Feinstaub bei Benzinern Wenn ein Smart so dreckig wie ein Luxusdampfer ist

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Daimlers Smart: Schlusslicht beim Partikelausstoß

Tests des Automobilclubs ADAC setzen Politik und Hersteller gehörig unter Druck. So bestätigt der ADAC etwa die spektakulären Messungen der Umwelthilfe am Smart. Bei einem umfassenden ADAC-Test, dessen Protokoll der WirtschaftsWoche vorliegt, emittierte ein zweisitziges Smart Cabrio (0,9 Liter Turbo) durchschnittlich 83.000 Milliarden Partikel pro Kilometer. Das ist das 138-Fache des Grenzwerts, den Dieselfahrzeuge schon seit 2011 einhalten müssen. Bei Autobahntempo schaffte der Smart sogar 263.000 Milliarden Partikel – das 440-Fache des Dieselgrenzwerts. Der Euro-6-Smart sei das Schlusslicht beim Partikelausstoß, befindet der ADAC. Für ein Stadtauto seien die Werte „untragbar“.

Nach der aggressiven Hauptversammlung 2016 bemüht sich Volkswagen in diesem Jahr sichtlich um Demut vor den Aktionären. Der Blick soll wieder nach vorne gerichtet werden. Doch das gelingt nur teilweise.
von Sebastian Schaal

Smart-Hersteller Daimler widerspricht den Messergebnissen nicht, betont aber, dass die 440-fache Überschreitung bei einem „Tempo bis 130 Kilometer pro Stunde“ gemessen worden sei, was ein „sehr anspruchsvoller“ Test sei. Daimler unterstütze das weltweit übliche WLTP-Messverfahren. Allerdings: Auch im WLTP-Test ist der Smart laut ADAC der mit Abstand größte Schmutzfink, mit einem über 13-Fachen des maximal erlaubten Partikelaustoßes von Dieselautos.

Umwelthilfe fordert Verkaufsverbot

Die Deutsche Umwelthilfe, die im Dieselskandal zum gefürchteten Gegenspieler etlicher Autobauer heranwuchs, verlangt von Daimler-Chef Dieter Zetsche, dass er den Verkauf von Smart-Modellen mit hohen Partikelemissionen umgehend stoppt und die bereits verkauften Autos nachbessern lässt. Von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt forderte die Umwelthilfe am Dienstag, die Typzulassung der betroffenen Smarts zu überprüfen. „Aktuelle Messungen der DUH im Straßenverkehr sowie des ADAC zeigen, dass die Daimler AG mit dem smart fortwo 0.9 Turbo den europaweit am schmutzigsten gemessenen Pkw bei den Rußpartikelemissionen verantwortet“, heißt es in einem Schreiben Reschs an Dobrindt. Die Umwelthilfe sehe in den hohen Werten „einen Verstoß gegen die Zulassungsbestimmungen der Europäischen Kommission“. Daimler wollte sich zu der Forderung nicht äußern.

Die Flop Ten im ADAC EcoTest 2017

Die Enthüllungen beim Smart bringen auch das Ökotrend-Institut in Wuppertal – nicht zu verwechseln mit dem Freiburger Öko-Institut – in Bedrängnis. Ökotrend bewertet seit Jahren die Umweltverträglichkeit von Autos. Hersteller können mit „Auto-Umwelt-Zertifikaten“ werben, wenn die Autos bestimmte Kriterien erfüllen und die Autobauer das Institut bezahlen. Dass sämtliche Smarts von Ökotrend beim Abgasverhalten ein „sehr gut“ bekamen, erscheint angesichts der Messungen verwunderlich. Auf Nachfrage räumte Instituts-Chef Thomas Wiesand ein, dass das Siegel für den Smart aus heutiger Sicht „ein Fehler“ gewesen sei: „Bis August sind wir nicht in der Lage, die Verwendung des Siegels zu verhindern, weil der Vertrag mit Smart zur Nutzung so lange noch läuft. Aber danach wird es von Ökotrend kein Siegel mehr für Smarts mit Benzinmotor geben“, sagt er. Daimler nimmt das offenbar hin: „Wir respektieren die Entscheidung von Ökotrend als unabhängige Organisation bei der Verleihung des Siegels“, so ein Daimler-Sprecher.

Die größten Stickoxid-Sünder
Mercedes-Benz V250dPrüfstandswert: 40 Milligramm NOx pro KilometerStraßenwert: 313 Milligramm NOx pro KilometerÜberschreitung: 291 Prozent Quelle: Daimler
Ford C-Max 1.5 TDCIPrüfstandswert: 79 Milligramm NOx pro KilometerStraßenwert: 437 Milligramm NOx pro KilometerÜberschreitung: 446 Prozent Quelle: Ford
Ford C-Max 2.0 TDCIPrüfstandswert: 79 Milligramm NOx pro KilometerStraßenwert: 481 Milligramm NOx pro KilometerÜberschreitung: 501 Prozent Quelle: Ford
Jaguar XE 2.0DPrüfstandswert: 45 Milligramm NOx pro KilometerStraßenwert: 594 Milligramm NOx pro KilometerÜberschreitung: 642 Prozent Quelle: Jaguar Land Rover
Opel Insignia 2.0 CDTIPrüfstandswert: 45 Milligramm NOx pro KilometerStraßenwert: 637 Milligramm NOx pro KilometerÜberschreitung: 696 Prozent Quelle: Opel
Opel Zafira 1.6 CDTIPrüfstandswert: 74 Milligramm NOx pro KilometerStraßenwert: 720 Milligramm NOx pro KilometerÜberschreitung: 800 Prozent Quelle: Opel
Porsche Macan S DieselPrüfstandswert: 58 Milligramm NOx pro KilometerStraßenwert: 791 Milligramm NOx pro KilometerÜberschreitung: 889 Prozent Quelle: Porsche

Feinstaub und die seit dem VW-Skandal berüchtigten Stickoxide belasten die Städte. Laut EU-Berechnungen kostet Feinstaub jedes Jahr in Deutschland rund 60.000, Stickoxid bis zu 10.000 Menschenleben. Weil viele Kommunen die gesetzlichen Grenzen für Stickoxide nicht schaffen, werden nun Fahrverbote für Innenstädte diskutiert. Dabei im Mittelpunkt: der Diesel, der an hohen Stickoxidemissionen krankt.

Die Feinstaubemissionen des Diesel sind seit der Einführung von Partikelfiltern dagegen kein Problem mehr. Dafür reifte jedoch bei Benzinern wie dem Smart in den vergangenen Jahren ein neues Feinstaubproblem heran. Denn bei Benzinmotoren, die mittels indirekter (Smart, Renault Twingo) oder direkter (Opel Corsa, VW Golf) Treibstoffeinspritzung auf geringeren CO2-Ausstoß getrimmt werden, läuft die Verbrennung oft unvollständig ab, wodurch die Feinstaubwerte in die Höhe schnellen. Platt gesprochen: Autohersteller opfern die Gesundheit der Stadtbewohner auf dem Altar des Klimaschutzes.

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