Engpass in der Autoindustrie Warum der Halbleiter-Mangel noch Monate anhalten wird

Lars-Peter Häfele ist Geschäftsführer bei der auf Einkauf und Lieferketten-Management spezialisierten Unternehmensberatung Inverto, die zur Boston Consulting Group gehört. Quelle: Presse

Schon im Sommer sei der Engpass bei den für die Industrie wichtigen Halbleitern absehbar gewesen, sagt Lars-Peter Häfele, Geschäftsführer bei der auf Einkauf und Lieferketten-Management spezialisierten Unternehmensberatung Inverto. Hier spricht er über die Probleme von Autoindustrie und Co. bei der Versorgung und wann es besser wird.

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Lars-Peter Häfele ist Geschäftsführer bei der auf Einkauf und Lieferketten-Management spezialisierten Unternehmensberatung Inverto, die zur Boston Consulting Group gehört.

WirtschaftsWoche: Herr Häfele, Autoherstellern wie Audi und Zulieferern wie Conti und Bosch fehlen Chips für die Produktion, Bänder stehen teilweise still. Was ist der Grund für den Halbleitermangel in der Autoindustrie?
Lars-Peter Häfele: Es gibt mehrere Gründe. Zum einen ist der Bedarf an Chips tatsächlich gestiegen, vor allem Branchen wie Medizintechnik und die Unterhaltungselektronik fragen verstärkt Chips nach. Aber auch der Handelskrieg zwischen den USA und China spielt eine Rolle.

Welche?
Aufgrund der politischen Unsicherheit haben Unternehmen in den USA verstärkt Vorräte angelegt. Deren Lager sind voll, aber die verfügbaren Mengen am Chipmarkt wurden dadurch reduziert. 

Die Autobauer sagen, sie hätten rechtzeitig bestellt, würden jetzt aber nichts kriegen - die Zulieferer wie Continental oder Bosch seien schuld. Stimmt das?
Ich bin nicht der Meinung, dass immer rechtzeitig bestellt wurde. Einzelne Autobauer waren im ersten Corona-Lockdown sehr vorsichtig und haben weniger bestellt, da sie nicht wussten, wie sich die Nachfrage nach Fahrzeugen entwickelt. Die Lieferanten haben sich also darauf eingestellt, ihrerseits weniger bestellt oder andere Kunden gewonnen. Grundsätzlich kann man sagen: Wer zu unverbindlich gegenüber Lieferanten war und Kosten optimieren wollte, hat jetzt das Nachsehen.

von Matthias Hohensee, Stefan Hajek, Annina Reimann, Martin Seiwert

Gab es auch Engpässe bei Rohstoffen?
Oh ja. Im vergangenen Sommer war in China das Wasser knapp. Die Wasserkraftwerke konnten zeitweise nicht arbeiten und es war zu wenig Strom da. Das hat sich auf die stromintensive Produktion wichtiger Vorprodukte wie Silizium ausgewirkt. Solche Rohstoffe werden vor allem in Asien produziert, da dort die Stromkosten geringer sind.

Der Sommer ist lange her...
Ja, aber bis ein Halbleiter fertig produziert ist, kann das schon mal neun Monate dauern. Also wirkt sich das jetzt erst aus.

Das klingt, als hätten die Einkäufer der Autobauer den Engpass schon im Sommer vorhersehen können?
Ja, genau. Das haben viele aber offenbar nicht. Hier wird häufig nicht die ganze Lieferkette betrachtet.

Lässt sich das Problem denn nicht mit mehr Geld lösen?
Nicht allein. Für die Halbleiterlieferanten geht es auch darum, Kunden aus wachstumsstarken Branchen zu haben. Die Autoindustrie gehörte lange dazu, jetzt aber wächst sie nicht mehr so stark wie etwa Telekommunikationsanbieter, Apple oder die Unterhaltungsbranche – deren Bedarf an Chips ist riesig. Und man muss wissen, dass die Autoindustrie da einfach ein kleinerer Abnehmer ist, zumindest im weltweiten Vergleich.

Wer außer der Autobranche wartet noch auf Chips?
Zum Beispiel Unternehmen aus dem Maschinenbau, Medizintechnik oder auch solche, die Automatisierungstechnik, Gabelstapler oder E-Bikes produzieren.

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Wann entspannt sich die Lage wieder?
Die Kapazitäten werden aktuell hochgefahren und Rückstände aufgeholt. Ich hoffe in einem halben Jahr, spätestens aber Ende 2021.

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