Alle reden von der Reichweite. Geht es um Elektroautos, kommt das Gespräch schnell auf eine der Grundängste der Autofahrer: mit leerem Akku liegenzubleiben. Ohne Strom geht nichts in einem Elektroauto, einfach etwas Benzin aus einem Kanister nachfüllen geht nicht. Eine Ladesäule muss her, und zwar dringend.
Dass die Akku-Angst deutsche Autofahrer vom Kauf eines Elektroautos abhält, haben schon diverse Umfragen gezeigt. 2014 wurden hierzulande gerade einmal 8500 E-Autos neu zugelassen, damit sind derzeit rund 24.000 Elektroautos auf in Deutschland unterwegs – inklusive der teilelektrischen Plug-In-Hybride. Das Ziel der Bundesregierung, bis 2020 eine Million Stromer auf der Straße zu haben, ist in schier unerreichbare Ferne gerückt.
Die Reichweiten-Sorgen will der Elektro-Pionier Tesla jetzt gelöst haben – per Software-Update. Das System soll den Fahrer davor warnen, unabsichtlich wegen einer zu geringen Reichweite liegen zu bleiben. „Es wird unmöglich sein, die Batterie leer zu fahren, wenn man es nicht mit voller Absicht tut“, kündigte Tesla-Chef Elon Musk kürzlich an.
Vernetzte Ladestationen
Die Idee der Kalifornier: Die Ladestationen sollen nicht nur in einer Karte verzeichnet, sondern auch intelligent miteinander vernetzt werden. Mit der neuen Software überprüft das Tesla Model S alle 30 Sekunden, welche Ladestation für den aktuellen Standort die beste ist und ob sie noch frei ist. „Es gibt viele Tesla-kompatible Ladestationen, etwa bei Hotels, die einfach vernetzt werden müssen, damit sie im System auftauchen und die Autos sie ansteuern können“, so Musk.
Umstrittene Förderung für Elektroautos
Beim Kampf gegen die Erderwärmung geraten immer wieder die Autofahrer in den Blick. Der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) geht in Deutschland nämlich zu einem Sechstel auf das Konto des Straßenverkehrs. Als klimaschonende Variante gelten Elektroautos, die nicht mit Benzin, sondern mit Strom angetrieben werden. Deshalb will der Bundestag am Donnerstagnachmittag ein Gesetz verabschieden, das einige Privilegien für die Besitzer von E-Autos vorsieht.
Wenn es nach der Bundesregierung geht: viel zu wenige. Bis zum Jahr 2020 wird nämlich die Zielmarke von einer Million E-Autos angepeilt. Zu Jahresbeginn waren es aber nur 18.948 Fahrzeuge mit reinem Elektromotor sowie 107.754 Hybrid-Autos, die sowohl mit einem Elektro- als auch mit einem herkömmlichem Verbrennungsmotor fahren können. Im Vergleich zu den bundesweit 44,4 Millionen zugelassenen Pkw ist der Anteil der Elektroautos aber verschwindend gering.
Zum einen ist der Anschaffungspreis relativ hoch: So kostet der VW-Kleinwagen Up! in der Elektroversion mit fast 27.000 Euro etwa dreimal so viel wie das Basismodell. Ein weiteres Problem ist die Reichweite: Derzeit muss ein reines E-Auto im Schnitt nach 150 Kilometern neu geladen werden, doch dafür fehlt vor allem auf dem Land die notwendige Infrastruktur. Und die niedrigen Spritpreise motivieren derzeit auch nicht gerade zum Abschied vom Benziner.
Eine staatliche Kaufprämie, die immer wieder gefordert wird, ist derzeit nicht vorgesehen. Stattdessen sollen E-Autos die innerstädtischen Busspuren nutzen können und spezielle, kostenfreie Parkplätze erhalten. Allerdings schafft der Bundestag mit seinem Gesetz lediglich die rechtliche Grundlage dafür. Ob den Elektroautos tatsächlich solche Privilegien eingeräumt werden, muss jede Kommune für sich selbst entscheiden.
Eher nicht. Kaum eine deutsche Großstadt will ihre Busspuren für Elektroautos öffnen. So haben Berlin, Hamburg und München bereits deutliche Ablehnung signalisiert: Mit Bussen, Taxis und Krankenwagen sei bereits die Grenze der Belastbarkeit erreicht. Auch der Deutsche Städtetag warnt, die Zulassung weiterer Fahrzeuge auf der Busspur würde den öffentlichen Nahverkehr verlangsamen. Die Forderungen nach staatlichen Kaufanreizen reißen ebenfalls nicht ab. So wünscht sich die Autoindustrie großzügige Steuererleichterungen für elektronische Firmenwagen. Für Privatleute brachte der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) eine Kaufprämie von 5000 Euro ins Gespräch. Ähnliche Regelungen gibt es bereits in Frankreich und China. Doch davon will die Bundesregierung nichts wissen.
Die Lösung von Tesla setzt also nicht auf größere Batterien, die höhere Reichweiten ermöglichen, um die Zweifel der Kunden zu zerstreuen. „Wir könnten bereits heute Batterie-Packs bauen, die Reichweiten von 500 Meilen möglich machen“, sagt Musk. „Die Fahrer würden im Alltag dann aber sehr viel ungenutzte Kapazität mit sich herumschleppen. Und das wird schwer und auch teuer. Ich halte Batterien mit einer Reichweite von 250 bis 300 Meilen für optimal.“
Das Aufladen dauert Stunden
Auch wenn sich die Reichweiten-Angst – zumindest für Tesla-Fahrer – mit einem intelligenten und engmaschigen Ladenetz umgehen lässt, ein Problem bleibt: Das Aufladen der Akkus dauert Stunden. Für die Alltagstauglichkeit von Elektroautos ist auch entscheidend, wie schnell der Stromspeicher wieder voll ist. Und bei den Ladezeiten gibt es gewaltige Unterschiede. Denn auch Strom ist nicht gleich Strom – auf Leistung und Spannung kommt es an.
Dirk Uwe Sauer, Professor für Energiewandlung und Speichersystemtechnik an der RWTH Aachen, hält eine Verbesserung der heutigen Ladezeiten für nötig. „Bei Elektroautos mit einer Reichweite von 300 Kilometern sollte das Aufladen idealerweise nicht länger als 15 Minuten dauern“, sagt Sauer. Doch selbst der inoffizielle Schnelllade-Meister, der Renault Zoë, hängt derzeit noch mindestens eine Stunde am Netz, bis der Akku voll ist – für rund 150 Kilometer.
Wallbox für Garagenbesitzer
Entscheidend ist, woher der Strom kommt. Die Haushaltssteckdose liefert Wechselstrom mit einer Spannung von 230 Volt – diese Zahl kennt jeder. Viel entscheidender ist aber eine andere Zahl: Die Steckdose liefert eine Leistung von 2,4 Kilowatt. Um zum Beispiel einen Nissan Leaf, dessen Akku 24 Kilowattstunden (kWh) fasst, voll zu laden, dauert es mit dieser Leistung zehn Stunden. Ein Tesla Model S mit bis zu 85 kWh hängt sogar 36 Stunden am Kabel.
Elektroauto-Absatz 2014 in Deutschland
Modell: Audi A3 e-tron
Verkaufte Autos: 460 Fahrzeuge
Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt KBA
Modell: Renault Twizy
Verkaufte Autos: 573 Fahrzeuge
Modell: VW E-Golf
Verkaufte Autos: 601 Fahrzeuge
Modell: Nissan Leaf
Verkaufte Autos: 812 Fahrzeuge
Modell: Tesla Model S
Verkaufte Autos: 814 Fahrzeuge
Modell: Mitsubishi Outlander PHEV
Verkaufte Autos: 1.068 Fahrzeuge
Modell: VW E-Up
Verkaufte Autos: 1.354 Fahrzeuge
Modell: Renault Zoë
Verkaufte Autos: 1.498 Fahrzeuge
Modell: Smart Fortwo ED
Verkaufte Autos: 1.589 Fahrzeuge
Modell: BMW i3*
Verkaufte Autos: 2.231 Fahrzeuge
*inklusive Modelle mit Range Extender
Abhilfe könnte eine Wallbox schaffen – eine Art Ladestation, die sich Garagenbesitzer an ihren Stellplatz bauen können. Je nach Modell schaffen die Geräte bis zu 22 kW. Mit der hohen Ladeleistung sinkt die Ladezeit entsprechend. Statt der 36 Stunden an der Haushaltssteckdose ist der Akku des Model S an einer 22-kW-Säule bereits nach etwas mehr als vier Stunden voll.
Auch die meisten öffentlichen Ladesäulen arbeiten nach dem 22-kW-Prinzip. Das Wechselstrom-System ist preisgünstig in der Anschaffung und theoretisch fast überall umsetzbar.