
Bernard Charles Ecclestone zog die übliche Bernie-Show ab und gab den harten Hund: Keine Ahnung, ob er am Ende des Jahres noch lebe. Entsprechend könne er nicht mit Sicherheit sagen, ob alle zehn Formel-1-Teams bis zum Saisonfinale durchhalten oder einige vorher pleitegehen. „Und ich bin mir sicher, dass Sie auch nicht sicher sind, ob Sie am Jahresende noch leben“, blaffte der 84-Jährige seine Gesprächspartner unlängst an.
Die Masche des altgedienten Formel- 1-Zampanos, mit Schnoddrigkeit alle Zweifel vom Tisch zu wischen –, sie übertüncht nur hauchzart Ungewissheit und Ratlosigkeit, die den Bolidenzirkus und seine Macher plagen: Zuschauerzahlen im Fernsehen wie an der Rennstrecke sinken teils dramatisch, und niemand weiß, ob der Trend aufzuhalten ist. Im Kernmarkt Deutschland findet erstmals seit 50 Jahren wohl kein Rennen statt – obwohl die Vorzeigemarke Mercedes 2014 einen Doppel-Triumph feierte. Zudem verliert das Spektakel immer mehr den Anschluss an die jungen Fans. „Es droht ein Generationenabriss“, sagt Friedhelm Lange, Motorsportexperte beim Kölner Beratungsunternehmen Repucom.
Welche Budgets die Formel-1-Teams haben
Budget: 240 Millionen Euro
Mitarbeiter: 700
Budget: 250 Millionen Euro
Mitarbeiter: 550
Budget: 240 Millionen Euro
Mitarbeiter: 640
Budget: 140 Millionen Euro
Mitarbeiter: 500
Budget: 230 Millionen Euro
Mitarbeiter: 560
Budget: 95 Millionen Euro
Mitarbeiter: 320
Budget: 120 Millionen Euro
Mitarbeiter: 320
Budget: 85 Millionen Euro
Mitarbeiter: 500
Budget: 100 Millionen Euro
Mitarbeiter: 300
Auf den ersten Blick wirkt der Niedergang absurd: Die Formel 1 greift an, geht in neue Märkte und verschafft ihren Partnern Zugang zu neuen Käufergruppen. „Nach Olympia und Fußball-WM ist die Formel 1 das populärste Sportevent der Welt“, frohlockt Frank Behrendt, Vorstand bei der Kommunikationsberatung FischerAppelt, die auch die Deutsche Post im Sportmarketing berät. Zudem reagieren Ecclestone und die Rennställe auf Kritik, die Stinke-Raser passten nicht länger zum nachhaltigen Zeitgeist. Sie änderten bereits zur vorigen Saison radikal die Motoren. Noch nie waren die hochgezüchteten F1-Antriebe schneller, spritsparender und leiser.
Markante Typen gesucht
Doch gerade diese Anpassung droht das PS-Spektakel bei weiten Teilen des Publikums um seinen Reiz zu bringen. „Die Formel 1 läuft Gefahr, ihre Einmaligkeit zu verlieren“, sagt Experte Lange. Gleichzeitig vermissen Fans prägende Fahrertypen wie einst Michael Schumacher. Anstelle markanter Charakterköpfe überwiegen jedermanns Lieblinge. „Die Formel 1 ist getrieben von global funktionierenden Helden“, sagt Experte Behrendt, „da hat die Serie aktuell noch viel Luft nach oben.“
Unter dem Starmangel leidet die Stimmung an der Strecke. Knapp 50.000 Zuschauer verloren sich zuletzt auf dem Hockenheimring in Baden-Württemberg, wo gut 100.000 Platz hätten. Ob es 2015 überhaupt ein Rennen in Deutschland gibt, war bis Redaktionsschluss noch immer offen. Im Kalender des Automobil-Weltverbands FIA steht es zwar für den 19. Juli. Doch weder der Nürburgring, der turnusgemäß dran wäre, noch der Hockenheimring haben einen Vertrag.
Grund ist das Geld, das Ecclestone will. „Das Rennen in Deutschland ist für die Formel 1 sehr wichtig“, beteuert er auf Anfrage der WirtschaftsWoche, „wir wollen Deutschland nicht verlieren.“ Doch weder der von einem russischen Investorenkonsortium aus der Insolvenz gekaufte Nürburg- noch der Hockenheimring wollen dem Vernehmen nach 15 bis 20 Millionen Euro Startgeld bezahlen.
Formel 1 in Deutschland
Seit 1961 hat die Formel 1 bislang jedes Jahr Station in Deutschland gemacht. Zu den Hochzeiten fanden sogar zwei Rennen in Deutschland pro Jahr statt.
Quelle: dpa
Insgesamt wurden bislang 75 Formel-1-Rennen in Deutschland gestartet.
Großer Preis von Deutschland: insgesamt 61 Auflagen.
Gefahren wurde davon 34 Mal auf dem Hockenheimring.
26 Mal fand der Große Preis auf dem Nürburgring statt.
1959 wurden auf der AVUS in Berlin gefahren.
Zudem ging es auf dem Nürburgring zwölfmal um den Großen Preis von Europa. Weitere zweimal fand dort der Große Preis von Luxemburg statt.
Schützenhilfe von der FIA können die deutschen Rennstrecken nicht erwarten. „Die tut nichts, um Traditionsrennen zu unterstützen“, kritisiert ein Szenekenner, „wenn diese wegfallen, verliert die Formel 1 ihr Gesicht.“ Bis 2013 hatten Rennen in Deutschland, Italien oder England einen Sonderstatus. Doch dies ist inzwischen passé. „Es gibt keine geschützten Rennen“, sagt Ecclestone auf Anfrage. ADAC-Sportpräsident Hermann Tomczyk macht sich deswegen Sorgen um den Startplatz in Deutschland: „Am 20. März ist die nächste Sitzung des FIA World Motorsport Council. Da wird über das Rennen sicher gesprochen. Bis dahin muss es eine Lösung geben, auch wegen des Ticketvorverkaufs.“