




Die Innovation kommt unscheinbar daher: ein etwa 1,20 Meter großer, grau-schwarzer Kasten, in dem eine Batterie schlummert, dazu ein ähnlich großer blauer Kasten mit jeder Menge Kabelsalat. Im Keller oder in der Garage installiert, soll die daraus zusammengesetzte Anlage E-Autos und die Haushalte ihrer Besitzer optimal mit Ökostrom versorgen. Die zwei Kästen sind ein Projekt von BMW. „Wir wollen ein neues Geschäftsfeld rund um Speichertechnologie aufbauen“, heißt es aus der Konzernspitze.
Umstrittene Förderung für Elektroautos
Beim Kampf gegen die Erderwärmung geraten immer wieder die Autofahrer in den Blick. Der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) geht in Deutschland nämlich zu einem Sechstel auf das Konto des Straßenverkehrs. Als klimaschonende Variante gelten Elektroautos, die nicht mit Benzin, sondern mit Strom angetrieben werden. Deshalb will der Bundestag am Donnerstagnachmittag ein Gesetz verabschieden, das einige Privilegien für die Besitzer von E-Autos vorsieht.
Wenn es nach der Bundesregierung geht: viel zu wenige. Bis zum Jahr 2020 wird nämlich die Zielmarke von einer Million E-Autos angepeilt. Zu Jahresbeginn waren es aber nur 18.948 Fahrzeuge mit reinem Elektromotor sowie 107.754 Hybrid-Autos, die sowohl mit einem Elektro- als auch mit einem herkömmlichem Verbrennungsmotor fahren können. Im Vergleich zu den bundesweit 44,4 Millionen zugelassenen Pkw ist der Anteil der Elektroautos aber verschwindend gering.
Zum einen ist der Anschaffungspreis relativ hoch: So kostet der VW-Kleinwagen Up! in der Elektroversion mit fast 27.000 Euro etwa dreimal so viel wie das Basismodell. Ein weiteres Problem ist die Reichweite: Derzeit muss ein reines E-Auto im Schnitt nach 150 Kilometern neu geladen werden, doch dafür fehlt vor allem auf dem Land die notwendige Infrastruktur. Und die niedrigen Spritpreise motivieren derzeit auch nicht gerade zum Abschied vom Benziner.
Eine staatliche Kaufprämie, die immer wieder gefordert wird, ist derzeit nicht vorgesehen. Stattdessen sollen E-Autos die innerstädtischen Busspuren nutzen können und spezielle, kostenfreie Parkplätze erhalten. Allerdings schafft der Bundestag mit seinem Gesetz lediglich die rechtliche Grundlage dafür. Ob den Elektroautos tatsächlich solche Privilegien eingeräumt werden, muss jede Kommune für sich selbst entscheiden.
Eher nicht. Kaum eine deutsche Großstadt will ihre Busspuren für Elektroautos öffnen. So haben Berlin, Hamburg und München bereits deutliche Ablehnung signalisiert: Mit Bussen, Taxis und Krankenwagen sei bereits die Grenze der Belastbarkeit erreicht. Auch der Deutsche Städtetag warnt, die Zulassung weiterer Fahrzeuge auf der Busspur würde den öffentlichen Nahverkehr verlangsamen. Die Forderungen nach staatlichen Kaufanreizen reißen ebenfalls nicht ab. So wünscht sich die Autoindustrie großzügige Steuererleichterungen für elektronische Firmenwagen. Für Privatleute brachte der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) eine Kaufprämie von 5000 Euro ins Gespräch. Ähnliche Regelungen gibt es bereits in Frankreich und China. Doch davon will die Bundesregierung nichts wissen.
Denn Akku und intelligente Elektronik sollen dazu beitragen, das lahmende Geschäft mit Elektroautos anzuschieben. Der ausbleibende Erfolg der Stromer in Deutschland beunruhigt inzwischen auch die Bundesregierung. Anfang Februar will sie ein neues Förderprogramm vorlegen. Die Logik von BMW ist einfach: E-Autos sind nur dann keine CO2-Schleudern, wenn sie mit Ökostrom fahren. Weil Wind- und Solaranlagen Strom aber unregelmäßig produzieren, können E-Autos nur sicher sauber tanken, wenn der Ökostrom gespeichert und mit intelligenter Software bereitgestellt wird. Die ins Stromnetz eingebundenen Akkus sollen das ermöglichen.
Anfragen sogar aus Australien
Mit der Idee, Autobatterien auch als Stromspeicher in Häusern zu verwenden, liegen die Bayern im Trend. E-Autopionier Tesla etwa will mit der Doppelnutzung den Absatz steigern und damit die Produktionskosten sowie die Akkupreise senken. Anfang der Woche gaben die Amerikaner eine Kooperation mit dem Spezialisten SMA Solar Technology aus dem nordhessischen Niestetal bekannt, der für die Umwandlung des Gleichstroms aus den Batterien in haushaltsüblichen Wechselstrom sorgen soll.
Die Länder mit dem größten E-Auto-Absatz
Die Unternehmensberatung McKinsey erstellt vierteljährlich exklusiv für die WirtschaftsWoche den Elektromobilitätsindex EVI. Der Indexwert gibt an, zu wie viel Prozent ein Land das Niveau aller Bestwerte weltweit erreicht.
Niveau: 90 Prozent
Vorjahresplatzierung: 1. Platz
Verbesserung: 0 Plätze
Stand: Ende 3. Quartal 2015
Niveau: 58 Prozent
Vorjahresplatzierung: 2. Platz
Verbesserung: 0 Plätze
Niveau: 36 Prozent
Vorjahresplatzierung: 3. Platz
Verbesserung: 0 Plätze
Niveau: 36 Prozent
Vorjahresplatzierung: 5. Platz
Verbesserung: 1 Platz
Niveau: 34 Prozent
Vorjahresplatzierung: 4. Platz
Verbesserung: -1 Platz
Niveau: 32 Prozent
Vorjahresplatzierung: 8. Platz
Verbesserung: 2 Plätze
Niveau: 32 Prozent
Vorjahresplatzierung: 6. Platz
Verbesserung: -1 Platz
Niveau: 28 Prozent
Vorjahresplatzierung: 7. Platz
Verbesserung: -1 Platz
Niveau: 22 Prozent
Vorjahresplatzierung: 12. Platz
Verbesserung: 3 Plätze
Niveau: 22 Prozent
Vorjahresplatzierung: 10. Platz
Verbesserung: 0 Plätze
Daimler wiederum lässt im sächsischen Kamenz Batterien sowohl für den E-Smart als auch für Privathaushalte bauen. Beteiligt ist der baden-württembergische Energieversorger EnBW. Die ersten 50 Anlagen, für die EnBW das Energiemanagement liefert, sind verkauft. Für den Mercedes-Benz-Heimspeicher, den Daimler losgelöst von der Kooperation mit EnBW über seine Tochter Accumotive vertreibt, gebe es sogar Anfragen aus Australien, heißt es bei Daimler.
VW-Versuch blieb hinter den Erwartungen
Und auch Audi und Porsche wollen ins Energiegeschäft. Die VW-Töchter planen eigene Schnellladestationen. „Das werden wir brauchen“, sagte Konzernchef Matthias Müller der WirtschaftsWoche „ob wir es alleine machen oder in einem Konsortium, müssen wir klären.“ Das Energiegeschäft ist für die Autokonzerne nicht ohne Risiko. So scheiterte VW beim Versuch, von 2009 an zusammen mit dem Hamburger Energiedienstleister Lichtblick 100.000 kleine Gasheizkraftwerke in deutschen Privathaushalten zu installieren.
Neuzulassungen von Elektroautos in Deutschland 2009-2015
Im Jahr 2009 wurden in Deutschland 162 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt
Im Jahr 2010 wurden in Deutschland 541 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2011 wurden in Deutschland 2.154 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2012 wurden in Deutschland 2.956 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2013 wurden in Deutschland 6.051 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2014 wurden in Deutschland 8.522 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
2015 stieg der Elektroauto-Absatz auf 12.363 Exemplare. Für das Ziel von einer Million Elektroautos bis 2020 ist das weiter viel zu wenig. Der Bestand liegt derzeit bei rund 19.000 Elektroautos.
Fünf Jahre später standen nur 1500. BMW nennt deshalb keine Verkaufsziele. Aktuell sind in Deutschland 30.000 Heimspeicher installiert. Bis zum Jahr 2020 rechnet der Bundesverband Solarwirtschaft mit einem jährlichen Wachstum von 20 bis 30 Prozent. Bis 2018 könnte die Schwelle von 100.000 Solarstromspeichern in Deutschland erreicht sein. BMW ködert Kunden mit dem Versprechen, sich dank der Speicher ausschließlich mit Strom aus der eigenen Solaranlage versorgen zu können.
Die Kapazität der Akkus beträgt 22 Kilowattstunden, das sind gut 60 Prozent mehr, als ein Vier-Personen-Haushalt in Deutschland pro Tag an Strom verbraucht. Der Preis dürfte sich um einen mittleren vierstelligen Betrag bewegen. Noch 2016 soll der Verkauf an Kleingewerbe und Privathaushalte beginnen. Zum neuen E-Mobilitätsplan von BMW-Chef Harald Krüger gehört auch das Geschäft mit altersschwachen Batterien aus Elektroautos.
Diese verfügen noch über gut 80 Prozent ihrer ursprünglichen Leistung und können bei gemächlichem Be- und Entladen locker noch 10 bis 15 weitere Jahre ihren Dienst tun. Zurzeit nimmt der US-Ökostromspezialist Nextera den Bayern gebrauchte E-Autobatterien ab und baut sie zu Großspeichern für Solar- und Windkraftwerke zusammen. Die ersten Anlagen gehen in wenigen Wochen ans Netz und kommen auf eine Kapazität von 20 Megawattstunden, so viel wie Vier-Personen-Haushalte in Deutschland pro Jahr im Schnitt an Strom verbrauchen. Doch diese Idee steht erst ganz am Anfang. „Wir sind auf der Suche nach einem strategischen Partner“, heißt es bei BMW.