Elektromobilität Gebrauchtes E-Auto: Schnäppchen oder Batterieschrott?

Tesla-Produktion in Shanghai: Tesla gehört zu den wertstabilsten Automarken. Trotzdem ist ein Tesla nach einem Jahr ein Fünftel weniger wert.  Quelle: REUTERS

Wegen der Kaufprämie brummt der Absatz neuer E-Autos. Umso schwerer haben es gebrauchte Stromer, deren Preise im Keller sind. Sind das goldene Zeiten für Schnäppchenjäger?

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Wer schon länger überlegte, mit einem günstigen, gebrauchten Elektroauto das Fahren mit Strom auszuprobieren, der könnte in diesen Wochen beim Autohändler fündig werden. Denn es kommen immer mehr gebrauchte Elektroautos bei den Händlern an. Weil sich viele Modelle schwer verkaufen lassen, sind gebrauchte Elektro-Modelle oft sehr günstig. Der Grund hierfür: Weil der Kauf von neuen E-Autos mit einer Prämie von bis zu 9000 Euro bezuschusst wird, greifen viele Autofahrer lieber zum Neuwagen als zum gebrauchten Stromer. Viele Autohändler klagen deshalb, dass sie gebrauchte E-Autos kaum loswürden.

„Die Restwerte von E-Autos fallen weiter“, heißt es beim Informationsdienstleister DAT, der regelmäßig Gebrauchtwagenpreise erhebt und der von den Automobilverbänden VDA (Verband der Automobilindustrie), VDIK (Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller) und ZDK (Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe) getragen wird. Die Vermarktung von batterieelektrischen Gebrauchtwagen bleibe eine Herausforderung, heißt es in einem aktuellen DAT-Report. Vor allem die Prämien für neue E-Autos seien ursächlich für den großen Preisdruck, so dass „die Werte von dreijährigen Fahrzeugen aktuell weit unter den klassischen Verbrennern liegen“.

Verbrenner dagegen müssen bei den Gebrauchtwagenhändlern nicht lange auf einen neuen Besitzer warten. Weil viele Neuwagen wegen des Teilemangels in der Branche derzeit nicht gebaut werden können, ist der Gebrauchtwagenmarkt für Benziner und Diesel praktisch leergefegt. Das „führte bei den Verbrennern in der ersten Jahreshälfte zu stabilen Preisen, seit Mitte des Jahres zeigt die Wertverlaufskurve sogar nach oben“, so das „DAT-Barometer Oktober 2021“. Derzeit verkauften Händler drei Jahre alte Benzin-Gebrauchtwagen für 58 Prozent des ehemaligen Listenneupreises, dreijährige Dieselautos für 55 Prozent. Und die E-Autos? Sie seien „deutlich weniger wertstabil“ und würden zu 47 Prozent gehandelt.

Was Käufer von neuen E-Autos beunruhigen dürfte, kann Gebrauchtwagenkäufer freuen. Ein neuer VW ID.3 in Basisausstattung, der vor einem Jahr zum Listenpreis von rund 35.000 Euro verkauft wurde, ist laut DAT jetzt noch 22.000 Euro wert, also 36 Prozent weniger. Das ähnlich große Tesla Model 3, das vor einem Jahr noch rund 45.000 Euro kostete, sieht DAT nun bei 37.000 Euro – also ein Wertverlust von 22 Prozent. Das ist wenig verwunderlich, denn Tesla gehört zu den wertstabilsten Automarken. Daran dürfte die Attraktivität der Marke ihren Anteil haben, aber auch die regelmäßigen Softwareupdates, mit denen der Hersteller seine Autos auf einem aktuellen Stand hält und die Batterien, die sich bislang als langlebig erwiesen.

Auch wenn frühe E-Auto-Modelle wie das Model S oder der BMW i3 beweisen konnten, dass E-Autos auch nach etlichen Jahren noch gut ihren Dienst tun können, dürften sich viele Autofahrer fragen, wie riskant der Kauf eines Elektro-Gebrauchtwagens ist. Vor allem bei der Leistungsfähigkeit der Batterien und dem Restwert gebe es bei den Kunden Unsicherheiten, heißt es beim Automobilclub ADAC. Beides sei vor der Kaufentscheidung nur schwer einzuschätzen. Andererseits habe ein Elektroauto weniger Verschleißteile als ein Verbrenner. So müsse sich der Käufer etwa keine Gedanken über die Reparatur der Kupplung oder des Auspuffs machen – diese Teile gibt es in rein elektrischen Autos nicht.

Aber anders als bei herkömmlichen Autos muss der E-Auto-Käufer sich aber darüber im klaren werden, welche Ansprüche er bei der Reichweite und der Ladetechnologie hat. Will er täglich 50 Kilometer zu Arbeit pendeln, so schaffe das auch ein Elektroauto der ersten Batteriegeneration, heißt es beim ADAC. Seien aber Strecken von 100 Kilometern und mehr gefordert, werde es „für E-Autos mit einer gealterten Batterie möglicherweise schon sehr eng“. Soll das Auto schnellladefähig sein, es also häufiger in unter einer Stunde vollgeladen werden, dann wird der Käufer beim Gebrauchtwagenhändler wohl eher nicht fündig. Die meisten wirklich schnellladefähigen E-Autos sind erst seit kurzer Zeit auf dem Markt.  



Die Antriebsbatterie ist beim E-Auto das teuerste Bauteil. Ein kompletter Austausch kann tausende Euro kosten. Deshalb sollte der Gesundheitszustand der Batterie („State of health“, SOH) laut ADAC durch den Verkäufer des gebrauchten E-Autos möglichst genau nachgewiesen werden. Bei regelmäßigen Checks in der Herstellerwerkstatt werde die Batterie geprüft. Händigt der Verkäufer die Prüfprotokolle zusammen mit dem Scheckheft nicht aus, sei Vorsicht geboten. Grundsätzlich sei das Risiko beim Kauf eines gebrauchten E-Autos aber ähnlich wie bei einem Verbrenner. Denn auch bei Benzinern und Dieseln lauern nach einigen Jahren Gefahren: vom erhöhten Ölverbrauch bis zum großen Motorschaden.

Ist eine Antriebsbatterie nicht mehr leistungsstark genug, muss nicht unbedingt die ganze Batterie ausgetauscht werden. Die Akkus, die die Größe einer Bettmatratze haben können und hunderte Kilogramm schwer sind, bestehen aus hunderten oder tausenden Batteriezellen, die zunächst in Modulen gebündelt werden. Oft reicht es, das defekte Modul zu identifizieren und dann auszutauschen. So sinken die Reparaturkosten von möglicherweise etlichen tausend Euro auf mehrere hundert Euro. Allerdings können die meisten Werkstätten diese Reparatur noch nicht durchführen. Manche Hersteller verweisen die Kunden an darauf spezialisierte Zentren.

Wer sich heute ein gebrauchtes E-Auto zulegt, geht also bei den meisten Modellen kein allzu großes finanzielles Risiko ein. Drei Jahre alte E-Autos kosten durchschnittlich nur noch die Hälfte, mit etwas Glück und Verhandlungsgeschick vielleicht auch nur 40 Prozent des Listenpreises. 

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Wer sich dagegen ein neues Elektroauto kauft und es in wenigen Jahren wieder verkaufen will, sollte sich im Klaren darüber sein, dass die zukünftige Lage am Gebrauchtwagenmarkt derzeit kaum vorherzusagen ist. Die Situation könnte in einigen Jahren noch so sein wie heute und ein gebrauchtes E-Auto nur noch wenig wert sein. Wegen Knappheiten bei Teilen oder Rohstoffen könnten die Preise von neuen E-Autos aber auch steigen und damit auch die Preise für gebrauchte Fahrzeuge. Vor allem aber dürfte es die hohen Kaufprämien in einigen Jahren nicht mehr geben. Das könnte zu einer regen Nachfrage bei den Gebrauchten führen.

Den vollständigen Podcast zum Thema Wertverlust bei Elektroautos hören Sie hier.

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