Peter Bronnenberg ist ein Pionier seiner Branche. Er ist nicht nur Geschäftsführer des Padersprinters, einem Paderborner Busunternehmen, sondern auch ökologischer Überzeugungstäter. Seit Jahren tüftelt der Ostwestfale an Technologien, um die Busse in seiner Region noch sauberer zu machen. Dafür ist er bundesweit bekannt. Er war der erste, der seinen Fahrzeugen Partikelfilter verpasste und mit Technik zur Reduzierung von Stickoxiden ausrüstete - der Umwelt zuliebe und für bessere Stadtluft. 1999 wurde er mit dem Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet.
Nun hat Bronnenberg seinen nächsten Coup gelandet. Der Padersprinter-Chef lässt 30 von 100 Bussen seiner Flotte auf neueste Harnstofftanks umrüsten. Die ersten zwei Busse ließ er wissenschaftlich untersuchen. Das Ergebnis ist phänomenal: „Der sauberste Bus der Welt fährt derzeit mal wieder in Paderborn", sagt Ralph Pütz, Professor und Spezialist für Nutzfahrzeugforschung und Abgasanalytik an der Hochschule Landshut. „Der Ausstoß von Stickoxiden bewegte sich zum Teil im kaum noch messbaren Bereich", so Pütz. „Was aus dem Auspuff des Busses kam, war sauberer als die Umgebungsluft."
Alte Busse könnten nachgerüstet werden
Paderborn ist damit Vorreiter und Innovationstreiber des Nahverkehrs. Bronnenberg kaufte Technik aus Finnland, die er in die Euro-5-Busse einbaute. Rund 17.000 bis 20.000 Euro kostet so eine Investition. „Mit dem neuen Filter können selbst alte Euro-2-Busse auf die aktuelle Euro-6-Norm nachgerüstet werden“, sagt Bronnenberg. Das sei vor allem deutlich preiswerter als der Kauf eines neuen Busses. Neue Fahrzeuge kosten schnell mal 400.000 Euro und mehr.
Die Ergebnisse des Dieselgipfels in Kürze
Insgesamt sollen rund 5,3 Millionen Euro-5- und Euro-6-Diesel durch Updates der Motor-Software sauberer werden: 3,8 Millionen von Volkswagen, über 900.000 von Daimler, über 300.000 von BMW und weitere von Opel. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) kritisierte aber, dass sich von ausländischen Herstellern nur wenige beteiligten. Bei VW sind knapp 2,5 Millionen Diesel, die schon im Pflicht-Rückruf sind, eingerechnet.
Der Stickoxid-Ausstoß der Fahrzeuge soll so im Schnitt um 25 bis 30 Prozent sinken, sagen die Hersteller - 30 Prozent müssen es sein, sagt Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD).
Die Autobauer versprechen, dass für die Autobesitzer keine Kosten entstehen und die Nachrüstung keinen Einfluss auf Motorleistung, Verbrauch und Lebensdauer haben wird.
Die Hersteller wollen Besitzer älterer Diesel - Euro-4 oder weniger - mit Prämien motivieren, neue Diesel oder E-Autos zu kaufen.
Ein Fonds „Nachhaltige Mobilität für die Stadt“ im Umfang von 500 Millionen Euro soll den Stadtverkehr moderner und sauberer machen und individuelle Pläne für die 28 am stärksten betroffenen Regionen in Deutschland finanzieren. Bund und Hersteller zahlen in gleichen Teilen ein.
Förderprogramme werden aufgestockt, um den Umstieg auf E-Mobilität zum Beispiel bei Nutzfahrzeugen und Bussen zu beschleunigen und Rad- und Schienenverkehr voranzubringen - dafür kommt der Bund auf.
Expertenrunden sollen sich weiterhin mit dem Thema Nachrüstungen an den Motor-Bauteilen selbst, der Hardware, befassen.
Die Botschaft, die Bronnenberg aus Paderborn an die Politik nach Berlin sendet, ist eindeutig: Saubere Stadtluft ist möglich. Der Nahverkehr kann Treiber dieser Entwicklung sein. Mit Nachrüstungen á la Padersprinter könnte die Luft, die aus den Abgasen kommt, dann sogar noch besser sein als die Luft, die für den Selbstzünder eingesaugt wird. Nimmt man die gesamte deutsche Busflotte, sind rund 18.000 Fahrzeuge mit Euro-5- oder älteren Motoren verbaut. Die Umrüstung würde bundesweit rund 360 Millionen Euro kosten.
Die Politik könnte da ansetzen. Der Dieselgipfel am Mittwoch hat neben Software-Updates der Euro-5- und Euro-6-Motoren für Diesel-Pkw auch die Einrichtung eines Fonds „Nachhaltige Mobilität für die Stadt“ beschlossen. 500 Millionen Euro stehen den 28 von der EU-Kommission benannten, von besonders hohen Stickoxid-Belastungen betroffenen Regionen zur Verfügung. Das Geld teilen sich Bund und Autoindustrie je zur Hälfte.
Nachholbedarf im Nahverkehr
Doch ob damit auch die Umrüstung der Stadtbusse möglich ist, ist noch unklar. Das Ergebnispapier sagt dazu nur, dass mit dem Geld aus dem Fonds für jede Region „ein individueller Masterplan“ entwickelt werden soll, „mit Digitalisierung, Intelligenten Verkehrssystemen, intermodalen Mobilitätslösungen sowie mit zunehmender Automatisierung und Vernetzung im Individual- und Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)“. Von Umrüstungsinvestitionen ist also nicht die Rede.
Es wäre nötig, denn auch im Nahverkehr gibt es Nachholbedarf. Von den rund 22.500 Nahverkehrsbussen in Deutschland fahren zwar 89 Prozent mit einer grünen Plakette, die derzeit die Einfahrt in Umweltzonen in Städten erlaubt. Doch die geben den gesetzlichen Stand von 2007 wieder und berücksichtigen ohnehin ausschließlich den Feinstaub. Sie sagen nichts über den Ausstoß von Stickoxiden.
Eine grüne Plakette bekommt auch ein Euro-4-Motor. Sollte die Politik irgendwann eine blaue Plakette für Stickoxidemissionen einführen, wäre der öffentliche Nahverkehr schnell in der Defensive.
Bei den Euro-6-Motoren, die mit guter Abgasnachbehandlung tatsächlich kaum noch Stickoxide ausstoßen, sieht die Lage ganz anders aus. Derzeit gibt es 4337 Busse mit Euro-6-Antrieb. Das entspricht einem Anteil von knapp 20 Prozent. Anders als im Pkw-Bereich wird die Abgasreinigung nicht einfach abgeschaltet, um den Harnstoff AdBlus zu sparen. Die Tanks der Dieselbusse sind größer und die Kontrollen bei Nutzfahrzeugen strenger.
Die Organisation International Council on Clean Transportation (ICCT), die den VW-Dieselskandal in den USA aufgedeckt hat, sagt sogar, dass Lkw und Busse in Deutschland sauberer sind als Pkw. Demnach stoßen moderne Lkw und Busse im Schnitt etwa 200 Milligramm Stickoxide pro Kilometer aus, Dieselautos mit Euro-6-Norm aber rund 500 Milligramm.
Fragen und Antworten zum Diesel-Gipfel
Autobauer und die Bundes- und Landesregierungen wollen auf dem Diesel-Gipfel Maßnahmen beschließen, um Fahrverbote in Großstädten zu vermeiden. Dazu liegen bereits mehrere Vorschläge auf dem Tisch. Sie reichen von der millionenfachen Nachrüstung älterer Dieselwagen bis hin zu staatlichen Prämien für den Umstieg auf umweltschonende Autos.
Quelle: Reuters
Die Autobauer möchten den Aufwand am liebsten auf die Nachrüstung älterer Selbstzünder per Software-Update beschränken. Daimler hat angekündigt, europaweit drei Millionen Diesel-Fahrzeuge mit der älteren Abgasnorm Euro 5 und dem neueren Standard Euro 6 in die Werkstätten zu rufen. Volkswagen will sogar vier Millionen Wagen in die Werkstätten rufen. Darin sind bereits die 2,6 Millionen Autos enthalten, die die Wolfsburger ohnehin wegen des Dieselskandals in Deutschland mit einer neuen Software nachrüsten müssen. Die VW-Tochter Audi hat zudem bereits europaweit die Umrüstung von bis zu 850.000 Fahrzeugen versprochen, von denen ein Großteil auf Deutschland entfällt. Hinzu kämen rund 600.000 Fahrzeuge mit der älteren Euro-5-Abgasnorm, die ebenfalls nachgerüstet werden sollen.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat bereits deutlich gemacht, dass die Software-Nachbesserung nur ein erster Schritt sein kann. Sie fordert, dass die Autobauer die Fahrzeuge in einem weiteren Schritt auch bei der Hardware nachrüsten, also technische Umbauten vornehmen. Das ist teurer. Von den Autobauern werden auf dem Gipfel Aussagen erwartet, wann und wie sie dazu in der Lage sind.
Durch ein Software-Update soll die Motorsteuerung so verändert werden, dass sich der Stickoxid-Ausstoß verringert. Ein ähnliches Verfahren wurde bereits bei der Reparatur der von Volkswagen manipulierten Fahrzeuge sowie bei Modellen mit auffällig hohen Abgasen anderer Hersteller angewandt, vor allem von Mercedes. Bei diesen sank der Schadstoffausstoß im Schnitt um rund ein Viertel.
Für die neue Software fallen, umgerechnet auf das einzelne Fahrzeug, weniger als 100 Euro Kosten an, die Werkstattkosten pro Auto schätzen Branchenkenner auf bis zu 300 Euro. Die Software kann aber nur bei etwa der Hälfte der Euro-5-Diesel überhaupt eingesetzt werden. Und: Das neueste Niveau Euro 6 wird damit nicht erreicht. Die Kosten dafür lägen Schätzungen zufolge insgesamt bei etwa einer bis 1,5 Milliarden Euro.
Viel teurer und technisch nur bei wenigen Autos machbar wäre eine Hardware-Lösung. Motor und Abgasstrang müssten durch einen SCR-Katalysator und einen Harnstoff-Tank ergänzt werden. Dafür reicht der Platz im Fahrzeug in der Regel nicht. Die Kosten lägen nach Branchenschätzungen bei 1500 bis 3000 Euro pro Auto.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der im Aufsichtsrat von VW sitzt, hat Anreize für einen Umstieg auf moderne Diesel oder Elektroautos vorgeschlagen. Denkbar seien steuerliche Anreize oder eine Art Klimaprämie, die von Industrie und Staat angeboten würde. Die IG Metall spricht sich zusammen mit Betriebsräten in der Automobilindustrie für eine "Öko-Prämie" aus, um alte Selbstbrenner schneller auszutauschen. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) brachte eine Reduzierung der Kfz-Steuer für moderne Euro-6-Diesel ins Gespräch. In der Bundesregierung stoßen solche Kaufanreize aber auf Widerstand.
Dobrindt hat zudem einen Fonds in dreistelliger Millionenhöhe, gefüllt von Bund und Branche, gefordert. Damit soll Kommunen geholfen werden, mit technischen Lösungen den Verkehr flüssiger zu steuern und damit den Schadstoff-Ausstoß zu begrenzen. Die Industrie kann dem wenig abgewinnen.
Der Gipfel soll Regierungskreisen zufolge vier Expertenrunden einsetzen, deren Ergebnisse nach der Bundestagswahl in Gesetzestexte fließen könnten. Eine Runde soll sich mit "Kommunalem Verbesserungsmanagement" befassen, eine mit "Digitalisierung", eine mit den technischen Details der Nachrüstung. Besonders umstritten war eine Runde mit dem Arbeitstitel "Transformation der Autoindustrie", wo der beschleunigte Weg hin zu alternativen Antrieben vorgezeichnet werden soll.
Im Klartext: Ein moderner Bus braucht zwar viel mehr Diesel-Kraftstoff, hat aber einen deutlich niedrigeren Schadstoffausstoß als ein einzelner neuer Diesel-Pkw.
Hinzu kommen ein paar wenige Brennstoffzellen-Hybride und Elektrobusse. Doch deren Anzahl liegt bei unter 100 Stück in Deutschland: Es sind eher Busse, die in Pilotprojekten fahren. Großstädte wie Hamburg, Köln und Bonn experimentieren damit.
Mehr als drei von vier Bussen sind also noch mit Euro-5-Motoren und schlechteren Antrieben unterwegs. Aber Bronnenberg und der Padersprinter machen es vor: Die Umrüstung ist machbar, wenn man es will.