Emotionale Bindung zum Auto „Audi muss echt aufpassen“

Frau umarmt Auto Quelle: Getty Images

Über Autos wird gerne diskutiert. Wer das häufiger tut, soll eine stärkere Bindung zum Fahrzeug haben. Ein Ranking zeigt, bei welchen Marken die Bindung am stärksten ist und welche Hersteller sich in Acht nehmen müssen.

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Je häufiger sich ein Autofahrer mit anderen über sein Fahrzeug austauscht, desto höher soll seine emotionale Bindung zum jeweiligen Auto sein. In manchen Fällen kann man gar von Liebe zum eigenen Auto sprechen. Und von Liebe zur entsprechenden Automarke.

Das nehmen zumindest Forscher der Ruhr-Universität Bochum an. Jährlich erstellen sie ein Ranking aus dem hervorgeht, wie sehr sich Autofahrer mit ihren Fahrzeugen und deren Marken auseinandersetzen. Das dürfte vor allem die Hersteller interessieren. Ein Auto, über das niemand spricht, wird sich kaum gut verkaufen.

An der Spitze des sogenannten „Involvement-Index 2018“, der WirtschaftsWoche Online exklusiv vorliegt, steht der schwedische Autobauer Volvo. Und das schon das fünfte Jahr in Folge. Trotz deutlicher Einbußen im Vergleich zum Vorjahr trennt Volvo immer noch ein sehr deutlicher Abstand von der Konkurrenz. Klarer Gewinner ist die US-amerikanische Marke Chrysler. Elf Plätze konnte Chrysler im Vergleich zum Vorjahr gutmachen. Bis auf eine Ausnahme gehören die großen deutschen Autobauer zu den diesjährigen Verlierern. Für Audi sollte der Involvement-Index sogar ein Warnsignal sein.

Die Top15 im Involvement-Index 2018

Für den Index nehmen die Forscher die Plattform „Motor-Talk.de“ als Grundlage. Jede Marke hat dort ein eigenes Forum. Viele Autoenthusiasten tummeln sich hier. Diskutiert wird über alles, was eine Verbindung zum jeweiligen Automobil hat. „Was tun, wenn beim VW Polo die rote Öllampe piept?“ „Wann kommt ein neues Modell des BMW M3 auf den Markt?“ „Welche Verschleißgrenze haben eigentlich die Bremsscheiben vom Opel Adam?“

So schneiden die deutschen Hersteller ab

Über Modelle von Audi wurde im vergangenen Jahr nicht so fleißig diskutiert, wie bisher: Die Ingolstädter verlieren den zweiten Platz im Ranking, nachdem sie über Jahre hinweg der engste Verfolger von Spitzenreiter Volvo waren. Für Rüdiger Hossiep, Professor für Wirtschaftspsychologie und Leiter des Projektteams Testentwicklung, ist das ein Alarmzeichen. Denn der Involvement-Index habe sich in den vergangenen Jahren oft als verlässlicher Frühindikator für Absatzverluste bewährt: „Audi muss echt aufpassen.“

Im Porsche-Forum bei „Motor-Talk.de“ gibt es neben diversen technischen Fragen gar einen Eintrag mit dem Titel „Zeigt her Eure Porsche“. Hier posten Porsche-Fahrer seit 2009 ganz akribisch Bilder ihrer „Schätzchen“ und werden in der Regel von anderen Mitgliedern für ihre Autos gelobt. Fast täglich kommen neue Bilder hinzu.

Das Prahlen mit den eigenen Gefährten hilft Porsche im Ranking übrigens nicht weiter. Der Autobauer aus Stuttgart-Zuffenhausen verliert seit Jahren an Plätzen und liegt nunmehr auf dem zehnten Rang. Mit einem Indexwert von 1,02 hat Porsche so gerade noch ein überdurchschnittliches Involvement.

Jubiläum der Traumwagenfabrik
Porsche 356 Nr.1 Quelle: Porsche
Porsche 356 mit Ferry Porsche Quelle: Porsche
Lohner-Porsche P1 Quelle: Porsche
Lohner-Porsche P1 Quelle: Porsche
Porsche 356 A Coupé Quelle: Porsche
Porsche 356 A Speedster Quelle: Porsche
Porsche 911 Quelle: Porsche

„Porsche befindet sich seit Jahren in einem schleichenden Abwärtstrend“, sagt Rüdiger Hossiep. „Ein Grund für Porsches Verluste im Ranking liegt meiner Einschätzung nach darin, dass die Marke immer mehr in die Beliebigkeit rückt. Früher war der 911er das Porsche-Flaggschiff. Mittlerweile sind SUVs wie der Macan die meistverkauften Fahrzeuge. Porsche ist längst keine reine Sportwagenmarke mehr.“

Auch VW muss in diesem Jahr Federn lassen und rutscht von Platz sieben auf acht.

Der Grund für den Abwärtstrend der meisten deutschen Hersteller? „Automarken, die am Dieselskandal beteiligt waren oder langfristig Qualitätsprobleme offenbaren, werden auch im Ranking abgestraft“, erklärt Hossiep. „Die Ausnahme bildet BMW. Eine Marke, die in der öffentlichen Wahrnehmung von den großen deutschen Autobauern womöglich am wenigsten mit den Skandalen in Verbindung gebracht wird. Denn trotz eines hohen Fahrzeugbestands in allen Segmenten, steigt das Involvement der Marke BMW in unserem Ranking stetig.“

Warum Tesla nicht Teil des Rankings ist

Einen hohen Fahrzeugbestand kann der diesjährige Gewinner des Rankings nicht vorweisen. Doch gerade das ist im Involvement-Index der Erfolgsfaktor der US-amerikanischen Marke Chrysler, die seit 2014 nach eigener Insolvenz Teil von Fiat Chrysler Automobiles ist. Nur 65.304 Chrysler-Fahrzeuge waren Anfang des Jahres in Deutschland zugelassen. Warum die Diskussionen über Chrysler so stark zugelegt haben, ist nicht eindeutig zu klären. „Chrysler ist in diesem Jahr eine echte Überraschung“, sagt Hossiep.

Autos vom Elektroauto-Pionier Tesla sind auf deutschen Straßen sogar noch seltener zu sehen. Und deshalb ist die Marke Tesla auch nicht Teil des Rankings. Denn über Tesla wird schlicht zu viel diskutiert: „Die Diskussionen über Tesla gehen seit Jahren durch die Decke“, sagt Rüdiger Hossiep. „Bei einem so geringen Gesamtbestand an Fahrzeugen wäre es allerdings verzerrend, wenn die Marke Tesla Teil des Rankings wäre.“ Mit einer Einführung des angeblich massenmarkttauglichen Model 3 in Deutschland könnte sich das möglicherweise ändern.

Über den ehemaligen schwedischen Autobauer Saab dürfte zwar nicht so viel diskutiert werden, wie über Tesla. Doch Saab liegt im Index immer noch auf dem neunten Platz. Und das, obwohl Saab-Fahrzeuge seit fast neun Jahren nicht mehr produziert werden. Die ersten Rankings von Rüdiger Hossiep und seinem Team führte Saab sogar an.

„Ein Saab ist ein hoch emotionalisiertes Auto mit geringem Bestand, auf das die Fahrer kaum verzichten mögen“, sagt Hossiep. „Sie sträuben sich in der Regel gegen den Wechsel zu anderen Automarken und haben eine Mentalität wie die Bewohner des wohlbekannten gallischen Dorfes.“

Der Spitzenreiter der Involvement-Index stammt seit Jahren aus dem gleichen Land wie Saab. Ob das allerdings noch lange so bleiben wird, ist unklar. „Volvo erhält in unserem Ranking einen ersten Dämpfer“, sagt Hossiep. „Volvo hat sich im Markenkern vom schwedischen Langzeitauto und Raumwunder immer stärker zu einem primär auf Design bedachten SUV oder Kombi gewandelt.“ Womöglich hat das der Liebe einiger Volvo-Fahrer zu ihren Autos erste kleine Risse verpasst.

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