Faszination S-Klasse Das Beste oder nichts

Eine Legende: Der Mercedes-Benz 450 SEL, Baureihe W 116. Der fast fünf Meter lange, elegant gestreckte Viertürer ist bis heute die wohl schönste S-Klasse, die es je gab. Quelle: Daimler AG

Auch wenn dem ein oder anderen Sportwagenfan mit feuchten Händen der Porsche 911 in den Sinn kommt, ist wohl kaum ein deutsches Auto ein größeres Aushängeschild für die deutsche Automobilhistorie als die Mercedes S-Klasse. Ein Blick in die Geschichte einer Ikone.

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Wer etwas auf sich hält und dem allenfalls amüsanten schwäbisch ausgesprochenen Markenslogan „das Beschte oder Nichts“ mit einem Produkt aus dem prallvollen Portfolio Nachdruck verleihen will, entscheidet sich für eine Mercedes S-Klasse. Die ist längst mehr Submarke als schlichtes Einzelmodell, mehr Leuchtturm denn schlichter Sternenträger. Den Namen S-Klasse trägt sie dabei erst seit Anfang der 1970er Jahre. Bereits zuvor gab es mit verschiedene Luxusmodelle – angefangen beim legendären Mercedes Nürburg. Da waren die Ponton-Baureihe W 180, die verklärt heiß geliebte Heckflosse des W 111 oder der spektakuläre Mercedes 300 SEL 6.3 vom Typ W 109, der als „rote Sau“ in Spa zur AMG-Legende wurde – alles beeindruckende Luxusschiffe aus Sindelfinger Produktion, aber eben doch keine S-Klassen im engeren Sinne.

Olympische Spiele und Fußballweltmeisterschaft hatten Deutschland noch nicht in die erste Reihe der Weltöffentlichkeit gespült, da tat dies mit aller Vehemenz die erste S-Klasse. Das „S“ stand für Sonderklasse und der setzte als elegant-imposanter W 116 Ausrufezeichen.

von Hannah Krolle, Theresa Rauffmann

Die Schönen, Reichen und Wichtigen dieser Welt präsentierten sich seit den frühen 70er Jahren nur allzu gerne in Stuttgarter Luxuslimousinen. Die längst legendär gewordene Baureihe 116 verzückte dabei lange Jahre ohne echte Konkurrenz die oberen zehntausend zwischen Cannes und Los Angeles, Tokio und München – zu Preisen ab 23.500 Mark. Der fast fünf Meter lange, elegant gestreckte Viertürer ist bis heute die wohl schönste S-Klasse, die es je gab. Das breite Angebot von Triebwerken – schlicht spektakulär. Ging es mit dem 156 / 185 PS starken 280 S / 280 SE – wahlweise als Handschalter oder Automatik – bodenständig los, brachten 350er und 450 das Herz der automobilen Limousinenfans zum Rasen. Unübertroffenes Luxusmodell war der Mercedes 450 SEL 6.9, eine fahrdynamische Weiterentwicklung von 600er (W 100) und 300 SEL 6.3 (W 109).

Nicht der übertriebene Pomp der amerikanischen Gegenüber, sondern eine Mischung aus hölzerner Dekadenz gepaart mit Stuttgarter Bodenständigkeit. Der 6.9 wusste nur zu gut, aus welchem Stall er kam. In seiner viereinhalbjährigen Produktionszeit liefen 7380 Fahrzeuge vom Band; die meisten Modelle gingen in die USA, einige nach Asien und Südamerika. Da sich der 6.9 in zwei Klassen, Selbstfahrer und Chauffeurfahrzeuge teilte, konnte man sogar für den Fond elektrische Sitze, eine Sitzheizung und später erstmals ein serienmäßiges Anti-Blockier-System ordern. Extras, die auch heute noch in der Luxusklasse Maßstäbe setzen. Dass nicht wenige der Luxuskarossen mit einem 18.000 Mark teuren Funktelefon ausgestattet werden, zeigt welch Kundenklientel mit Vorliebe im Fond der Nobelkarosse Platz nahm. Der 450 SEL 6.9 kostete bei seiner Premiere im Mai 1975 eindrucksvolle 69.930 Mark. In seinem letzten Modelljahr 1979 hatte sich der Einstandspreis auf 81.247 Mark hochgeschraubt.

von Hannah Krolle, Theresa Rauffmann, Annina Reimann, Jörn Petring, Stefan Hajek

Sie war nicht nur in Stuttgart zu Hause, sondern beförderte Stars und Sternchen ebenso wie Wirtschaftsgrößen und Politiker. Hanns-Martin Schleyer, Udo Jürgens, Herbert von Karajan oder Dean Martin – sie alle fuhren die S-Klasse. Erst als 450er und nach dessen Vorstellung gerne als 450 SEL 6.9, der mit seinem 6,9 Liter großen Achtzylinder mit rund 230 km/h Spitzengeschwindigkeit selbst Sportwagen vor sich herjagte. Hubraumerweiterung, geänderte Motorelektronik und eine Trockensumpfschmierung verleihen dem 6.9er jedoch größere Flügel. Eleganter, spektakulärer und schneller als mit einem 450 SEL 6.9 konnte man mit mehr als zwei Personen nicht unterwegs sein. Dass die Luxusversion mit Sportwagengenen erst 1975 auf den Markt kam, hatte seinen Grund. Aufgrund der Ölkrise Anfang der 70er Jahre hatte sich der Start des 116er Topmodells mit dem Bärendurst immer wieder herausgezögert. Macht 210 kW / 286 PS und 560 Nm maximales Drehmoment bei 3000 U/min.

Völlig neue Maßstäbe

Da es keine Wettbewerber von BMW oder Audi gab, der 7er und der A8 kamen erst Jahre später, waren Politiker nahezu obligatorisch mit der Mercedes S-Klasse der Baureihe W 116 und später mit dem W 126 unterwegs. Daher bevölkerten eine Vielzahl von zumeist dunklen, aber selten schwarzen 116ern die Straßen der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn und speziell den Botschaftsgegenden von Bad Godesberg. Das galt im Übrigen sogar für den bayrischsten aller bayrischen Ministerpräsidenten, Franz-Josef Strauß.

Der war glühender Mercedes-Fan, ließ sich in gepanzerten S-Klasse chauffieren, ehe BMW Ende der 70er Jahre die Vorgabe bekam, zu Repräsentationszwecken zwei BMW 733i zu panzern, um nicht bei offiziellen Anlässen mit einer Mercedes S-Klasse vorfahren zu müssen. Privat fuhr er jedoch weiterhin den Stern, später bevorzugt die G-Klasse oder eine Allrad-E-Klasse.

Die Verantwortlichen der großen Banken in Frankfurt, die Wirtschaftsbosse in der Industriemetropole Essen wie Berthold Beitz, die Albrecht-Brüder oder das Topmanagement von Siemens, Allianz und Co. in München – alle ließen sich in der Mercedes S-Klasse chauffieren – in RAF-Zeiten oftmals gepanzert und daher dann eher in einem Mercedes 450 SEL.

Ganz ähnlich wurde es mit dem Nachfolger der Mercedes S-Klasse der Baureihe W 126, die 1979 vorgestellt wurde und die Luxuslimousine in ein modernes Zeitalter transferierte. Der 126er bot nicht den Chrom, den Pomp und die Eleganz des W 116 und doch gilt die zweite Generation für viele Fans bis heute als die S-Klasse schlechthin. Von 1979 bis 1991 waren der schmalbrüstige 280 S bis zum elitären Topmodell 560 SEL das Maß der Dinge. Elegant, luxuriös und grandios verarbeitet schwören viele auch im Hause des Herstellers bis heute auf ihre wahre S-Klasse. Ein Auto ohne Schwächen, mit allen Extras zu bekommen. Airbags, elektrische und beheizte Sitze vorne wie hinten, Klimaautomatik, Autotelefon, Reiserechner und vieles mehr ließen die damaligen Aufpreislisten zur Reiselektüre werden. Das Beste vom Besten hieß nach der Modellpflege im Jahre 1985 Mercedes-Benz 560 SEL – je nach Katalysatoreinbau bis zu 300 PS stark, fast 250 km/h schnell und mit seiner Viergangautomatik in Sachen Komfort seinerzeit nicht zu toppen.

Anfang der 90er Jahre wurde die elegante Baureihe W 126 von einem wahren Koloss abgelöst. Üppige Dimensionen und ein kantiges Erscheinungsbild passten 1992 beim W 140 perfekt in die Zeit – polarisierten jedoch mehr als seine Vorgänger. Bis die elektronische Einparkhilfe das Zeug zur Serienreife hatte, halfen am Heck ausfahrbare Peilstäbe, das Luxusmodell in Parklücken zu rangieren. Dabei setzte die Mercedes S-Klasse einmal mehr völlig neue Maßstäbe. Platzangebot, Verarbeitung, Sicherheits- und Komfortausstattung kannten kaum Grenzen. Hightech-Extras wie Xenonlicht, Navigationssystem oder beschlagfreie Doppelglasscheiben hielten Einzug und die Staatsmänner verliebten sich wieder einmal in die Topmodelle 500 SEL und 600 SEL.

Welche Prominente S-Klasse fahren – und weshalb
Elton JohnElton John präsentiert stolz seine Fahrzeugflotte, während er selbst auf einem Motorrad posiert. In seinem Fuhrpark fanden vor allem Mercedes und Rolls Royce Platz. „Ich fahre gerne schnell und sicher“, antwortete er Reportern, die ihn auf seinen Mercedes 560 SEL ansprachen, mit dem er 1989 auf seine Deutschland-Tournee ging.Mehr zum ThemaMitten in der größten Krise der Automobilindustrie soll der Mythos S-Klasse Daimler retten: Nische statt Breite, Marge statt Stückzahl, Asien statt Europa – und sehr viel Risiko. Lesen Sie hier die große Analyse der WirtschaftsWoche. Quelle: Getty Images
Michael SchanzeMichael Schanze schwelgt noch immer in Erinnerungen, wenn man ihn auf seine damalige S-Klasse anspricht: „Unseren ersten Sohn Florian habe ich mit meiner ersten S-Klasse aus dem Krankenhaus abgeholt – die frischgebackene Mutter inklusive. Der Sicherheits-Aspekt war damals ausschlaggebend für mein Umdenken beim Thema Auto.“ Heute fährt der Schauspieler und langjährige Moderator der Fernsehshow „1, 2 oder 3“ BMW. Quelle: Getty Images
Uschi Glas Quelle: dpa Picture-Alliance
Nigel MansellDer Rennfahrer und Formel-1-Weltmeister von 1992 Nigel Mansell (links) fuhr privat S-Klasse. Seinen blaugrauen 500 SEC holte er 1982 persönlich im Kundencenter in Sindelfingen ab. Hier zu sehen ist er in einem Mercedes Simplex beim „London to Brighton Veteran Car Run“ 2011 mit dem britischen Parlamentarier Mike Penning. Quelle: Presse
Ayrton Senna da Silva Quelle: Presse
Kool Savas„Der Wagen ist ein Zeichen der Dankbarkeit an die deutschen Rapper, die mich ständig erwähnen und so erfolgreich machen“, twitterte Rapper Kool Savas, als er sich 2015 seine S-Klasse für mehr als 200.000 Euro kaufte. Das Bild zeigt ihn 2012 bei seiner Driving Experience mit einem Mercedes-Benz G 63 AMG. Quelle: dpa Picture-Alliance
Ivan Rebroff Quelle: imago images

Endlich wieder im Programm: der imageträchtige Zwölfzylinder mit bis zu 408 PS. „Der W 140 war seinerzeit das Sinnbild für größtmöglichen Komfort“, erinnert sich Frank Knothe, ehemals für die Entwicklung verantwortlich, „alle Ingenieure bei Daimler haben sich damals wirklich in die Eisen gelegt, um dem Auto das Maximum am Fahrkomfort zu bringen. Dazu gehörten zum Beispiel auch Doppelscheiben oder eine Fahrschemel-Achse. Alles war vom Besten und vom Feinsten.“ Erstmals war der als Mercedes-Benz S 300 TD bzw. S 350 TD auch in Europa mit einem besonders sparsamen Dieselmotor zu ordern.

Der 1998 vorgestellte Nachfolger W 220 wurde in den verschiedensten Varianten zwischen S 320 CDI und S 600 L angeboten. „Der 220er hat mit seiner Ausstattung nicht nur beim Thema Komfort, sondern besonders auch bei der Sicherheit Maßstäbe gesetzt“, erinnert sich S-Klasse-Entwickler Karl-Heinz Baumann, „zum Beispiel mit dem reversiblen Gurtstraffer.“ So imposant der W 140 auch war, stimmte der W 220 optisch leisere Töne an. Die jüngere Vergangenheit präsentiert sich mit der S-Klasse der Generationen W 221 (ab 2005) und W 222 (aktuelles Modell) einmal mehr auf dem höchsten technischen Niveau, mit modernsten Antrieben und einer zeitlosen Eleganz. Das kann man ab Oktober auch vom Nachfolger der Baureihe W 223 erwarten. Dabei wird die S-Klasse das bleiben, was sie seit fast einem halben Jahrhundert ist: das Aushängeschild deutscher Automobilgeschichte.

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