Elektrofahrrad Vom Start-up zum Marktführer dank des E-Bike-Hypes

E-Bike-Trend: Sachsen profitiert von Elektrifizierung des Rads Quelle: dpa

An der Wiege des sächsischen Automobilbaus produzieren Zwickauer einen nachrüstbaren Elektroantrieb fürs Fahrrad. Auch andere mischen erfolgreich mit. Der Markt bietet viel Potenzial, das genutzt sein will.

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Überzeugte Enthusiasten, die bei Wind und Wetter aufs Rad steigen, sind die fünf Gründer von Pendix nicht unbedingt. Die Entwickler eines nachrüstbaren Elektroantriebs für Fahrräder kommen aus dem Automobilbau. „Aber auch wir sind auf den Geschmack gekommen und fahren deutlich mehr Rad“, sagt Thomas Herzog.

Das Rad als Alternative zum Auto – zur Gründung 2013 seien sie für diese Idee noch belächelt worden. Inzwischen ist Mikromobilität in aller Munde, mehr Radverkehr nicht zuletzt mit Blick auf den Klimawandel erwünscht. Die Elektromobilität sorgt zusätzlich für Rückenwind: E-Bikes sind laut Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) Verkaufsschlager und Motor der deutschen Fahrradindustrie.

2018 wurden demnach knapp eine Million Stück verkauft, doppelt so viele wie vor vier Jahren (2014: 480.000) und 36 Prozent mehr als 2017 (720.000). Insgesamt sind es demnach aktuell rund 4,5 Millionen E-Bikes. Der Marktanteil liege bei knapp 25 Prozent, langfristig seien 35 Prozent durchaus realistisch.

Dabei sind die Nachrüstantriebe noch gar nicht mitgerechnet, die der ZIV als Vertreter der Fahrradindustrie aufgrund rechtlicher Bedenken aber skeptisch sieht. „Im Grunde genommen wird aus einem Fahrrad eine Maschine, das ist nicht ganz ohne“, so Sprecher David Eisenberger. Einigkeit herrscht hingegen mit Blick auf das Potenzial der elektrisch angetriebenen Variante. Für den täglichen Weg zur Arbeit sieht der Verband viel Luft nach oben.

Auch Pendix – im Namen klingt es an – hat die Pendler im Blick. Am Morgen mit Unterstützung ins Büro radeln, abends ein Workout mit ausgeschaltetem Antrieb, so die Idee der Zwickauer Ingenieure. „Wir sind bei der Marktdurchdringung aber noch weit weg von einer Sättigung“, meint Geschäftsführer Thomas Herzog. Mittlerweile produziert das einstige Start-up mit Sitz in der Automobilstadt Zwickau und Produktionsstandort im nahe gelegenen Wilkau-Haßlau vierstellige Stückzahlen und erwirtschaftet mit 35 Mitarbeitern einen mittleren Millionenbetrag. Nach eigenen Angaben ist Pendix Markführer in diesem Segment, laut ZIV der derzeit bekannteste Nachrüster.

Auch andere Firmen spielen in der Nachrüst-Branche mit, darunter etwa der Hersteller Heinzmann aus dem Schwarzwald oder Elfei mit Sitz in Nürnberg. Die Ansmann AG im baden-württembergischen Assamstadt verkauft Antriebe, mit denen sich Fahrräder nachträglich elektrisch umrüsten lassen. Beliefert mit Nabenmotoren, Akkus und relevanten Komponenten werden etwa Fahrradhersteller und Großhändler. „Die Fahrradrahmen müssen aber entsprechend zertifiziert sein und die Belastung aushalten“, so Nadine Schloss, Produktmanagerin für E-Bikes. Der Markt für sogenannte E-Bike-ready-Rahmen stecke zwar noch in den Kinderschuhen. Die Nachfrage nach Nachrüst-Sets sei aber da. „Gerade mit der gestiegenen Popularität des E-Bikes.“

Die Binova GmbH aus Dresden hat sich auf das Umrüsten von Trikes, Hand- und Liegerädern spezialisiert. Von knapp 2000 Euro an sind diese zu haben. „Vor allem der Rehabereich wird immer wichtiger“, so Geschäftsführerin Katja Söhner-Bilo. Etwa 100 solcher Spezialnachrüstungen übernimmt sie mit ihren 15 Mitarbeitern pro Jahr. Das kleine Unternehmen liefert nicht nur die elektrischen Antriebe, sondern auch die Software dazu. Damit können die Räder so umgerüstet werden, dass sie auch bei Lähmungen und Behinderungen bedient werden können.

„Nachrüsten ist sicher noch immer eine Nischenlösung“, räumt Pendix-Technikchef Christian Hennig ein. Doch es sei nachhaltiger, weil man sich kein neues Fahrrad kaufen müsse. Möglich machen das ein kleiner Elektromotor und ein rund 30 Zentimeter hoher Zylinder in mattem Schwarz, der mit seinem Design eher an eine Trinkflasche als an einen Akku erinnert. Der Motor wird am Tretlager eingebaut, die Lithium-Ionen-Batterie treibt ihn an. Je nach Ausführung bietet er zwischen 105 und 160 Kilometern Reichweite. Kosten: von 1500 Euro aufwärts.

„Wichtig ist uns, dass es so viel Rad wie möglich bleibt“, betont Hennig. Der Elektroantrieb kommt ohne Getriebe aus. Ist er ausgeschaltet, sei der Tretwiderstand so gering wie bei einem herkömmlichen Fahrrad - im Gegensatz zu „normalen“ E-Bikes. Der Antrieb denkt außerdem mit, stellt sich immer wieder neu auf den Fahrer ein. Dafür sorgen Sensoren, die erkennen, in welchem Winkel, mit welcher Kraft und Geschwindigkeit getreten wird. So könne die Kraftabgabe durch den Motor gesteuert werden. Nicht zuletzt soll dies dafür sorgen, das Fahren mit E-Bikes sicherer zu machen.

Der nachrüstbare Antrieb ist längst nicht die einzige aktuelle Fahrrad-Entwicklung „Made in Sachsen“: Im Erzgebirge wird am ersten Kunststoffrad aus einem (Spritz-)Guss getüftelt. Gemeinsam mit der TU Chemnitz arbeitet die Firma Hugo Stiehl aus Crottendorf daran, einen Sensor direkt in den faserverstärkten, ultraleichten Rahmen einzuspritzen. Das Unternehmen mit 220 Mitarbeitern ist eigentlich auf die Verarbeitung von Kunststoff spezialisiert, produziert sonst Haushaltsartikel, beliefert aber auch die Automobilindustrie.

Mit dem smarten Rad betritt der Familienbetrieb Neuland. Mithilfe des Sensors soll das Rad Auskunft über Stürze geben und zum Beispiel melden, wenn der Rahmen gebrochen oder verzogen ist. „Das ist insbesondere für Flottenlösungen interessant“, sagt Produktmanager Jens Süß. Die Serienproduktion soll noch 2019 beginnen.

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