Elektromobilität „Selbst bei hohen Strompreisen spart ein Elektroauto Geld“

Claudia Kemfert Quelle: imago images

Die Grünen werden nun wohl der deutschen Verkehrspolitik ihren Stempel aufdrücken. Was das für Autofahrer, die Elektromobilität und den Strompreis bedeuten kann, erklärt Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Interview.

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WirtschaftsWoche: Frau Kemfert, es sieht so aus, als sei das Verkehrsministerium künftig in grüner Hand. Wie wird sich die Verkehrspolitik ändern?
Claudia Kemfert: Was in welcher Hand liegt, wird sich zeigen. Aber so oder so muss sich die Verkehrspolitik grundlegend ändern. Deutschland hat sich 2016 in Paris zu ambitionierten Klimazielen verpflichtet und nun müssen endlich die entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden. Heißt: Die Emissionen im Verkehrssektor müssen bis 2030 deutlich sinken.

Wie soll das gehen?
Wir benötigen eine echte Verkehrswende – weg von der autozentrierten hin zur menschengerechten Mobilität. Wir müssen Verkehr vermeiden, verlagern und verbessern. Dazu bedarf es dringend vielerlei Maßnahmen. Wir müssen die CO2-Emissionsgrenzwerte für Autos verschärfen und parallel die Ladeinfrastruktur für Elektroautos schnellstens ausbauen. Wirksam wäre außerdem eine streckenbezogene Pkw-Maut sowie höhere Diesel- samt CO2-Steuern.

Der Umstieg vom Verbrenner auf Elektroautos bringt zwar eine gewisse Reduktion des CO2-Ausstoßes, aber der große Stellhebel ist das beim Klimaschutz sicherlich nicht. Sind die Effekte, etwa im Vergleich zu einem vorgezogenen Kohleausstieg, nicht winzig? Lohnt sich der Aufwand überhaupt?
Natürlich lohnt sich das! Der Verkehrssektor macht 20 Prozent der Treibhausgasemissionen aus, das ist nicht irrelevant. In den letzten Jahren vor Corona gab es hier sogar einen deutlichen Anstieg. Es ging also in die völlig falsche Richtung. Wir haben gesetzlich vereinbarte Sektorziele. Jeder Sektor muss seinen Beitrag leisten. Da kann keiner einfach mit dem Finger auf den anderen zeigen. Das hat der Verkehrssektor in den vergangenen Jahrzehnten gemacht. Damit muss jetzt Schluss sein. Sonst reißen wir die Klimaziele 2030 eindeutig. Klar ist aber auch: Es reicht nicht, den Motor auszutauschen. Autos sind keine Fahr-, sondern „Stehzeuge“; sie stehen 23 Stunden am Tag herum und verbrauchen sinnlos viel Platz. Deswegen ist eine umfassende Mobilitätswende so wichtig.

In der vergangenen Legislaturperiode wurde viel darüber gestritten, ob das Elektroauto die richtige Antwort auf den Klimawandel ist, oder nicht vielleicht doch das Wasserstoffauto oder klimaneutrale Kraftstoffe für Verbrenner. Denken Sie, dass das in der nächsten Legislaturperiode noch ein Thema ist? 
Die Autokonzerne geben die Antwort selbst: Sie haben sich weltweit klar für die Elektromobilität entschieden und überbieten sich bereits wechselseitig mit einer Vielzahl neuer Elektromodelle. Es geht beim Abschied vom Verbrenner nicht mehr ums Ob, sondern nur noch ums Wann. Wieder mal hinken Teile der Politik der Wirtschaft hinterher und halten noch Technologien hoch, von denen sich die Industrie längst verabschiedet hat. Wir benötigen keine Technologie-Offenheit; wir benötigen Technologie-Klarheit.

Die Autokonzerne wollen jetzt möglichst schnell möglichst viel grünen Strom für ihre Elektroautos. Das ist verständlich, denn ohne grünen Strom ergeben Elektroautos fürs Klima wenig Sinn. Wie relevant ist der Druck, den die Autokonzerne hier aufbauen? 
Es sind ja nicht nur die Autokonzerne, die mahnen, die erneuerbaren Energien schneller auszubauen. Das kommt von überall aus der Industrie. Wir brauchen mindestens eine Verdreifachung oder Vervierfachung des Ausbautempos. Wenn die Autokonzerne hier Druck aufbauen, kann das helfen.

Elektroautos werden über die Umweltprämie, über Forschungszuschüsse und den Ausbau der Ladeinfrastruktur mit etlichen Milliarden gefördert. Sie haben gesagt: Die Autokonzerne wollen selbst das Elektroauto. Warum soll der Staat deren Geschäft mitfinanzieren?
Auf jeden Fall ist es völlig widersinnig, dass wir über das Dieselprivileg weiterhin Verbrennerautos mit Milliarden subventionieren und gleichzeitig Elektroautos fördern, damit sie damit konkurrieren können. Konsequenterweise müssen wir diese staatliche Bevorzugung des Diesels abbauen und sowohl Emissionsgrenzwerte, als auch CO2-Preis den Klimazielen anpassen. Dann hätten wir klare Marktbedingungen, in denen Elektroautos eine faire Chance haben. Sinnvoll und dringend geboten sind staatliche Investitionen in die Ladeinfrastruktur. Die Wirtschaft investiert hier auch, aber aufgrund mangelnder Wirtschaftlichkeit braucht es dafür eine Anschubfinanzierung. Dasselbe gilt für die Produktion und die Entwicklung von Batterien.

Das Dieselprivileg abzuschaffen, würde natürlich Preissprünge beim Diesel mit sich bringen. Außerdem soll noch der CO2-Preis erhöht werden, obwohl wir ohnehin hohe Preise an den Tankstellen haben. So was kann man politisch doch gar nicht überleben.
Deswegen sind sozial ausgleichende Erstattungen sinnvoll, egal ob man sie Klimabonus, Klimadividende oder Energiegeld nennt. Dabei werden die Einnahmen aus dem CO2-Preis an die Bevölkerung zurückgegeben, und zwar durch einen jährlichen Pro-Kopf-Betrag. Das würde die Akzeptanz der Maßnahmen sicherlich vergrößern. Allerdings hat sich die Politik dazu bislang nicht durchringen können. Stattdessen hat man sich für eine Erhöhung der Pendlerpauschale entschieden, die wiederum umweltschädlich ist und obendrein höhere Einkommensbezieher einseitig bevorteilt.

Nicht nur die Preise für Benzin und Diesel steigen, auch die Strompreise steigen stark. Sollte der Staat etwas für günstigeren Strom tun, um auch dadurch Elektroautos zu fördern?
Der Strompreis ließe sich leicht senken. Zum einen wird die EEG-Umlage ohnehin sinken. Denn sie errechnet sich aus der Differenz zum Strombörsenpreis, und der geht im Moment durch die Decke. Zudem könnte und sollte man im Zuge der Erhöhung einer CO2-Bepreisung die Stromsteuer senken. Übrigens: Elektroautos sind bauartbedingt einfach viel energieeffizienter als Verbrenner. Selbst bei hohen Strompreisen spart ein Elektroauto also Geld. Diese Rechnung wird sich schnell herumsprechen.

Mehr zum Thema: Einen Plug-in-Hybrid kann man fahren wie es gerade passt: mal mit Strom, mal mit Benzin oder Diesel. Für wen er sich lohnt – warum er aber auch eine böse Kostenfalle sein kann.

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