
Eine Millionen Elektroautos. Diese Zahl schwebt über allem. Vor fünf Jahren hat Kanzlerin Angela Merkel dieses Ziel gesteckt, das 2020 erreicht werden soll. Mit der „Energiewende auf der Straße“ solle Deutschland bei der Elektromobilität vorne weg fahren.
Rund 22.000 Elektroautos sind Stand Ende Mai auf deutschen Straßen unterwegs, dazu kommen gut 120.000 sogenannte-Plug-In Hybride, die neben einem Elektro- auch einen Verbrennungsmotor haben. Kurze Strecken können diese Autos elektrisch fahren, auf längeren Etappen übernimmt der Benziner oder Diesel.
Umstrittene Förderung für Elektroautos
Beim Kampf gegen die Erderwärmung geraten immer wieder die Autofahrer in den Blick. Der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) geht in Deutschland nämlich zu einem Sechstel auf das Konto des Straßenverkehrs. Als klimaschonende Variante gelten Elektroautos, die nicht mit Benzin, sondern mit Strom angetrieben werden. Deshalb will der Bundestag am Donnerstagnachmittag ein Gesetz verabschieden, das einige Privilegien für die Besitzer von E-Autos vorsieht.
Wenn es nach der Bundesregierung geht: viel zu wenige. Bis zum Jahr 2020 wird nämlich die Zielmarke von einer Million E-Autos angepeilt. Zu Jahresbeginn waren es aber nur 18.948 Fahrzeuge mit reinem Elektromotor sowie 107.754 Hybrid-Autos, die sowohl mit einem Elektro- als auch mit einem herkömmlichem Verbrennungsmotor fahren können. Im Vergleich zu den bundesweit 44,4 Millionen zugelassenen Pkw ist der Anteil der Elektroautos aber verschwindend gering.
Zum einen ist der Anschaffungspreis relativ hoch: So kostet der VW-Kleinwagen Up! in der Elektroversion mit fast 27.000 Euro etwa dreimal so viel wie das Basismodell. Ein weiteres Problem ist die Reichweite: Derzeit muss ein reines E-Auto im Schnitt nach 150 Kilometern neu geladen werden, doch dafür fehlt vor allem auf dem Land die notwendige Infrastruktur. Und die niedrigen Spritpreise motivieren derzeit auch nicht gerade zum Abschied vom Benziner.
Eine staatliche Kaufprämie, die immer wieder gefordert wird, ist derzeit nicht vorgesehen. Stattdessen sollen E-Autos die innerstädtischen Busspuren nutzen können und spezielle, kostenfreie Parkplätze erhalten. Allerdings schafft der Bundestag mit seinem Gesetz lediglich die rechtliche Grundlage dafür. Ob den Elektroautos tatsächlich solche Privilegien eingeräumt werden, muss jede Kommune für sich selbst entscheiden.
Eher nicht. Kaum eine deutsche Großstadt will ihre Busspuren für Elektroautos öffnen. So haben Berlin, Hamburg und München bereits deutliche Ablehnung signalisiert: Mit Bussen, Taxis und Krankenwagen sei bereits die Grenze der Belastbarkeit erreicht. Auch der Deutsche Städtetag warnt, die Zulassung weiterer Fahrzeuge auf der Busspur würde den öffentlichen Nahverkehr verlangsamen. Die Forderungen nach staatlichen Kaufanreizen reißen ebenfalls nicht ab. So wünscht sich die Autoindustrie großzügige Steuererleichterungen für elektronische Firmenwagen. Für Privatleute brachte der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) eine Kaufprämie von 5000 Euro ins Gespräch. Ähnliche Regelungen gibt es bereits in Frankreich und China. Doch davon will die Bundesregierung nichts wissen.
So droht Deutschland zu einem Leitanbieter ohne Leitmarkt zu verkommen. 19 Elektro-Modelle haben deutsche Autobauer im Angebot, zehn weitere sollen bis Ende des Jahres dazukommen. Der oberste Auto-Lobbyist Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) jubelt: „Eine solche Vielfalt hat keine andere Automobilnation.“ Einzig: Das Angebot ist inzwischen groß, die Nachfrage aber gering.
Fast alle fordern eine Förderung
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Zwischenstände wie diese lassen die Skepsis an dem von Merkel ausgerufenen Ziel wachsen. Das Fraunhofer-Institut geht wegen der zahlreichen Unsicherheiten eher von 150.000 E-Autos im Jahr 2020 aus. Nur im bestmöglichen Szenario sei die Millionen-Marke zu erreichen.
Auch die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE), ein 2010 ins Leben gerufenes Bündnis von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, sieht die Merkel’sche Million in Gefahr. In einem Zwischenbericht, den NPE-Sprecher Henning Kagermann im Dezember 2014 der Kanzlerin überreichte, gehen die Experten „nach heutigem Erkenntnisstand und Prognosen“ etwa von einer halben Millionen Elektrofahrzeugen aus. Die Million bleibe aber erreichbar, dafür müssen „die Rahmenbedingungen angepasst“ werden. Soll heißen: Es muss eine staatliche Förderung für die Ladenhüter her.





Aufgeben will die Politik das Ziel allem Gegenwind zum Trotz aber nicht. In Berlin wird jetzt auf der Nationalen Konferenz Elektromobilität, so der sperrige Titel, zwei Tage lang diskutiert, wie der vielmals herbeigeredete Durchbruch wirklich geschafft werden soll. Mit dabei ist alles, was Rang und Namen hat: Bundeskanzlerin Merkel, Verkehrsminister Dobrindt, Wirtschaftsminister Gabriel und Daimler-Chef Dieter Zetsche, um einige zu nennen.
Von dem „Elektro-Gipfel“ wurden entscheidende Impulse erwartet. Wer dachte, dass Merkel mit einem milliardenschweren Förderpaket in der Tasche anreist, der wurde enttäuscht. Dass es doch nicht ganz ohne staatliche Anreize geht, hat man inzwischen auch im Kanzleramt erkannt. In ihrer Rede stellte die Merkel neue Förderungen noch in diesem Jahr in Aussicht. Deutschland werde „um eine weitergehende Förderung nicht herumkommen, obwohl wir schon Einiges gemacht haben“, sagte Merkel.
Elektroauto-Absatz 2014 in Deutschland
Modell: Audi A3 e-tron
Verkaufte Autos: 460 Fahrzeuge
Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt KBA
Modell: Renault Twizy
Verkaufte Autos: 573 Fahrzeuge
Modell: VW E-Golf
Verkaufte Autos: 601 Fahrzeuge
Modell: Nissan Leaf
Verkaufte Autos: 812 Fahrzeuge
Modell: Tesla Model S
Verkaufte Autos: 814 Fahrzeuge
Modell: Mitsubishi Outlander PHEV
Verkaufte Autos: 1.068 Fahrzeuge
Modell: VW E-Up
Verkaufte Autos: 1.354 Fahrzeuge
Modell: Renault Zoë
Verkaufte Autos: 1.498 Fahrzeuge
Modell: Smart Fortwo ED
Verkaufte Autos: 1.589 Fahrzeuge
Modell: BMW i3*
Verkaufte Autos: 2.231 Fahrzeuge
*inklusive Modelle mit Range Extender
Die Industrie fordert, dass gewerbliche Halter im ersten Jahr die Hälfte des Kaufpreises abschreiben können sollen. Diese Sonder-Abschreibung, die die NPE in ihrem Zwischenbericht an erster Stelle gefordert hatte, wird derzeit vom Finanzministerium geprüft. Laut der Kanzlerin werde die Regierung werde nochmals alle Instrumente studieren. Entschieden sei noch nichts, doch solle noch in diesem Jahr eine Antwort gefunden werden. „Ich habe einigermaßen klare Vorstellungen, was die Bundesregierung noch zu leisten hat“, so Merkel. Festlegen auf die Abschreibung will sich die Kanzlerin aber nicht: „Steuerliche Maßnahmen erfordern immer das Einverständnis von Bund und Ländern.“
Skeptischer äußerte sich Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Man müsse aufpassen, dass man nicht durch das beständige Wiederholen „von nicht erreichbaren Zielen am Ende sich und das Projekt lächerlich macht“, sagte der Vizekanzler. Er sei dafür, die Ziele dennoch nicht zu reduzieren und sich lieber etwas einfallen zu lassen, um sie zumindest annähernd zu erreichen.
Bislang wird hierzulande vor allem die Forschung gefördert, in den vergangenen vier Jahren hat die Regierung hierfür rund 1,5 Milliarden Euro bewilligt. In Frankreich, Schweden, den Niederlanden und Norwegen sorgt der Staat mit steuerlichen Anreizen für die Anschubfinanzierung – entsprechend mehr Elektroautos sind dort unterwegs. In den Niederlanden zum Beispiel sind Käufer von E-Autos von Umsatz- und Kfz-Steuer befreit. Bei Mittelklassewagen macht das bis zu 8.000 Euro aus.