Ein kleiner, eckiger Kasten, oben ein Tragegriff. Was Jürgen Resch für seinen Frühlingsspaziergang durch die sonnige Berliner Innenstadt mitgebracht hat, sieht aus wie ein Arztköfferchen, ist aber ein „Partikelanzahlmessgerät“. Mit dem TSI P-TRAC 8525 kann der Chef der Deutschen Umwelthilfe (DUH) Feinstaubsünder aufspüren – Autos, die besonders viele gesundheitsschädliche Partikel in die Luft blasen.
Der Umweltaktivist muss nicht lange suchen: Hinter einem benzinbetriebenen Smart misst er 440.000 Partikel pro Kubikzentimeter Luft. Resch: „Ich habe schon viele schlechte Werte gesehen, aber so etwas findet man sonst nur in den Abgasfahnen von Kreuzfahrtschiffen.“
Der winzige Smart ist in Wahrheit ein rußender Riesenschlot. Ausgerechnet der Zweisitzer, der für dicht besiedelte, urbane Räume konzipiert wurde, vergiftet dort die Menschen mit besonders viel krebserregenden und kreislaufschädigenden Partikeln. Feinstaub ist, wie etwa der Münchner Epidemiologe Erich Wichmann sagt, noch deutlich gefährlicher für die Gesundheit als die durch den Dieselskandal in die Kritik geratenen Stickoxide.
Welche Schadstoffe im Abgas stecken
Stickoxide (allgemein NOx) gelangen aus Verbrennungsprozessen zunächst meist in Form von Stickstoffmonoxid (NO) in die Atmosphäre. Dort reagieren sie mit dem Luftsauerstoff auch zum giftigeren Stickstoffdioxid (NO2). Die Verbindungen kommen in der Natur selbst nur in Kleinstmengen vor, sie stammen vor allem aus Autos und Kraftwerken. Die Stoffe können Schleimhäute angreifen, zu Atemproblemen oder Augenreizungen führen sowie Herz und Kreislauf beeinträchtigen. Pflanzen werden dreifach geschädigt: NOx sind giftig für Blätter und sie überdüngen und versauern die Böden. Außerdem tragen Stickoxide zur Bildung von Feinstaub und bodennahem Ozon bei.
Kohlendioxid (CO2) ist in nicht zu großen Mengen unschädlich für den Menschen, aber zugleich das bedeutendste Klimagas und zu 76 Prozent für die menschengemachte Erderwärmung verantwortlich. Der Straßenverkehr verursacht laut Umweltbundesamt rund 17 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen in Deutschland – hier spielt CO2 die größte Rolle. Es gibt immer sparsamere Motoren, zugleich aber immer größere Autos und mehr Lkw-Transporte. Außerdem mehren sich Hinweise darauf, dass Autobauer nicht nur bei NOx-, sondern auch bei CO2-Angaben jahrelang getrickst haben könnten.
Bei der Treibstoff-Verbrennung in vielen Schiffsmotoren fällt auch giftiges Schwefeldioxid (SO2) an. In Autos und Lkws entsteht dieser Schadstoff aber nicht, was am Kraftstoff selbst liegt: Schiffsdiesel ist deutlich weniger raffiniert als etwa Pkw-Diesel oder Heizöl und enthält somit noch chemische Verbindungen, die bei der Verbrennung in Schadstoffe umgewandelt werden.
Winzige Feinstaub-Partikel entstehen entweder direkt in Automotoren, Kraftwerken und Industrieanlagen oder indirekt durch Stickoxide und andere Gase. Die Teilchen gelangen in die Lunge und dringen in den Blutkreislauf ein. Sie können Entzündungen der Atemwege hervorrufen, außerdem Thrombosen und Herzstörungen. Der Feinstaub-Ausstoß ist in Deutschland seit Mitte der 1980er Jahre deutlich gesunken. Städte haben Umweltzonen eingerichtet, um ihre Feinstaubwerte zu senken.
Feinstaub entsteht aber nicht nur in den Motoren. Auch der Abrieb von Reifen und Bremsen löst sich in feinsten Partikeln. Genauso entstehen im Schienenverkehr bei jedem Anfahren und Bremsen feiner Metallabrieb an den Schienen. All das landet ebenfalls als Feinstaub in der Luft.
Katalysatoren haben die Aufgabe, gefährliche Gase zu anderen Stoffen abzubauen. In Autos wandelt der Drei-Wege-Kat giftiges Kohlenmonoxid (CO) mit Hilfe von Sauerstoff zu CO2, längere Kohlenwasserstoffe zu CO2 und Wasser sowie NO und CO zu Stickstoff und CO2 um. Der sogenannte Oxidations-Kat bei Dieselwagen ermöglicht jedoch nur die ersten beiden Reaktionen, so dass Dieselabgase noch mehr Stickoxide enthalten als Benzinerabgase. Eingespritzter Harnstoff („AdBlue“) kann das Problem entschärfen: Im Abgasstrom bildet sich so zunächst Ammoniak, der anschließend in Stickstoff und Wasser überführt wird.
Droht nach Dieselgate, das Volkswagen ins Wanken brachte, den Ruf der Autoindustrie ramponierte und Fahrverboten in Innenstädten Vorschub leistete, nun auch noch ein Benzingate? Vor lauter Fixierung auf die hohen Stickoxidemissionen der Skandal-Diesel wurde das andere große Umweltthema – der Feinstaub – fast übersehen. Und da kommen die Benziner ins Spiel: Der Smart ist nur die extremste Partikelschleuder mit Benzinmotor, bei Weitem aber nicht die einzige. Opel, Volvo, Suzuki, Ford, Kia, Volkswagen – die Liste der Hersteller, deren Benziner bei Feinstaubmessungen von DUH und dem Automobilclub ADAC unangenehm auffielen, ist lang.
Noch sind die hohen Emissionen in der Regel legal. Ab September aber gelten in der EU strengere Grenzwerte für den Partikelausstoß von Benzinern mit Direkteinspritzung. Gemessen am bisherigen Grenzwert, dürfen sie dann nur noch ein Zehntel der Partikel emittieren. Für herkömmliche Benziner ohne Direkteinspritzung gibt es diese Grenzwerte nicht, weil sie in der Regel nicht stark rußen. Die Direkteinspritzer sind die große Hoffnung der Autobauer. Derzeit ist rund jedes zweite Neufahrzeug in Europa mit Benzindirekteinspritzung ausgestattet. Bis 2020 soll der Anteil nach Schätzungen von Bosch auf 60 Prozent steigen.
Doch das Verschmutzungsprivileg der Direkteinspritzer läuft im September aus. Neu auf den Markt gebrachte Modelle müssen in der EU dann die Werte von Dieselfahrzeugen schaffen. Das geht nur, wenn durch die Bank Partikelfilter eingebaut werden.
Millionen von Benzinern ohne Partikelfilter dagegen werden weiter rußen, auch Neuwagen bereits etablierter Modellreihen. Sie laufen so Gefahr, per Fahrverbot aus Innenstädten verbannt zu werden. Autobauern droht nach dem Dieselskandal und der Diskussion um Fahrverbote für Diesel wegen zu hoher Stickoxidemissionen nun auch eine Debatte um die Feinstaubemissionen von Benzinern. Der Automobilwirtschafts-Professor Willi Diez aus Geislingen bei Stuttgart hält es aufgrund der Emissionswerte für gut möglich, „dass der Blick auch auf die Benziner geht“. Das könne dazu führen, dass manche Kunden weder Diesel noch Benziner wollten – und ganz auf den Autokauf verzichteten.