Elektro-Mobilität Daimler-Betriebsrat fürchtet Jobschwund durch E-Autos

Die geplante Elektroauto-Offensive bei Daimler sollte nach Ansicht von Betriebsratschef Michael Brecht mit einem Umbau der Produktion einhergehen. Sonst drohe ein Beschäftigungsschwund.

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Denn mit der fortschreitenden Verdrängung des arbeitsintensiven Verbrennungsmotors durch einfachere Elektromotoren käme es sonst zu Beschäftigungsschwund in den eigenen Werken, sagte Brecht in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. "Das wird deutliche Effekte auf die Beschäftigung haben, wenn es uns nicht gelingt, an der Fertigungstiefe teilzuhaben", sagte Brecht, der zugleich stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender von Daimler ist. "Wir wollen aber, dass die deutschen Daimler-Standorte an der Elektrostrategie des Unternehmens partizipieren und zwar nicht nur in der Forschung und Entwicklung, sondern auch in der Fertigung."

Diese Elektroautos gibt es zu kaufen
Smart fortwo electric drive Quelle: Daimler
VW e-Up! Quelle: Volkswagen
BMW i3BMW ist mit dem i3 einen mutigen Schritt gegangen: Die Münchner haben nicht nur ein futuristisches Design gewagt, sondern auch gleich eine Kohlefaser-Karosserie in Serie gebracht. Alle anderen Elektroautos auf dem Markt basieren auf mehr oder weniger mutig gezeichneten Stahl- und/oder Alu-Karosserien. Deutlich über 2000 i3 sind bereits auf deutschen Straßen unterwegs. Dabei fällt er stärker auf als andere Elektroautos, denn sein extrovertiertes Design polarisiert. Minuspunkt: Beim Laden ist der Elektro-BMW nicht der allerschnellste, da er nicht mit den dafür nötigen Schnelllade-Standard unterstützt. In der Preisliste steht der i3 ab 34.950 Euro.Leistung: 170 PSAkku: 18,8 kWhReichweite: 190 km Quelle: BMW
Nissan Leaf Quelle: Nissan
Volkswagen e-Golf Quelle: Volkswagen
Renault Zoë Quelle: Renault
Mitsubishi EV/Peugeot iOn/Citroën C-Zero Quelle: Mitsubishi

Die Daimler AG fertige heute kaum Elemente für die Elektromobilität selbst. Die Tochter Deutsche Accumotive aus Kamenz baut Batterien. Elektromotoren produziert der Autobauer zusammen mit Bosch im Gemeinschaftsunternehmen EM-motive in Hildesheim. Vom Antriebsstrang der Benzin- und Dieselmotoren dagegen produziert der Konzern einen großen Teil selbst. Deren rückläufige Zahl würde sich nach Einschätzung Brechts nicht nur auf die Aggregatewerke von Mercedes-Benz - vor allem auf den größten Standort dafür am Konzernsitz Stuttgart-Untertürkheim - auswirken, sondern auch auf Montagewerke wie Rastatt oder Bremen. "Die Zahl der Arbeitsplätze beim Elektromotor zu Verbrenner ist grob das Verhältnis eins zu zehn."

Um mehr Klarheit zu gewinnen, hätten Vorstand und Betriebsrat vereinbart, eine gemeinsame Studie aus dem Jahr 2012 zu aktualisieren und auf alle Standorte auszudehnen. Denn inzwischen sei von stärkerem Wachstum bei Elektroautos auszugehen, sagte Brecht. Alle Autobauer stellen sich auf mehr Nachfrage nach strombetriebenen Fahrzeugen ein, wenn im kommenden Jahrzehnt neue Batterien billiger werden und mehr Reichweite bieten. Daimler will einem Insider zufolge auf der Automesse in Paris Ende des Monats Pläne für ein halbes Dutzend neue Modelle präsentieren. In der Studie von 2012 sei nur der Effekt auf die Aggregateproduktion, also auf Motoren, Getriebe und Achsen, betrachtet worden, sagte Brecht. "Die Auswirkungen auf Montagewerke sind unklar. Ich bin aber sicher, es hat auch hier Effekte, wenn auch nicht so große."
Der Betriebsratschef fordert deshalb mehr Eigenproduktion für Elektroautos. Mit viel Begeisterung des Daimler-Vorstandschefs rechnet er nicht, da der Konzern seit Jahren den von Anlegern kritisierten hohen Eigenanteil durch Auslagerungen abzubauen versucht. "Das mag keine Priorität haben für Dieter Zetsche", sagte Brecht. "Es kann aber nicht sein, dass wir dann eines Tages leer stehende Gebäude und Flächen haben." Ein Wachstum außerhalb des Konzerns könne er sich dann nicht vorstellen, signalisierte er Widerstand gegen künftige Pläne zur Fremdvergabe.

Arbeiten im Schwarm

Daimler ist derzeit angesichts der tiefgreifenden Veränderung der Branche durch Elektrifizierung, Digitalisierung und autonomes, vernetztes Fahren im Umbruch. Vorstandschef Zetsche hat einen Wandel der bislang hierarchisch geprägten Führungskultur eingeleitet, um mehr Innovationstempo reinzubringen. Unter Beteiligung von rund 1000 Mitarbeitern werden neue Arbeitsweisen entwickelt. "Das hat es so noch nie gegeben. Das war ein richtig gutes Gefühl, quer durch die Welt über Hierarchiestufen hinweg vernetzt zu sein und in verschiedenen Runden zu diskutieren: Was würdest Du verändern?", sagte Brecht. Zetsche kündigte an, binnen eines Jahres 20 Prozent der rund 280.000 Beschäftigten befreit von Hierarchien und Abteilungsgrenzen in "Schwarmorganisation" arbeiten zu lassen.

Für diese Autos gibt es die Elektro-Kaufprämie
Der kompakte Nissan Leaf profitiert nach der Ankündigung der staatlichen E-Auto-Prämie von einer Aktion Quelle: Presse
Der Kleinwagen Renault Zoe ist der aktuelle E-Auto-Bestseller in Europa.Hierzulande steht der Franzose für mindestens 21.500 Euro in der Preisliste, hinzu kommt eine monatliche Batteriemiete von mindestens 49 Euro. Renault hat angekündigt, zusätzlich zum Herstelleranteil weitere 1.000 Euro vom Preis nachzulassen, der Kunde zahlt also insgesamt 5.000 Euro weniger. Der Elektromotor leistet maximal 65 kW/88 PS. Damit kommt der Renault Zoe in 13,5 Sekunden bis auf Tempo 100, maximal bei 135 km/h. Als Reichweite gibt Renault 210 Kilometer an. Je nach Methode dauert das Aufladen der Akkus zwischen 30 Minuten und 9 Stunden. Quelle: Presse
Der kompakte Nissan Leaf profitiert nach der Ankündigung der staatlichen E-Auto-Prämie von einer Aktion:Der japanische Hersteller hat angekündigt, nicht nur den geforderten Industrieanteil von 50 Prozent zu zahlen, sondern mit dem Preis seiner E-Autos um weitere 1.000 Euro runterzugehen. Der regulär ab 23.365 Euro erhältliche Kompaktwagen wird somit 5.000 Euro günstiger. Hinzu kommt die Batteriemiete von 79 Euro pro Monat. Den 80 kW/109 PS starken Stromer gibt es in zwei Varianten: mit einer 24 kWh oder 30 kWh großen Batterie. Mit dem stärkeren Akku steigt die Reichweite des Kompakten auf 250 Kilometer. Quelle: Presse
Die baugleichen Elektro-Kleinstwagen Citroen C-Zero, Mitsubishi Electric Vehicle (Foto) und Peugeot Ion stellen eine Leistung von 49 kW/67 PS bereit Quelle: Presse
Peugeot IonDer Franzose ist Teil eines Trios, denn er ist baugleich mit den Elektro-Kleinstwagen Citroen C-Zero und Mitsubishi Electric Vehicle. Mit 49 kW bzw. 67 PS beschleunigen alle drei von 0 auf 100 km/h in 15,9 Sekunden und erreichen eine Maximalgeschwindigkeit von 130 km/h. Rund 150 Kilometer reicht der Akku, die Ladezeit liegt zwischen 30 Minuten (80 Prozent) und neun Stunden. Die Preise für den C-Zero und den Ion starten bei 19.390 Euro. Das dritte Modell im Trio, das Mitsubishi Electric Vehicle, kostet ab 23.790 Euro. Quelle: Presse
Die Elektro-Version des Kleinstwagens VW Up kommt inklusive Batterie und kostet 26.900 Euro Quelle: Presse
Smart for two electric drive (bis 2015)Der Smart Fortwo Electric Drive  befindet sich gerade im Wechsel der Modellgenerationen. Die alte mindestens 23.680 Euro (inkl. Akku) teure Generation mit 55 kW/75 PS starkem Elektromotor wird nicht mehr produziert, bei einigen Händler sind aber noch vorkonfigurierte Neufahrzeuge erhältlich. Das auf der aktuellen Generation Smart basierende neue E-Auto kommt Ende des Jahres auf den Markt. Neben dem zweisitzigen Smart Fortwo und seinem Cabrio-Ableger wird erstmals den viersitzige Smart Forfour mit E-Motor geben. Der 65 kW/88 PS starke Antrieb stammt vom Zoe des Kooperationspartners Renault. Quelle: Presse

Der Betriebsrat unterstütze die Pläne, erklärte Brecht. Aber Zetsches Ziel sei "schon sehr forsch". Die Organisation dürfe nicht überfordert werden, und ganz ohne Regeln gehe es nicht. "Verabredet ist, dass wir zunächst kleine Pilotprojekte dazu machen, um Erfahrungen zu sammeln und das auszuwerten." Es sei nicht unbedingt eine Betriebsvereinbarung notwendig, über die lange verhandelt werde, aber zumindest ein Rahmen. So sei zu klären, ob eine halbes Jahr Projektarbeit eine Versetzung sei, bei der die Betriebsräte mitzubestimmen hätten. Auch die Bezahlung sei ein Thema: "Wenn es keine Hierarchie mehr gibt und jeder den gleichen Anteil bringt, ob dann auch alle das gleiche Geld kriegen?"

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