Elektroautos Politik guckt untätig bei der Lade-Abzocke zu

Quelle: imago images

Die Regierung feiert ihre Änderung der Ladesäulenverordnung: Spontanes Laden von E-Autos werde dank eines einheitlichen Bezahlsystems nun viel einfacher. Das viel größere Problem sind nur leider die Strompreise: Sie sind intransparent und überhöht. Freie Märkte und echter Wettbewerb unter Stromanbietern würden helfen, aber hier bleibt die Bundesregierung tatenlos.

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Schneller, einfacher, praktischer: Das verspricht die Bundesregierung nachdem sie im Kabinett eine Novellierung der Ladesäulenverordnung auf den Weg gebracht hat. Dank der Änderung sollen E-Autobesitzer, die ihre Fahrzeuge an öffentlich zugänglichen Ladesäulen laden, künftig durch ein einheitliches System einfacher bezahlen können. Betreiber von Ladesäulen müssen dafür künftig mindestens eine kontaktlose Zahlung mit gängiger Debit- und Kreditkarte anbieten. „Damit die E-Mobilität sich auf breiter Front durchsetzt, müssen wir nicht nur die Autos fördern, sondern auch das Laden und Bezahlen einfach und unkompliziert gestalten“, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) laut Mitteilung. Das Wirtschaftsministerium geht durch die Änderungen von einer gesteigerten Akzeptanz der Elektromobilität aus – unumstritten sind die verabschiedeten Bezahlvorgaben aber nicht.

Gleiches gilt für den anderen jüngsten Versuch der Bundesregierung, in kleinen Schritten Verbesserungen im E-Ladenetz herbeizuführen: Seit dem 12. April können Gewerbe wie Supermärkte, Hotels, Restaurants oder Sportanlagen Fördermittel für neue E-Auto-Ladesäulen beantragen. Mit 300 Millionen Euro will die Bundesregierung die Ladestellen bezuschussen. „Damit unterstützen wir eine Lösung für all die Menschen, die weder Zuhause noch beim Arbeitgeber laden können“, sagte damals Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. Auch diese Maßnahme, mag erstmal gut klingen, ist tatsächlich nur weiteres, kostspieliges E-Auto-Verwöhnprogramm – nach Kaufprämien, Steuervorteilen für elektrische Dienstwagen, unzähligen Forschungsförderungsprogrammen, nach den Subventionen für private Ladestationen, gewerbliche E-Autos und Elektrobusse. Mit etlichen Milliarden aus dem Steuersäckel hat die Bundesregierung bereits die Elektromobilität gefördert.

Der Staat könnte sich diese Subventionen sparen, würde er das tun, was seine eigentliche Aufgabe ist: gute Gesetze schreiben und Wettbewerb sicherstellen. Tatsächlich aber schaut er weg und toleriert Monopole von Ladesäulenbetreibern.

Klimaschutzgesetze zwingen die Autobauer zu sauberen Alternativen. Das funktioniert, wie die derzeitige Flut neuer und oftmals ganz hervorragender E-Modelle zeigt. Beim Laden dieser Stromer dagegen hapert es, weil es an den nötigen gesetzlichen Vorschriften und Marktüberwachung mangelt. Die Folge: Es gibt zu wenige E-Tankstellen, das Laden ist umständlich, die Preise intransparent und häufig überteuert.

Das zeigt der Ladesäulencheck, den der Datendienstleister Statista und der Ökostrom-Anbieter Lichtblick jährlich erstellen. So kostete in der Untersuchung das Laden des Stroms für 100 Kilometer im BMW i3 an einer E.On-Ladesäule mitunter mehr, als das Benzin für dieselbe Strecke und ein vergleichbares Auto. An Ladesäulen des Energieversorgers Innogy gab es drei verschiedene Preise für die gleiche Leistung: Innogy kassierte 5,70 Euro für eine 100 Kilometer-Fahrt im BMW i3, bei Roaminganbietern, die markenübergreifendes Tanken ermöglichen, waren es bis zu 20 Prozent mehr.

Grund für die hohen Preise und schlechten Leistungen sind nicht selten Monopole, die Energieversorger und Stadtwerke in bestimmten Regionen Deutschlands aufgebaut haben (siehe Karte). In den Regionen stellen einzelne Anbieter nicht selten zwei Drittel der Ladesäulen und mehr. Die E-Auto-Fahrer haben dann kaum eine Wahl – sie können nicht zum Tanken ins 100 Kilometer entfernte, benachbarte Monopol reisen. Weil es wenige Ladesäulen gibt und die Reichweiten der E-Autos oft noch relativ klein sind, müssen E-Auto-Fahrer ohnehin häufig einfach die Ladestation in der Nähe nehmen, wollen sie nicht mit leerer Batterie liegen bleiben. Diese Not wissen die Ladesäulen-Betreiber auszunutzen.



Abhilfe schaffen könnte mehr Wettbewerb, doch die Bundesregierung tut wenig dafür. So gibt es im Bundeswirtschaftsministerium keinerlei Pläne, die Strompreise an den Ladesäulen so zu überwachen wie bislang die Spritpreise. Preise von Benzin und Diesel werden von der Markttransparenzstelle für Kraftstoffe beim Bundeskartellamt regelmäßig erhoben und veröffentlicht. So können nicht nur die Verbraucher schnell die günstigste Tankstelle in der Region finden. Die Erhebung zeigt dem Kartellamt auch, wenn Preisschlachten mit dem Ziel der Verdrängung geführt werden.

Es gebe nicht den einen Strompreis, heißt es dazu im Bundeswirtschaftsministerium: „Den Preis von einem Liter Benzin kann man problemlos vergleichen“, so eine Sprecherin des Ministeriums auf Anfrage der WirtschaftsWoche. „Beim Strom kommen aber sehr unterschiedliche Grundpreise dazu, so dass der durchschnittlich zu zahlende Preis für eine Kilowattstunde vom Verbrauch abhängt und dieser von der Vielzahl der vorhandenen Vergleichsportale auch in Abhängigkeit vom Verbrauch dargestellt werden.“ Auch sei die Angebotsvielfalt aufgrund der Vielzahl der Stromanbieter im Markt größer und damit seien auch die verschiedenen Angebote „sehr vielfältig“. Für das Ministerium heißt das offenbar: Keine Bemühungen für mehr Transparenz.

Bei der Bundesnetzagentur in Bonn gab es dagegen Bemühungen für mehr Wettbewerb im Netz und für besser Preise. Doch die Wirkung ist fraglich, weil Ladesäulenbetreiber nicht mitziehen müssen. Die Behörde schlägt ein Modell vor, bei dem Kunden die Möglichkeit haben, an der Ladesäule zwischen allen Stromanbietern im Markt frei zu wählen. Anders als bislang können die Ladesäulenbetreiber, die meist auch Stromerzeuger sind, den Kunden nicht den eigenen Strom und hohe Preise aufzwingen, sondern müssten ihre Ladesäulen für alle anderen Anbieter öffnen – so wie das bei Haushaltsstrom gesetzlich vorgeschrieben ist.

Technisch ist das Verfahren geklärt: „Im Festlegungsverfahren der Bundesnetzagentur zum Netznutzungsvertrag Elektromobilität“ würden die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen, erklärte die Behörde auf Anfrage der WirtschaftsWoche. Doch: Die Bundesnetzagentur habe keine „rechtlich keine Handhabe, Betreiber von Ladesäulen zu verpflichten von dieser technischen Möglichkeit Gebrauch zu machen.“

Aber warum sollte ein Energieversorger freiwillig Konkurrenten auf seinen Ladesäulen zulassen? Die Initiative der Bonner Behörde dürfte ziemlich wirkungslos bleiben, weil die Bundesregierung keine gesetzliche Grundlage für den Wettbewerb an den E-Tankstellen geschaffen hat.

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Bleibt den E-Auto-Fahrern nur die Hoffnung, dass das Bundeskartellamt irgendwann einschreitet. Die Kartellwächter haben im Sommer 2020 eine „Sektoruntersuchung zur Bereitstellung und Vermarktung öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge“ eingeleitet. „Wir wollen in dieser frühen Marktphase der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge strukturelle Wettbewerbsprobleme identifizieren, um einen Beitrag zu einem erfolgreichen Ausbau zu leisten“, sagt Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes. Für die Entscheidung von Verbrauchern, auf Elektromobilität umzusteigen, seien die Bedingungen und Preise für das Laden im öffentlichen Raum „von zentraler Bedeutung“. Der Markt sei noch im Entstehen, aber: „Uns erreichen schon jetzt vermehrt Beschwerden über die Preise und Konditionen an den Ladesäulen.“

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