„Wir wollen eine Führungsrolle in einer neuen Ära der Mobilität einnehmen.“ Mit diesen markigen Worten hatte Chefentwickler Nick Sampson im Januar dieses Jahres den FF91 vorgestellt. Das erste Serienauto von Faraday Future, ein Elektro-SUV mit 600 Kilometern Reichweite, das dennoch schneller als ein Ferrari beschleunigen soll. Ein wahrer Tesla-Fighter.
Nur: Mit jedem Monat sinken die Chancen, dass der FF91 jemals in Serie gebaut wird. Die Pläne für eine eigene Fabrik in New Mexico wurden radikal zusammengestrichen, ein Spitzenmanager nach dem anderen kündigt oder wird gekündigt, das Geld wird knapp.
Der Erfolg von Tesla hat nicht nur internationale Großkonzerne wie General Motors, Volkswagen, Daimler oder BMW aufgeschreckt, sondern auch viele Nachahmer angezogen. Klar ist: Elektroautos sind einfacher zu entwickeln als jene mit Verbrennungsmotor. Bei Benzin und Diesel wird es kaum ein Start-up schaffen, gegen das Knowhow der Ingenieure in Wolfsburg, Stuttgart oder Detroit anzukommen.
Doch den Weg von Elon Musk zu wählen und leistungsstarke Premiumkarossen mit enormen Reichweiten zu bauen, ist vor allem eines: teuer. Tesla schreibt mit der Ausnahme eines einzigen Quartals durchgängig Verluste. Und um andere Herausforderer wie Thunderpower oder Nio ist es in den letzten Monaten sehr ruhig geworden.
eGo Mobile: Von der Uni auf die Straße
Stattdessen drängen andere Firmen ins Rampenlicht, die genau den entgegengesetzten Weg gehen: Anstatt große und schwere Autos mit aufwändigen und teuren Batterien zu bauen, machen sie aus der Not eine Tugend. Also kleine Stadtautos für zwei Personen, die ungefähr 150 Kilometer rein elektrisch fahren können. Und das zu einem unschlagbar günstigen Preis.
Das in Deutschland berühmteste Beispiel dafür ist der Streetscooter – jener Elektro-Lieferwagen, der als Studentenprojekt an der RWTH Aachen begann und inzwischen von der Deutschen Post aufgekauft wurde. Die Produktion läuft, die gelben Lieferkisten tauchen immer häufiger in den Innenstädten auf. Die Post will den Wagen auch an extern verkaufen. Das könnte vor allem für kleine Handwerksbetriebe interessant sein, deren Transporter von eventuellen Dieselverboten betroffen sind. Für alle anderen bietet sich der eGo Life an.
Wie auch die Streetscooter GmbH ist die Firma e.Go Mobile eine Ausgründung der Aachner Hochschule. Im Sommer 2018 sollen die ersten Fahrzeuge ausgeliefert werden. 1200 Exemplare sind schon bestellt, heißt es beim Unternehmen.
Damit der Life auch kommerziell erfolgreich ist, mussten die um Professor Günter Schuh das Konzept nochmal über den Haufen werfen. Ursprünglich sollte das Elektroauto kleines, leichtes Stadtauto mit einem 27 PS (20 kW) starken 48-Volt-Elektromotor werden. „Einige unserer Kunden wünschten sich aber mehr als 20 kW“, berichtet e.Go-Chef Schuh, der auch schon am Streetscooter mitentwickelt hat.
Partner Bosch hat das letztlich möglich gemacht und die Antriebskomponenten für den Life skaliert. Im Sommer 2018 kommt der Stromer deshalb in den Leistungstypen 20, 40 und 60 kW auf den Markt.
Elektroautos im Kostenvergleich
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
BMW i3 | Strom | 36.150 Euro | 598 Euro | 47,8 Cent |
Mini Cooper S | Super Plus | 26.600 Euro | 542 Euro | 43,4 Cent |
Mini Cooper SD | Diesel | 28.300 Euro | 519 Euro | 41,5 Cent |
Quelle: ADAC
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
Citroën C-Zero | Strom | 19.800 Euro | 433 Euro | 34,6 Cent |
Citroën C1 Vti 68 | Super | 13.900 Euro | 388 Euro | 31,0 Cent |
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
Ford Focus Electric | Strom | 34.900 Euro | 665 Euro | 53,2 Cent |
Ford Focus 1.5 EcoBoost | Super | 25.500 Euro | 618 Euro | 49,4 Cent |
Ford Focus 2.0 TDCi | Diesel | 28.100 Euro | 623 Euro | 49,8 Cent |
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
Hyundai IONIQ Elektro | Strom | 33.300 Euro | 587 Euro | 47,0 Cent |
Hyundai i30 1.6 GDI | Super | 22.630 Euro | 562 Euro | 45,0 Cent |
Hyundai i30 1.6 CRDi blue | Diesel | 24.030 Euro | 548 Euro | 43,8 Cent |
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
Kia Soul EV | Strom | 28.890 Euro | 526 Euro | 42,1 Cent |
Kia Soul 1.6 GDI | Super | 19.990 Euro | 529 Euro | 42,3 Cent |
Kia Soul 1.6 CRDi | Diesel | 23.490 Euro | 539 Euro | 43,1 Cent |
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
Mercedes-Benz B250e | Strom | 39.151 Euro | 713 Euro | 57,0 Cent |
Mercedes-Benz B220 4Matic | Super | 34.076 Euro | 773 Euro | 61,8 Cent |
Mercedes-Benz B220d | Diesel | 36.521 Euro | 728 Euro | 58,2 Cent |
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
Nissan Leaf | Strom | 34.385 Euro | 632 Euro | 50,6 Cent |
Nissan Pulsar 1.2 DIG-T | Super | 22.290 Euro | 574 Euro | 45,9 Cent |
Nissan Pulsar 1.5 dCi | Diesel | 22.690 Euro | 535 Euro | 42,8 Cent |
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
Renault Zoë | Strom | 34.700 Euro | 580 Euro | 46,4 Cent |
Renault Clio TCe 90 | Super | 16.790 Euro | 433 Euro | 34,6 Cent |
Renault Clio dCi 90 | Diesel | 20.290 Euro | 454 Euro | 36,3 Cent |
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
Tesla Model S 60 | Strom | 71.020 Euro | 1206 Euro | 96,5 Cent |
Mercedes-Benz CLS 400 | Super | 63.427 Euro | 1198 Euro | 95,8 Cent |
Mercedes-Benz CLS 350d | Diesel | 62.178 Euro | 1156 Euro | 92,5 Cent |
Hinweis: Da Tesla selbst keine Autos mit Diesel- oder Benzinmotor verkauft, hat der ADAC zum Vergleich den Mercedes-Benz CLS herangezogen.
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
VW e-up! | Strom | 26.900 Euro | 472 Euro | 37,8 Cent |
VW up! 1.0 | Super | 14.255 Euro | 375 Euro | 30,0 Cent |
Zu jeder Leistungsvariante gibt es dann auch eine entsprechend größere Batterie – mehr als 154 Kilometer sind aber selbst mit dem größten Akku nicht drin. Dafür überzeugt der Preis: Das kleinste Modell steht mit 15.900 Euro in der Liste, Preise für die 40er- und 60er-Versionen sind noch nicht bekannt.
Die Kunst des Weglassens macht den Preis möglich. „In brutaler Konsequenz“ habe e.Go den Life so entwickelt, dass er günstig, aber dennoch hochwertig gebaut werden kann. Die Antriebskomponenten kommen von Bosch, die eigene Karosserie ist so simpel wie möglich. Statt auf Blech oder gar Kohlefasern setzt Schuh auf einfachen Kunststoff. Dazu braucht er kein großes Presswerk für die Metallverarbeitung. Und da der Kunststoff direkt in den unterschiedlichen Farben gemischt werden kann, entfällt auch die Lackiererei. Schon ab 7000 verkauften Fahrzeugen pro Jahr soll das Unternehmen mit dem Life Geld verdienen.
Technische Hintergründe zu Akkus
Eine Batterie hat die Aufgabe, beim Aufladen möglichst viele Elektronen aufzunehmen und diese mit möglichst wenigen Verlusten zu speichern. Beim Entladen gibt sie die Elektronen dann wieder ab, um mit diesem Strom zum Beispiel einen Elektromotor oder ein Handy zu betreiben.
Im Akku übernehmen die sogenannten Lithium-Ionen diese Speicheraufgabe: Diesen Atomen fehlt ein Elektron. Daher sind sie elektrisch positiv geladen. Beim Aufladen strömen negativ geladene Elektronen in den Akku und sammeln sich in einem dichten Geflecht aus dem leitfähigen Kohlenstoff Graphit. Dorthin wandern dann auch die positiv geladenen Lithium-Ionen. Jedes von ihnen bindet ein Elektron – man könnte auch sagen, dass jedes Ion ein Elektron festhält, um die Ladungsneutralität zu gewährleisten. Beim Entladen des Akkus verlassen die Elektronen das Graphit nach und nach wieder. Damit wandern auch die positiv geladenen Lithium-Ionen aus dem Graphit-Netzwerk heraus. Später kann der Ladezyklus dann von neuem beginnen.
Je mehr Lithium-Ionen in einen Akku hineinpassen, umso mehr Elektronen und damit Energie können auf gleichem Raum gespeichert werden. Daher arbeitet Bosch schon länger unter anderem daran, den Graphit-Anteil zu reduzieren oder ganz auf das Graphit zu verzichten. Dies würde die Energiedichte des Akkus deutlich steigern. Das scheint jetzt dem Start-up Seeo, das Bosch gekauft hat, gelungen zu sein.
Wenn die Produktion in Aachen anläuft, kann Schuh sein Fachgebiet in die Praxis umsetzen – eigentlich forscht er an der RWTH an der Optimierung industrieller Prozesse.
Uniti: Futuristischer Leichtbau-Zweisitzer aus Schweden
Dieses Produktions-Knowhow hat Uniti nicht – aber ein vielversprechendes Konzept. Ähnlich wie e.Go Mobile ist Uniti Sweden im Sommer 2015 aus einem Uni-Projekt hervorgegangen. Der Elektro-Zweisitzer überrascht nicht nur mit seinem Sitzkonzept (der Beifahrer sitzt wie bei einem Renault Twizy hinter dem Fahrer), sondern auch mit der Bedienung. Klassische Instrumente gibt es nicht mehr, alle Infos werden per Head-up-Display in die Scheibe projiziert. Und auch ein Lenkrad ist nicht vorgesehen, Pedale gibt es auch nicht mehr – gesteuert wird mit einer Art Joystick. Das Serienmodell wird morgen am 7. Dezember in Schweden vorgestellt.
Den ein oder anderen Autofahrer in Deutschland mag dieser Ansatz verstören, bei Investoren kam er aber ausgesprochen gut an: Im Oktober 2016 hat Uniti innerhalb von 36 Stunden über eine Crowdinvesting-Kampagne 500.000 Euro eingesammelt – im November schloss die Kampagne auf dem Portal „FundedByMe“ bei 1,2 Millionen Euro.
Diese Start-ups greifen die großen Hersteller an
Dabei konnten die Macher noch wählerisch sein. „Auf Investoren aus der Automobil-Industrie haben wir bewusst verzichtet“, sagte Unternehmenssprecherin Verena Kitwoski gegenüber „Gründerszene“. 600 Investoren aus 45 Ländern sind es am Ende geworden.
Siemens hilft bei der Produktion
Ganz ohne Hilfe etablierter Konzerne geht es aber doch nicht. Für die Produktion bekommt das schwedische E-Auto-Start-up Hilfe von Siemens Nordics. 50.000 Autos sollen in der ersten Industrie-4.0-Fabrik in Schweden ab 2019 gebaut werden. „Die Partnerschaft mit Siemens ist für unsere langfristigen Pläne entscheidend“, sagte Uniti-CEO Lewis Horne. „Wir haben jetzt die Möglichkeit, in großer Stückzahl zu produzieren, und dass schneller und mit einem deutlich geringeren Startkapital.“
Als möglichen Preis für das Serienfahrzeug nennt Uniti 200.000 Schwedische Kronen, was umgerechnet rund 20.000 Euro entspricht. Da klingt Schuhs Kalkulation beim e-Go Life realistischer, da dieser recht konventionell gebaut ist. Der Uniti kommt zwar auf ähnliche technische Daten (20 PS, 90 km/h Höchstgeschwindigkeit, 150 Kilometer Reichweite), ist aber aufwändiger konstruiert. Das schwedische Minimobil soll nur rund 400 Kilogramm wiegen, weil es vornehmlich aus Biomaterial gebaut werden soll. Dazu kommt dann noch der neuartige Innenraum, der in der Fertigung ebenfalls für Probleme sorgen könnte.
Auch beim Vertrieb setzt Uniti auf einen bekannten Partner: MediaMarkt. Direkt im Anschluss an die Produktvorstellung stehen Autos von Uniti in zwei schwedischen MediaMarkt-Filialen. Dort können die Autos angeschaut und nach dem Probesitzen auch vorbestellt werden. Die Reservierungsgebührt von 149 Euro wird beim Kauf erstattet. „Unsere Produkte passen nicht zum traditionellen Autohändler. Sie gehören neben die neuesten Smartphones und premium Heimelektronik“, sagt Horne. „Deshalb hat die Partnerschaft mit MediaMarkt Schweden, als Teil der größten Unterhaltungselektronik Einzelhandelsgruppe Europas, sehr viel Sinn gemacht
Sono Motors: Der will ohne Steckdose auskommen
Viele Autofahrer können sich tendenziell den Umstieg auf ein Elektroauto vorstellen. Sie schrecken aber derzeit zwei Dinge ab: der hohe und die fehlenden Lademöglichkeiten. Dieses Problem sollen die Fahrer des Sion von Sono Motors nicht haben. Denn das Elektroauto des Münchner Start-ups soll sich über weite Strecken selbst mit Strom versorgen – dank in die Karosserie integrierter Solarzellen.
Während das schwedische Studenten-Projekt Uniti eher einem von Profis durchgestyltem Concept Car ähnelt, wirkt der kleine Van von Sono etwas zusammengebastelt. Beim Entwurf galt die Devise „Form follows function“: Solarzellen sind meist ebene Flächen. Modernes Autodesign zeichnet sich aber durch geschwungene Formen aus. Die Herausforderung: Die Solarzellen müssen nicht nur irgendwie eingebaut werden, sondern sie brauchen für einen höheren Wirkungsgrad den optimalen Winkel zur Sonne. Also Kasten-Design.
Netter Nebeneffekt: Auf einer kleinen Grundfläche ergibt sich so ein großzügiger Innenraum. Immerhin 7,5 Quadratmeter Sonnenkollektoren konnte Sono so auf die Oberfläche des Sion bringen – bei einem Wirkungsgrad von 22 Prozent, wie das Unternehmen angibt.
Der Sion soll mit der Sonne tanken
Die Rechnung, die Sono-Co-Gründer Laurin Hahn aufmacht, ist simpel: Die Solarzellen sollen täglich Strom für bis zu 30 Kilometer Reichweite generieren – auch während der Fahrt. Da ein Auto im Schnitt laut Sono nur 22 Kilometer gefahren wird, wäre der Wagen autark unterwegs. Und hätte sogar noch etwas Strom für bewölkte Tage in der Batterie. Als Stromspeicher will Sono wahlweise eine 14,4-kWh- oder eine 30-kWh-Batterie anbieten, die Reichweiten von 120 respektive 250 Kilometer erlauben.
Um beim Ladestand der Batterie nicht nur auf die Sonne vertrauen zu müssen, kann der Sion natürlich auch an der Steckdose geladen werden. Im Schnelllademodus soll man den Lithium-Ionen-Akku in wenigen Minuten auf 80 Prozent laden können, was auch lange Fahrten ermöglichen soll. Angetrieben wird der 4,11 Meter lange Sechssitzer von einem 68 PS starken Drei-Phasen-Asynchronmotor, der eine Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h ermöglichen soll.
Vollgepackt mit Solarpanels – der Sion im Fahrtest
„Soll“ ist hier das passende Wort: Sono Motors ist noch einige Schritte hinter eGo und Uniti. Das Unternehmen wurde von Hahn, seinem Freund Jona (mit dem er schon einige Zeit in einer Garage an einem E-Auto gewerkelt hat) und seiner Mitbewohnerin Navina erst im Januar 2016 gegründet. Nach erfolgreichen Crowdinvesting-Kampagnen gibt es auch einen fahrbaren Prototypen, aber eben noch keine bevorstehende (Klein-)Serienproduktion. Ab 5000 Vorbestellungen sei eine Fertigung möglich, heißt es. Aktuell gibt es 2642 Reservierungen – es liegt also noch Arbeit von dem kleinen Team aus München.
Viel Arbeit liegt auch noch vor einem anderen Unternehmen, das bald ein Elektroauto auf den Markt bringen will: Dyson. Der britische Staubsauger-Spezialist dürfte dabei eher dem Tesla-Prinzip folgen und weiter oben auf der Preisskala einsteigen. Wer alleine einen Fön für 400 Euro verkauft, wird wohl nicht ein Elektroauto mit einem aufwändig selbst entwickelten Akku für den Preis eines VW Polo verkaufen.