Elektromobilität Eine Stadt unter Strom

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Wertarbeit sieht anders aus

Zhang Wenshu, als Manager der staatlichen Shenzhener Bus Group für den öffentlichen Nahverkehr zuständig und damit auch für den Wechsel auf die E-Flotte verantwortlich, hat jedoch andere Erfahrungen mit BYD gemacht. So sei die erste Generation der Busse mit einer Batterie an der falschen Stelle ausgeliefert worden. Dazu hätten die Fahrzeuge eine weit geringere Reichweite gehabt als geplant: 420 Mal hätte er seine Ingenieure in einem Jahr zu Xiao an den Rand der Stadt geschickt. Rund 800 Punkte hätte BYD auf Geheiß der Stadtregierung bei ihren Fahrzeugen überarbeiten müssen. Wertarbeit sieht anders aus.

Im Büro von Zhang stapeln sich auf dem Fußboden eineinhalb Meter hoch die Parteibücher mit dem Konterfei von Staatschef Xi Jinping. In der Ecke hängen Auszeichnungen der Kommunistischen Partei sowie die Nationalflagge. Die E-Wende ist in China eine nationale Aufgabe. In Deutschland hingegen gilt es, verschiedenste Interessen in Einklang zu bringen, mitunter auch Behäbigkeiten und Eitelkeiten unterschiedlichster Instanzen. Verkehrsplanung ist hier ein langwieriges Unterfangen. In China genügt ein Befehl von oben – und die Beamten müssen schauen, wie sie das umsetzen.

Shenzhen beispielsweise wurde vor acht Jahren als eine von 13 Städten für ein Pilotprojekt ausgewählt, um Chinas Ambitionen bei der E-Wende zu zeigen. Damals machten Dieselbusse zwar nur 0,5 Prozent der gesamten Fahrzeugflotte der Stadt aus, verursachten aber rund 20 Prozent der Emissionen. Für jeden Bus, der heute in der Millionenstadt fährt, haben die chinesische Zentralregierung und die Shenzhener Stadtregierung jeweils umgerechnet rund 66.000 Euro Subventionen gezahlt. Das restliche Drittel der Kosten musste die städtische Busgesellschaft tragen – also nur noch 66.000 Euro pro Bus statt 200.000 Euro.

Umgerechnet 440 Millionen Euro wurden so im vergangenen Jahr an Subventionen in neue Busse und Ladestationen investiert. In Deutschland liegt der Preis für einen E-Bus bei 700.000 Euro. Hinzu kommen Ladesäulen und Investitionen ins Stromnetz – das bislang in den wenigsten deutschen Städten für die E-Mobilität gerüstet ist. E-Busse in China sind zwar genau wie in Deutschland in der Anschaffung zwei- bis viermal teurer als normale Verbrenner. Gleichzeitig aber spart Shenzhen pro Jahr umgerechnet 21.000 Euro pro Bus, da der Strom günstiger ist als Benzin. Zudem seien die Reparaturkosten sehr viel niedriger als bei den Dieselfahrzeugen, sagt Planer Zhang.

Elektrisch und effizient

Eine Studie der Weltbank bestätigt diese Rechnung: Zwar sei es weltweit meist teurer, E-Busse anzuschaffen, die höheren Anfangskosten würden sich aber über die Nutzungszeit refinanzieren, weil die Busse weniger Schwierigkeiten machen, so die Wissenschaftler. Hinzu komme, was sich schwieriger beziffern lässt: Die Menschen werden durch bessere Luft seltener krank, eine höhere Lebensqualität lockt gut ausgebildete Arbeitskräfte in die Stadt. Auch deshalb rüstet Shenzhen parallel seine staatlich betriebenen Taxen um. Von den 12.500 Fahrzeugen der Stadt sind heute mehr als 60 Prozent mit elektrischem Antrieb ausgestattet.

In Deutschland hat sich diese Sicht noch nicht durchgesetzt. Vielleicht haben die Städte bislang nicht die Dringlichkeit der sauberen Luft erkannt. Noch nicht. Denn längst beschäftigen sich die hiesigen Gerichte mit zahlreichen Klagen, die auf die Einhaltung der Grenzwerte von Schadstoffen pochen. Gut möglich, dass es gar keine Zentralregierung braucht, um die Verkehrswende mit Milliardensubventionen und politischer Willkür durchzusetzen – sondern nur immer selbstbewusstere Bürger, die saubere Luft schätzen.

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