Elektroautos Womit Chinas Autohersteller BYD wirklich auftrumpft

China macht Milliarden locker, um bei Hybrid- und Elektroautos vorn zu sein. Die Speerspitze der Offensive ist der Autohersteller Build Your Dreams - er soll mit den Staatsmilliarden den weltweiten Durchbruch schaffen.

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Sechs goldene Säulen stützen das imposante gläserne Eingangsportal der Unternehmenszentrale von BYD. Davor parkt ein F3DM, der erste Hybrid des Konzerns, also ein Auto, das sowohl mit einem Elektro- als auch mit einem Verbrennungsmotor fährt. Wenige Meter weiter, auf einem palmenbewachsenen Grünstreifen, stehen zehn seltsame, rot-weiß lackierte meterhohe Eisenpfosten mit Steckdosen an der Spitze – Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Zwischen dem Eingangsbereich und den Fabrikhallen rollen fast ununterbrochen Fahrzeuge mit Elektro- und Hybridantrieb. Das Rascheln der Palmen übertönt das Surren der stromgetriebenen Motoren.

Hier, am Stadtrand der südchinesischen Metropole Shenzhen, wo Chinas Regierung mit der Öffnung der Wirtschaft begann, ist die wohl größte Offensive angelaufen, die die Industrie des Landes derzeit im Programm hat. Das Reich der Mitte soll Weltmarktführer bei Fahrzeugen mit alternativen Antrieben werden. Weil bei herkömmlichen Autos der Rückstand gegenüber dem Westen uneinholbar sei, erklärte Chinas Technologieminister Wan Gang schon vor Jahren, müsse die heimische Autoindustrie einen Schritt weiter gehen und sich auf Fahrzeuge mit Elektro- und Hybridantrieb konzentrieren – in Anlehnung an die Dialektik des ersten DDR-Staatschefs Walter Ulbricht: „Den Westen überholen, ohne ihn einzuholen.“

Vom Handy- zum Autoakku

Seit 2005 fördert der Staat Investitionen in die Entwicklung von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben mit Milliardensummen. Inzwischen halten nach einer Umfrage 75 Prozent der Chinesen die Nutzung eines Ökoautos für „möglich“ oder „ziemlich wahrscheinlich“. In Europa liegt der Anteil der Elektrophilen nur bei 50 Prozent.

Die Speerspitze der Offensive ist BYD, jenes Unternehmen aus Shenzhen, dessen Name die Abkürzung für „Build your Dream“ – baue deinen Traum – ist. Die Traumfirma begann Mitte der Neunzigerjahre als Hersteller von Handybatterien. Heute ist BYD der weltweit zweitgrößte Produzent von Handybatterien und beliefert sämtliche Branchengrößen von Nokia bis Samsung. Doch Gründer Wang Chuanfu wollte mehr. 2003 übernahm er einen abgewirtschafteten Autohersteller und damit die Lizenz, Pkws herstellen zu dürfen.

Zwei Jahre später brachte er das erste Auto auf den Markt, den Kleinwagen F3, ein Auto mit Verbrennungsmotor, das schnell zum Verkaufsschlager wurde. 2008 investierte die US-Anlegerlegende Warren Buffett 230 Millionen US-Dollar in das Unternehmen, was einem Anteil von 9,9 Prozent entspricht. BYD zählt zu den Pkw-Herstellern mit den höchsten, teilweise zweistelligen Zuwachsraten. Wang gilt inzwischen als reichster Mann Chinas.

Den weltweiten Durchbruch soll BYD, von höchsten Stellen der Kommunistischen Partei und der Regierung gefördert, jedoch mit umweltschonenden Fahrzeugen schaffen. „Das Geschäft mit Pkws mit Verbrennungsmotor war für uns von Anfang an nur eine Durchgangsstation“, sagt ein BYD-Manager. Das dabei verdiente Geld, so der Manager, habe der Konzern, der in seiner Forschungsabteilung mehr als 10 000 Mitarbeiter beschäftigt, zu großen Teilen in die Entwicklung neuartiger Batterien für Elektroautos investiert.

So haben BYD-Forscher eine Lithium-Eisen-Phosphat-Batterie entwickelt, die sicherer und billiger als die herkömmliche Lithium-Ionen-Batterie ist. Solche Innovationen sind für den wirtschaftlichen Erfolg von Elektroautos entscheidend, weil die Akkus, also die aufladbaren Batterien, einen großen Kostenblock darstellen. Deshalb beschäftigen sich auch andere chinesische Unternehmen intensiv mit Batterietechnik. Die im Westen noch unbekannten Firmen tragen Namen wie Phylion, Lishen, BAK oder Wanxiang. Phylion in der Nähe von Shanghai etwa produziert derzeit täglich 10 000 Batteriezellen, hauptsächlich für die in China sehr beliebten Elektroroller. Bald schon sollen es 60 000 sein und zwar ausschließlich für Pkws.

„China besitzt fundiertes Know-how bei der Entwicklung und Herstellung von Akkus“, sagt Gerd Möhrke, Experte für Elektrofahrzeuge und Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Management Engineers China in Shanghai. Durch die großen Produktionsmengen, schätzt Möhrke, dürften die Preise für die Akkus in den kommenden Jahren deutlich sinken – und Chinas Kostenvorteil wachsen.

VW und Daimler wollen ein Elektroauto für den chinesischen Markt entwickeln

„Es genügt, einen Blick auf die explosionsartige Verbreitung von Elektrorollern in China zu werfen, um zu erkennen, was uns auf dem chinesischen Automarkt möglicherweise noch erwartet“, sagt auch Gregor Matthies, Partner und Autoexperte bei der Unternehmensberatung Bain and Company. „Wenn es den chinesischen Herstellern gelingt, die aufwendig herzustellende Technik von Elektrofahrzeugen in die industrielle Großserienherstellung zu überführen, können sie sich einen Vorsprung erarbeiten, ähnlich, wie ihn sich Toyota bei der Hybridtechnik erarbeitet hat.“

Konzernlenker im Ausland beobachten die Aktivitäten der Chinesen deshalb genau – und suchen den Schulterschluss. VW-Chef Martin Winterkorn hat mit BYD eine Absichtserklärung über eine Kooperation unterschrieben. Auch Daimler-Kollege Dieter Zetsche schloss mit BYD Ende Februar ein Abkommen. Die beiden Konzerne wollen gemeinsam ein Elektroauto für den chinesischen Markt entwickeln. „Das Daimler-Know-how bei der E-Auto-Architektur und BYDs exzellente Batterietechnologie sowie E-Antriebe passen perfekt zusammen“, freut sich Zetsche. Das erste Auto, das BYD mit Hybridantrieb auf den Markt brachte, war Ende 2009 der F3DM. DM steht für Dual Mode, zu Deutsch: zwei Antriebsweisen. Das Auto verkauft BYD bislang aber ausschließlich als Flottenfahrzeug an staatliche Unternehmen, Taxifirmen, Polizei, Post und Regierungsstellen. Das hat einen einfachen Grund: Die Ökoautos der Chinesen seien technisch noch nicht ausgereift, sagen Experten aus China und Deutschland.

Verkaufsstart verzögert sich

Folge der technischen Mängel sind Verzögerungen bei der Einführung verschiedener Modelle. Eigentlich wollte BYD Ende 2009 den Öko-Mittelklassewagen F3DM in die Autohäuser bringen. Etwa zeitgleich sollte die Hybridlimousine F6DM kommen, Anfang dieses Jahres schließlich der e6, ein Vollelektrofahrzeug mit angeblich 400 Kilometer Reichweite und einer Spitzengeschwindigkeit von 160 Stundenkilometern. Inzwischen ist der Verkaufsstart bei allen drei Modellen jedoch unklar.

Dazu kommt: Ein geplantes Subventionsprogramm, mit dem Chinas Regierung den E-Autos zum Durchbruch verhelfen wollte, wackelt. Wegen der hohen Ausgaben für das Konjunkturprogramm zur Krisenbewältigung hat sich Peking einen harten Sparkurs verordnet – mit ein Grund, warum BYD die Einführung des e6 zunächst verschoben hat. Ob China das Ziel erreicht, schon 2012 eine halbe Million Elektroautos zu bauen, ist fraglich.

Trotz dieser Verzögerungen sei die Gefahr aber nicht gebannt, dass China die Deutschen beim Elektroauto vorführt, warnt Jan Traenckner, ein auf Elektromobilität spezialisierter Unternehmensberater. Traenckner empfiehlt den deutschen Herstellern deshalb einen engen Schulterschluss und eine „konzertierte Aktion“ mit der deutschen Politik, um das Thema Elektromobilität voranzutreiben. „Die technologische Insel der Glückseligen in Deutschland und Europa“ finde sonst ein „jähes Ende durch die politisch motivierte und stark wettbewerbsverzerrende Förderung der Elektromobilität in Asien“.

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