Elektromobilität Eine Stadt unter Strom

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BYD steht für „Build your dreams“ – erschaffe deine Träume. Der große Vorteil der Firma ist, dass sie nicht so sehr an ihrem etablierten Geschäft hängt wie die deutschen Anbieter: Während Daimler und MAN frühestens Ende des Jahres eigene Elektrobusse auf die Straße bringen wollen, haben die Städte in China mithilfe chinesischer Hersteller große Teile ihres Nahverkehrs bereits umgerüstet. Der Börsenwert des 1995 gegründeten Unternehmens, an dem sich 2008 auch US-Starinvestor Warren Buffett beteiligte, liegt inzwischen bei etwa 15 Milliarden Dollar. Allein im Reich der Mitte verkaufte BYD im vergangenen Jahr 110.000 Elektroautos. Und mit dem Heimatmarkt geben sich die Chinesen längst nicht mehr zufrieden.

Am Eingang des gewaltigen Firmensitzes, in dem 20.000 der insgesamt 200.000 Beschäftigten des Unternehmens arbeiten, steht ein neues Pkw-Modell mit schwarz-weißem Tarnmuster. Lautlos gleitet ein Denza vorbei, einer jener Edelstromer, den BYD in einem vor acht Jahren gegründeten Joint Venture mit Daimler entwickelt hat und seit 2014 in Serie fertigt. Und über den Köpfen der Mitarbeiter, die auf dem Werksgelände entlanglaufen, rauscht bereits das nächste Projekt hinweg. BYD baut Einschienenbahnen, in denen die Menschen in den Metropolen der Zukunft über den Stau hinwegschweben sollen. Die Cloud Tracks sind weit mehr als eine kühne Vision: In einigen chinesischen Städten sowie auf den Philippinen haben die Planungen bereits begonnen. Die Baukosten, so das Versprechen von BYD, sollen nur noch ein Zehntel dessen betragen, was derzeit für eine eigene U-Bahn anfällt.

Weiße schmucklose Gebäude ziehen sich auf dem weitläufigen Firmengelände bis zum Horizont. In einem davon hat Xiao Haiping sein Büro. Der Manager trägt eine Arbeiterjacke in einem ausgewaschenen Grau. Dazu eine schwarze Brille und Igelhaarschnitt. Vor drei Jahren hat das Unternehmen die ersten 3600 E-Busse an die Stadt geliefert. Im Jahr darauf folgten 10.000 und im vergangenen Jahr noch einmal 1600 Stück. „Shenzhen ist eine der ersten Städte weltweit, die vollständig auf eine elektrische Flotte setzen“, sagt Xiao stolz. 2000 Busse hat das Unternehmen außerdem bereits nach Hangzhou und Nanjing geliefert. Weitere 1000 jeweils nach Xi’an, Changsha, Tianjin und Dalian.

Stromtankstelle in Shenzhen Quelle: Bloomberg

Qualität oder Qual

Inzwischen ist BYD so groß, dass es zur Expansion nach Europa ansetzt – und dort die deutschen Hersteller vor sich hertreibt. Im vergangenen Jahr waren erst 1000 Elektrobusse auf Europas Straßen unterwegs – weit weniger als in einem einzigen Stadtteil von Shenzhen. Hersteller in der EU sind einzelne Firmen wie die polnische Solaris, an die sich auch Städte aus Deutschland wenden, wenn sie wegen schlechter Luftwerte und drohender Fahrverbote nach Alternativen zu ihren stinkenden Bussen suchen.

Größere Flotten aber kann nur BYD liefern. Nach London etwa schickten die Chinesen mehr als 100 Busse, hergestellt in Ungarn. Heute fahren mehr als sieben Millionen Menschen in der Hauptstadt des Königreichs jedes Jahr mit den Stromern aus der Volksrepublik. In Frankreich eröffnet dieses Jahr eine zweite Fabrik.

Indem es seine Busse nach Europa bringt, tilge BYD einen „blinden Fleck“ auf der Landkarte, sagt Xiao. Früher galten chinesische Produkte als billig, klagt er. Aber das sei nun Vergangenheit: „Uns gehört die gesamte Lieferkette.“ Von der Batterie- und Motorentechnologie bis zu den Fahrzeugen kommt alles aus den Werken des Shenzhener Unternehmens – und damit am Ende auch der Bus pünktlich zum Kunden.

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