlagebetrugs vor Gericht verantworten. Dort wird auch die Frage aufkommen, was sein Nachfolger Russell wusste. Er war immerhin unter der Ägide von Milton für die Produktion verantwortlich, heuerte allerdings erst nach der Skandal-Präsentation an.

Russell hat jedoch in enger Kooperation mit Girsky Nikola zwei Jahre lang gegen alle Zweifel über Wasser gehalten. Es ist ein guter Zeitpunkt für ihn, die Stafette an Lohscheller zu übergeben. Denn momentan sieht es für Nikola, gemessen an den turbulenten Zeiten seit Miltons Rauswurf, gut aus. Vor allem weil seine Elektro-LKWs endlich vom Band laufen, im März startete die Fertigung in Nikolas Werk in Arizona.

Noch in überschaubarer Anzahl, 50 Exemplare im zweiten Quartal. Sie kosten im Schnitt 325.000 Dollar. Der Umsatz ist deshalb noch bescheiden, gerade mal 18,1 Millionen Dollar im zweiten Quartal bei einem Verlust von 173 Millionen Dollar. Aber er übertraf die Schätzungen der Analysten. Wichtige Kunden sind der Logistikanbieter TTSI, der Bierhersteller Anheuser Busch, der schwedische Möbelhändler IKEA und Univar Solutions, das auf Gefahrguttransporte von Chemikalien spezialisiert ist. Die Handelskette Wal-Mart testet derzeit elektrische LKWs von Nikola sowie dessen Wettbewerber Daimler Truck.

Startkunde TTSI hat nicht nur 30 elektrische Zugmaschinen bestellt, sondern auch 70 Wasserstoff-LKWs. Momentan erprobt TTSI Wasserstoff-Prototypen von Nikola. In Serie gehen sollen sie nächstes Jahr.

Die Beziehungen zur Wall Street sind immer noch angespannt. Lohscheller kommt entgegen, dass er große Erfahrung mit Investoren hat, auch international. Er war bereits Finanzchef bei Mitsubishi Europa, danach bei Volkswagen Amerika und schließlich über fünf Jahre bei Adam Opel, bevor er dort 2017 zum CEO aufstieg.
Außerdem muss er die Probleme bei der Lieferkette lösen. Als kleiner Anbieter mit geringer Abnahmemenge, dazu noch mit belasteten Ruf, hat Nikola wenig Verhandlungsspielraum bei Zulieferern. Besonders die gestiegenen Akkupreise machen Nikola zu schaffen. Laut Nikola Finanzchef Kim Brady machen sie bis zu 40.000 Dollar pro Modell aus. Der Batteriezellen-Zulieferer LG Chem erhöhte die Preise für Nikola kürzlich um 30 Prozent.

Die Versorgung mit Akkus ist weiterhin angespannt. Nikola war deshalb gezwungen, seinen Akkupack-Zulieferer Romeo Power für 144 Millionen Dollar zu übernehmen, auch weil dieser in finanziellen Schwierigkeiten war. Keine leichte Entscheidung, weil Nikola nur noch rund eine halbe Milliarde Dollar auf der hohen Kante hat, was beim derzeitigen Verlust für ungefähr ein Jahr reicht. Gleichzeitig hält Nikola an seinem Vorhaben fest, auch Wasserstoff-LKWs auf die Straße zu bringen, baut deshalb gerade drei Wasserstoff-Tankstellen in Kalifornien. Allerdings in Kooperation mit Partnern, so dass Nikola nicht alle Kosten schultern muss.

Entgegen kommt Nikola, dass es seine erhöhten Preise weitergeben kann. Die Kunden haben derzeit keine Wahl. Der Wettbewerb hinkt hinterher. Daimler Truck will bei seinem Freightliner Sattelschlepper e-Cascadia in Kürze die Serienproduktion starten. Teslas Semi Zugmaschine ist seit Jahren verzögert. Am Mittwoch kündigte Tesla-Chef Elon Musk über Twitter an, sie noch in diesem Jahr auszuliefern.

Falls das US-Repräsentantenhaus US-Präsident Bidens sogenannten „Inflation Reduction Act“ verabschiedet, regnet es ab Januar Subventionen für abgasfreie Antriebe. Bei elektrischen und Wasserstoff-Zugmaschinen immerhin bis zu 40.000 Dollar. Dafür müssen diese jedoch in den USA gefertigt werden, ebenso wie das Gros der Batterien. Außerdem gibt es die Auflage, dass 40 Prozent der verwendeten Rohstoffe aus Ländern stammen müssen, mit denen die USA Freihandelsabkommen haben. Letzteres hofft die US-Autobranche aufweichen zu können, weil die Hürde wegen der Lieferprobleme zu hoch ist. Nikola fertigt seine Produkte in den USA, hat nun sogar einen eigenen Akkupack-Zulieferer und sollte deshalb die meisten Auflagen erfüllen.

Der Kapitalbedarf für Nikola bleibt weiterhin hoch. Das Werk in Arizona, das derzeit 2500 Trucks im Jahr fertigen kann, soll im nächsten Jahr auf 20.000 aufgestockt werden. Außerdem betreibt Nikola gemeinsam mit Partner Iveco in Ulm ein Werk, dessen Kapazität von derzeit 2000 Trucks auf 10.000 erweitert werden soll. Dort läuft derzeit die Fertigung seiner Elektro-Lastwagen an, die für den europäischen Markt bestimmt sind. Im ersten Halbjahr 2024 sollen Wasserstoff-LKW dazukommen.

Im Gegensatz zur Konkurrenz wie Tesla, die sich nur auf Elektroantriebe fokussiert, hält Nikola weiter an Wasserstoff fest und will sich auch mit seinen Wasserstoff-Tankstellen abheben. Das alles kostet. Lohscheller muss gleichzeitig Kunden nicht nur vom Elektro-, sondern auch Wasserstoffantrieb überzeugen, doppeltes Risiko also.

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Der künftige Nikola CEO muss nun all diese Bälle in der Luft halten, vor allem die nötigen Gelder für die Investitionen sichern, am besten durch höhere Auslieferungen seiner Elektro-Lastwagen. Keine leichte Aufgabe, zudem noch bei steigenden Preisen für die Komponenten. Ein Grund, warum die Nikola Aktie sich bei der Bekanntgabe des anstehenden Chefwechsels kaum bewegte. Allerdings stürzte sie durch den überraschenden Wechsel auch nicht ab, dank Lohschellers gutem Ruf in der Autobranche. Was bei Nikola schon ein Erfolg ist.

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