Am 20. März entfällt die Pflicht für Arbeitgeber, das Arbeiten im Homeoffice zu ermöglichen. Als diese vor Wochen beschlossen wurde, ahnte wohl noch niemand, dass tägliche Fahrten ins Büro ab dem 20. März schädlicher denn je sein könnten – weil die Zahl der mit Corona Infizierten wieder munter steigt, vor allem aber weil Krieg in der Ukraine herrscht. Die Spritpreise sind auf Rekordniveau und könnten bei verschärften Sanktionen gegen Russland astronomische Höhen erreichen. Durch Homeoffice-Arbeitsplätze können sich Arbeitnehmer zumindest etliche Fahrten zur Arbeit und damit auch die ein oder andere Fahrt zur Tankstelle sparen.
„Es kann eine signifikante Menge Kraftstoff in Deutschland durch das Homeoffice eingespart werden“, sagt Thorsten Koska, Co-Leiter des Forschungsbereichs Mobilität und Verkehrspolitik beim Wuppertal Institut. „Deshalb ist es eigentlich absurd, dass die Homeoffice-Pflicht genau zum jetzigen Zeitpunkt abgeschafft werden soll. Die Politik sollte das überdenken.“
Wie viel Kraftstoff durch das Homeoffice in Deutschland gespart werden kann, wurde in der Vergangenheit schon mehrfach berechnet – nicht etwa wegen der Pandemie oder den hohen Spritpreisen, sondern wegen des Klimaschutzes. So heißt es etwa in einer vom Bundeswirtschaftsministerium verbreiteten Studie von 2021, dass das Homeoffice Arbeitnehmern in Deutschland Fahrten von insgesamt 36 Milliarden Kilometern ersparen könnte. Das führe zu einer Reduktion des CO2-Ausstoßes um 5,4 Millionen Tonnen pro Jahr.
Rein rechnerisch entspricht das zirka 46 Millionen Tankfüllungen (50 Liter). Faktisch aber sind die Arbeitnehmer mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln unterwegs, weshalb die CO2-Ersparnis nicht komplett in Benzin umgerechnet werden kann. Für die Berechnung wurde angenommen, dass 40 Prozent der Arbeitnehmer im Homeoffice arbeiten können und dass sie das auch an mindestens zwei Tagen pro Woche tun. Bei einer Homeoffice-Quote von 25 Prozent und nur einem Homeoffice-Tag pro Woche würden umgerechnet 16 Millionen Fahrten zur Tankstelle entfallen.
Spritsparen ist in diesen Tagen nicht nur ein Verbraucherthema, es hat auch eine politische Komponente. Denn je eifriger Deutschland Benzin und Diesel spart, um besser funktioniert ein Ölembargo gegen Russland. Gilt also: Homeoffice für den Frieden? Heimarbeiter gegen Putin?
Die Umweltorganisation Greenpeace stellt in der Studie „Kein Öl für Krieg“ zehn Maßnahmen vor, mit denen der Ölverbrauch in Deutschland kurzfristig gesenkt werden könnte. Eine davon ist das Homeoffice: Eine Beibehaltung der derzeitigen Homeoffice-Pflicht für Arbeitgeber könnte den Kraftstoffbedarf in Deutschland um drei Prozent senken, so die Studie.
Ein Tempolimit von 100 auf Autobahnen und 80 auf Landstraßen könnte laut Greenpeace weitere 4,6 Prozent Ersparnis bringen, autofreie Sonntage (an jedem Sonntag) 5,6 Prozent, ein breiter Umstieg aufs Fahrrad – Greenpeace nennt das „Radfahren wie in den Niederladen“ - soll 2,9 Prozent bringen. Für andere oft diskutierte Maßnahmen wie das Verbot von Inlandsflügen, die Verlagerung von Güterverkehr von der Straße auf die Schiene oder das Absenken der Raumtemperatur sehen die Umweltschützer dagegen deutlich geringere Spareffekte.
Realistisch ließen sich mit den Maßnahmen die Netto-Ölproduktimporte um 10 bis 12 Prozent senken, so Greenpeace. Für einen völligen Verzicht auf russisches Öl in Deutschland reiche das nicht, da in Deutschland etwa ein Drittel des Öls und der daraus hergestellten Kraftstoffe aus Russland stammten.
Betrachte man dagegen Europa oder die Welt, so ergebe sich ein anderes Bild: Rund drei Millionen Barrel russisches Öl würden pro Tag in die EU importiert, was nur rund drei Prozent der Weltproduktion entspreche. Die Sparmöglichkeiten zeigen nach Ansicht von Greenpeace, dass dies „eine Menge ist, auf die zu verzichten nicht unmöglich ist.“
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Ein Ölembargo sei zudem leichter umzusetzen, als ein Gasembargo, da „alternative Lieferungen durch Schiffe vergleichsweise einfacher umzusetzen sind als bei den pipelinegebundenen Gaslieferungen, denen nur eine begrenzte Zahl von Flüssigerdgas-Terminals in Europa als alternative Importmöglichkeit gegenüberstehen.“
Und wichtiger sei ein Ölembargo auch: Während die Gaslieferungen und die Versorgungssicherheit Deutschlands und der EU derzeit im medialen Fokus stünden, machten die Ölexporte den deutlich größeren Anteil an den Einnahmen Russlands aus: „Mithilfe von Ölexporten generiert Russland näherungsweise Einnahmen von 500 bis 700 Millionen Dollar am Tag, mit dem Export von Erdgas dagegen nur rund 100 Millionen.“