Erbe der Auto Union Audi stellt sich seiner NS-Vergangenheit

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"Gewaltexzesse" und "moralisches Versagen"

Dabei habe es „Gewaltexzesse“ gegeben: „Der Vorstand ließ NS-Fanatikern und ihren Mitläufern allerhand Freiraum, ihren Rassenhass auszuleben.“ Es gab „ein schweres moralisches Versagen“ des Managements. Bruhn ist das krasse Gegenteil eines Oskar Schindler, der mit seinem Unternehmen subversiv Juden vor der Gaskammer rettete. Leitmeritz, ein Außenlager des KZ Flossenbürg, hatte aufgrund der hohen Todesraten ein viel genutztes Krematorium, das noch zu besichtigen ist.

Politische Haltung: „Über Regime-Nähe bedarf es bei Auto Union keiner Diskussion“, so die Studie. Sie war „fest in das NS-Regime eingebunden“, der Ausbau zum internationalen Rüstungskonzern „eigeninitiiert“. Bruhn hielt „engste Beziehungen“ zur NSDAP, war seit 1933 Mitglied, später Wehrwirtschaftsführer und als einer der führenden Rüstungsmanager monatelang häufiger bei Speer und Adolf Hitler in Berlin als in seinem Chemnitzer Büro.

Mitläufer oder Überzeugungstäter?

Auto-Union-Vorstand William Werner war laut NS-Studie „ein Nazi“, wobei ungeklärt sei, ob „Mitläufer oder Überzeugungstäter“. Andere Führungskräfte bekannten sich als „begeisterte Nationalsozialisten“, waren mit Hitlers Stellvertreter Rudolf Hess befreundet, wurden auf persönliche Weisung des Führers in die NSDAP aufgenommen oder hatten eine „Herrenmenschenperspektive“.

Bruhn führte seinen Erfolg auf seine „kerngesunde Rasse“ zurück. „Bisweilen“, so die Studie, „übermannte ihn die Rührung über den eigenen Aufstieg aus einfachen Verhältnissen.“ Nahe liegt die – nicht beweisbare – Vermutung, dass die Stollen in Leitmeritz nicht zufällig „Richard“ hießen, sondern den Namen des Chefs trugen.

Mai-Umzug bei Auto Union Quelle: Unternehmensarchiv Audi AG

Im Image-Film „Deutsche Siege in drei Erdteilen“ von 1937 verklärte Bruhn vor der Hakenkreuzfahne die Rennsport-Erfolge der Auto Union als „getreues Spiegelbild der politischen Entwicklung unseres Vaterlandes“. Bald nach Kriegsbeginn 1939 schrieb er an seinen kaufmännischen Direktor: „Nachdem der Polenschreck erledigt ist, wollen wir alle an die Arbeit. Wenn der Engländer uns daran hindern wird, werden wir ihm allerdings an die Gurgel gehen, und Sie können sich darauf verlassen: Die Auto Union wird dabei mittelbar sehr mitwirken.“

Aufgesetzte Opferhaltung

Nach 1945 klang das dann alles ganz anders. Kukowski attestiert Bruhn und seinen Vorstandskollegen eine „in der Nachkriegszeit eingenommene Opferhaltung“, die „aufgesetzt“ gewesen sei.

Audi hinterfragte diese Haltung bislang nicht. 2000 beteiligte sich der Konzern an den Dr.-Richard-Bruhn-Wochen in Bruhns Geburtsort, dem schleswig-holsteinischen Cismar. Ausgestellt wurden dabei Devotionalien wie Bruhns Bundesverdienstkreuz .

Nun geht das Unternehmen auf Distanz. Gesamtbetriebsratschef Peter Mosch ist „sehr betroffen über das Ausmaß der Verstrickungen der damaligen Auto-Union-Führung in das System der Zwangsarbeit und Sklavenarbeit. Dieses Ausmaß war mir nicht bewusst. Wir begrüßen seitens des Betriebsrats die Studie und haben jetzt Fakten und Informationen, was damals wirklich geschehen ist.“

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