WirtschaftsWoche: Herr Fields, Ford hat im vergangenen Jahr rund 2,3 Milliarden US Dollar weniger verdient als 2013. Der Absatz stagnierte bei 6,3 Millionen Fahrzeugen. Bereuen Sie Ihre Entscheidungen im zurückliegenden Jahr?
Mark Fields: Nein, ich bereue überhaupt nichts. Wir haben immer gesagt, dass 2014 ein Übergangsjahr werden würde. Aber eben auch ein wichtiges Jahr, um die Weichen für mehr Wachstum zu stellen – sowohl beim Umsatz als auch beim Absatz. Wir hatten 24 Modelleinführungen, viele davon im dritten und vierten Quartal. Trotzdem haben wir das fünfte Jahr in Folge profitabel gewirtschaftet. 2015 wird für uns ein Jahr des Durchbruchs – auf Finanzseite und beim Wachstum. Und dazu gehören auch 15 weitere neue Modelle.
Zur Person
Mark Fields, 54, steht seit 1. Juli an der Spitze des US-Autokonzerns Ford. Er beerbte Chef und Mentor Alan Mulally. Gemeinsam führten sie Ford ohne staatliche Beihilfen aus der Krise zurück in die Profitabilität. Fields leitete seit 2005 das Nord- und Südamerika-Geschäft. Davor stand er der Ford-Premium-Division mit damals Volvo, Jaguar, Land Rover und Aston Martin vor.
Wie viele davon bringen Sie in Europa auf den Markt?
Zehn, und zwar nicht nur Modellerneuerungen. Wir gehen mit einigen Fahrzeugen auch in ganz neue Segmente. Damit setzen wir Stück für Stück unsere Transformationsstrategie in Europa um. Wir machen gute Fortschritte bei den Produkten. Das zeigt sich auch am Marktanteil im Pkw-Markt, den wir zum ersten Mal seit 2009 auf 8,0 Prozent ausbauen konnten. Und im Markt für leichte Nutzfahrzeuge sind wir von der Nummer sieben zur Nummer drei aufgestiegen. Gleichzeitig machen wir Fortschritte bei den Kosten und der Marke.
Dennoch schreibt Ford in Europa immer noch rote Zahlen. Wann kommt der Turnaround?
Wir haben uns kein fixes Zeitziel gesetzt. Wir werden den Verlust in diesem Jahr weiter verringern und wollen, so schnell es geht, wieder profitabel sein. Russland macht uns dabei natürlich große Probleme.
Mit welcher Entwicklung rechnen Sie in den kommenden Monaten?
Das wird eine lange Trockenzeit. Wir erwarten ein weiter schrumpfendes Bruttoinlandsprodukt. Der Industriesektor wird sich im Vergleich zum Vorjahr nochmals deutlich verschlechtern. Aber Russland ist immer noch ein großer Markt.
Die stärksten Marken auf Russlands Automarkt
Mit 456.309 verkauften Fahrzeugen ist Lada die stärkste Marke auf dem russischen Markt mit einem Anteil von über 20 Prozent. Die Marke des Herstellers AvtoVaz verliert allerdings seit Jahren an Bedeutung. Im Vergleich zu 2012 wurden 2013 gut 15 Prozent weniger Ladas verkauft.
Renault-Nissan hält über direkte und indirekte Beteiligungen fast 50 Prozent an Russlands größtem Autobauer AvtoVaz (Lada). Renault verkaufte im vergangenen Jahr 210.099 Modelle in Russland (+11%) und ist damit mit einem Marktanteil von gut 8 Prozent die zweitstärkste Marke. Durch seine enge Verflechtung mit dem Lada-Hersteller hat Renault einen sehr hohen Anteil von lokalen Zulieferern. Die so genannte Sourcing-Quote liegt bei 80 Prozent.
Die Koreaner haben derzeit rund 7 Prozent Marktanteil mit 198.018 verkauften Modellen. Sechs Prozent mehr als im Vorjahr.
Die Schwester-Marke von Kia kann sich ebenfalls gut behaupten. Sie verkaufte 1881.153 Autos in Russland – vier Prozent mehr als 2012.
Auch die Amerikaner machen in Russland gute Geschäfte - noch. Die Schwester-Marke von Opel verkaufte 2013 genau 174.649 Autos. 15 Prozent weniger als 2012. Mutterkonzern General-Motors hat entschieden, dass Chevrolet in Europa nur noch bis 2016 verkauft wird, dann soll Opel die Märkte übernehmen.
Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?
Wir investieren weiter und werden zwischen Ende 2014 und Ende 2015 sechs neue Modelle auf den Markt bringen.
Trotz der gewaltigen Krise im Land?
Es gibt für mich keinen schlechten Zeitpunkt, um ein tolles, neues Modell einzuführen, auch wenn die wirtschaftlichen Umstände schwierig sind. Aber natürlich müssen wir gegensteuern. Wir haben die Produktion heruntergefahren, die Belegschaft reduziert. Wir versuchen gemeinsam mit unseren Partnern vor Ort, die Situation zu verbessern.
In China hat Ford gerade die Marke eine Million verkaufte Fahrzeuge geknackt. Wo wollen Sie noch hin?
Wir investieren kräftig. 2013 konnten wir 740.000 Pkws produzieren und etwa 200.000 Nutzfahrzeuge. Zum Ende dieses Jahres werden wir 1,4 Millionen Pkws und 500.000 Nutzfahrzeuge fertigen können. Wir erhöhen dafür die Kapazitäten in unseren bestehenden Werken und bauen zwei neue Fabriken in diesem Jahr. Gleichzeitig bringen wir 18 neue Modelle auf den Markt. Wir sehen noch sehr viel Wachstumspotenzial.
„Ford soll auch in Europa aus der grauen Zone raus“
Gilt das auch für Ihre Luxusmarke Lincoln?
Wir haben die Marke im November auf den chinesischen Markt gebracht. Aktuell haben wir erst neun Händler, aber schon Ende 2016 werden es 50 Händler in 16 Städten sein. Es ist vielleicht noch etwas zu früh, um eine Prognose abzugeben, aber die ersten Monate mit Lincoln in China waren äußerst vielversprechend. Wir haben wirklich große Erwartungen an den Erfolg der Marke. Bedenkt man, dass China einmal der größte Markt für Luxusautos sein wird, glauben wir, dort mehr Lincoln-Modelle verkaufen zu können als in den USA.
Wenn Sie so große Hoffnungen in die Marke setzen, warum kommt Lincoln nicht auch nach Europa?
Der Fokus liegt auf China und den USA. Europa ist derzeit nicht geplant.
Ford ist in Europa das, was man eine graue Marke nennt. Wie wollen Sie das ändern, wofür soll Ford stehen?
Wir wollen die Marke tatsächlich in Zukunft etwas besser positionieren und sie breiter aufstellen, nach oben öffnen.
Woraus sich der Preis eines Neuwagens zusammensetzt
Der Listenpreis (brutto) des untersuchten Kompaktwagens liegt bei 26.780 Euro.
Quelle: Institut für Automobilwirtschaft (IFA)
Der Staat kassiert bei diesem Neuwagenpreis 4.276 Euro Mehrwertsteuer, was bei unserem Kompaktwagen zu einem Nettolistenpreis von 22.504 Euro führt. Dieser Nettopreis wird im Folgenden als 100 Prozent betrachtet.
9.789 Euro oder 43,5 Prozent des Nettopreises
2.250 Euro oder 10 Prozent des Nettopreises
2.138 Euro oder 9,5 Prozent des Nettopreises
1.350 Euro oder 6 Prozent des Nettopreises
1.013 Euro oder 4,5 Prozent des Nettopreises
563 Euro oder 2,5 Prozent des Nettopreises
450 Euro oder 2 Prozent des Nettopreises
Beim Händler bleiben 3.713 Euro oder 16,5 Prozent des Nettopreises hängen
Bei einem Nettopreis von 22.504 Euro kann der Hersteller 1.238 Euro oder 5,5 Prozent als Gewinn verbuchen
So wie Sie das beim neuen Mondeo machen, der unter dem Namen Vignale in einer edlen Ausführung sowie in schicken Lounges angeboten wird?
Das ist ein Teil unserer Strategie, ja. Zu ihr gehört aber auch, dass wir den neuen Sportwagen Ford Mustang und den sportlichen Geländewagen Ford Edge bringen. Das sind höherwertige Fahrzeuge zu höheren Preisen. Und wir wollen künftig stärker für Innovationen und Technologie bekannt sein, wie wir das mit dem Ford Mondeo mit Hybridantrieb, dem C-Max Plug-in oder auch durch das autonome Fahren machen. Diese Produkte bringen uns Reputation. Der Erfolg des Kuga hat uns dazu ermutigt. Wir werden in jeder größeren europäischen Stadt Stores eröffnen, insgesamt 200. Ein völlig neues Markenerlebnis für Kunden und die Möglichkeit, Vignale und Mustang zu kaufen.
Mit welchen Technologien will Ford punkten?
Mit Technologien, die für Qualität, Sicherheit, geringen Verbrauch und Fahrzeugvernetzung stehen...
...davon reden Ihre Kollegen bei Audi, BMW oder Mercedes doch schon länger.
Exakt. Aber jetzt sind wir wieder beim Thema Marke. Ford wird diese Technologien für alle zugänglich und erschwinglich machen.
Was heißt für Sie „erschwinglich“?
Das kommt darauf an, wie hoch der Kunde den Wert dieser Technologie schätzt. Deshalb betreiben wir viel Marktforschung.
Hand aufs Herz, könnte es Ihr Brot-und-Butter-Modell Fiesta eines Tages auch mit einem Fahrerassistenzsystem für autonomes Fahren geben, das wohl zuerst in Premiumfahrzeuge eingebaut werden wird?
Die Vernetzung der Fahrzeuge wird über alle Klassen hinweg ein riesiges Thema in Europa spielen. Vielleicht also auch eines Tages im Fiesta.
Sie sagten einmal, erfolgreich kann nur sein, wer mit Traditionen bricht. Mit welcher Tradition werden Sie 2015 bei Ford brechen?
Nun, wir fordern unser gesamtes Unternehmen, unsere komplette Organisation immer wieder dazu auf, das Geschäft mit frischen Augen zu sehen und nicht zu fürchten, mit Traditionen zu brechen. Es gibt keine bestimmte, nicht die eine große Tradition. Mir geht es um Innovation, egal, wie groß oder klein sie auch sein mag. Jeder bei Ford kann dazu beitragen, innovativ zu sein. Wir wollen 1000 kleine Leuchtfeuer.