Elektroautos deutscher Hersteller Eine Geschichte der verpassten Chancen

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Smart wird elektrisch – mit fast 25 Jahren Verspätung

Doch die Chemie passte nicht in der schweizerisch-niedersächsischen Liaison. Das Swatch-Team wollte sich an Hayeks Vision halten und arbeitete nach dem Motto „reduce to the max“. Den VW-Leuten habe wiederum schwebte ein Auto vor, „dessen einzige Innovation darin bestand, statt vier Sitzen zwei anzubieten“, lästerte ein damaliger Projektbeteiligter später gegenüber dem Magazin „brand eins“. Volkswagen verlor nach nicht einmal zwei Jahren das Interesse und stieg aus dem Swatch-Projekt aus – kurz nachdem ein gewisser Ferdinand Piëch in Wolfsburg zum Vorstandsvorsitzenden aufgestiegen war.

Im März 1994 stieg Daimler-Benz in das Projekt ein. Doch auch hier kriselte es schnell. Swatch wollte am E-Konzept festhalten und nicht nur ein weiteres kleines Auto bauen. Der damalige Forschungs- und Entwicklungsvorstand der Daimler-Benz AG beharrte auf einem einfachen und günstigen Benzinmotor. Sein Name: Dieter Zetsche.

Zetsche setzte sich durch – das spätere Serienauto bekam einen Benziner. Das Serienauto kennen wir heute als Smart. Und hat mit den Plänen des Swatch-Teams nur noch wenig gemein. Entnervt verkaufte Hayek seine Anteile am Gemeinschaftsunternehmen an die Stuttgarter. Die nächste Chance vertan.

Zetsche mag einen guten Grund gehabt haben, beim Kleinstwagen Smart nicht auf den Elektroantrieb zu setzen – weil er parallel an einem anderen, aus seiner Sicht vielversprechenderen Projekt arbeitete. Der A-Klasse. Eine Besonderheit des 1997 erschienenen Autos war neben der Tatsache, dass der Wagen bei dem bis dahin unbekannten Elchtest umkippte, die Bauweise des kleinsten Mercedes. Statt wie der Golf als klassischer Kompaktwagen, wurde die A-Klasse deutlich höher gebaut. So entstand zwischen Bodenblech und Passagierraum ein Hohlraum – der Sandwich-Boden. „Dieser ist Teil des aufwändigen Sicherheitskonzepts und bietet außerdem Platz für Komponenten möglicher alternativer Antriebe, beispielsweise Batterien oder Wasserstofftanks“, jubelte der Konzern.

Die elektrische A-Klasse war 1997 praxistauglich

Doch es blieb bei „möglich“: Mehrere Prototypen der A-Klasse Electric wurden gebaut, damals noch mit einer sogenannten Zebra-Batterie auf Natrium-Nickelchlorid-Basis – eine exotische Eigenentwicklung, die sich von den üblichen Bleiakkus oder heutigen Lithium-Ionen-Batterien grundlegend unterscheidet. Der Sandwichboden ist im Grunde genommen das, was Tesla und Nissan heute auch machen. Die Reichweite der A-Klasse lag bei 200 Kilometern. Im Jahr 1997.

Doch dann kam die Wende von der Wende: Die Gesetze in Kalifornien, die eine feste Elektroauto-Quote von 1998 an vorsahen, traten doch nicht in Kraft. Und so hat Mercedes die elektrische A-Klasse nicht auf den Markt gebracht, nicht bringen müssen.

Die Möglichkeiten des Sandwich-Bodens hat Daimler auch in der Folge kaum genutzt. von der zweiten Generation der A-Klasse gab es 2011 eine Kleinserie von 500 Exemplaren. Das Fachmagazin „Auto, Motor und Sport“ attestierte der A-Klasse Electric Drive ein „sehr gutes Ergebnis“ – und eine real gemessene Reichweite von 207 Kilometern. Später entstand noch eine elektrische B-Klasse. Doch auch die ist im Jahr 2017 wieder eingestellt worden.

So dauerte es bis zum Jahr 2013, bis es wieder ein nennenswertes Elektroauto auf den Markt kam. Bei Volkswagen der e-Up – nach dem beschriebenen, konventionellen Konzept – und bei BMW der i3. So erfolgreich wie erhofft sind beide Modelle nicht geworden. Der VW, weil er zu teuer und zu konventionell war. Der BMW, weil er vielen Kunden womöglich zu futuristisch war.

So will Tesla den Massenmarkt elektrisieren
Tesla-CEO Elon Musk stellt das Model 3 vor Quelle: AP
Das Model 3 feierte seine Premiere im Tesla Motors Design Studio im kalifornischen Hawthorne. Quelle: AP
Tesla Model 3 Quelle: PR
Tesla Model 3 Quelle: PR
Einige Kunden warteten schon einen Tag vor der Präsentation vor den firmeneigenen Shops: Quelle: dpa
Tesla Model 3 Quelle: PR
Elon Musk im Jahr 2010 anlässlich des Tesla-Börsengangs an die Nasdaq Quelle: AP

Doch BMW hat eine Chance gesehen und sie ergriffen. Und nicht schnell wieder die Reißleine gezogen. Ob BMW noch einen Vorsprung hat und wie groß dieser ist, wird sich bald zeigen. Die große E-Auto-Offensive wurde lange angekündigt, steht aber jetzt erst vor der Tür. Mercedes, Audi, Volkswagen und Porsche kommen jetzt mit ihren Elektroautos – dieses Mal allesamt als reine E-Fahrzeuge entwickelt.

Der größte Sprung steht aber bei Smart an. Auf der IAA kündigte – ausgerechnet – Dieter Zetsche an, dass Smart ab 2020 nur noch Elektroautos anbieten wird. „Damit wird Smart die erste Automobilmarke, die konsequent vom Verbrenner-Portfolio auf ein reines Elektro-Portfolio umsteigt“, so der Daimler-Chef.

Was er nicht sagte: Mit fast 25 Jahren Verspätung.

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