Freigabe von Patenten Ist Toyotas Vorstoß „nicht mehr als ein Marketing-Gag“?

Toyota Patente Quelle: dpa

20 Jahre lang hat Toyota an der Hybridtechnologie getüftelt. Nun gibt der Autobauer 24.000 Patente frei und will damit die gesamte Elektromobilität fördern. Statt Gutmütigkeit steckt dahinter etwas anderes.

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„Toyota treibt die weltweite Verbreitung elektrifizierter Fahrzeuge voran“. Mit markigen Worten wirbt der japanische Autobauer seit Mittwochmorgen auf der eigenen Webseite für einen Schritt, der auch in der Automobilbranche für Aufsehen sorgt: Toyota gibt fast 24.000 Patente aus mehr als 20 Jahren Entwicklungsarbeit an der Hybridtechnologie frei. Im Klartext: Andere Unternehmen können auf das Wissen zugreifen und es nutzen. Bei den Patenten handelt es sich laut dem Autobauer um „Kerntechnologien wie Elektromotoren, Steuergeräte und Systemsteuerungen“.

Ein ziemlich großer Schritt, bedenkt man, dass Toyota dank der patentgeschützten Expertise bisher weltweit mehr als 13 Millionen Hybridahrzeuge verkaufen konnte und Marktführer bei dieser Technologie ist. Doch was nach einem selbstlosen Angebot des Konzerns an die Konkurrenz klingt, hat wohl einen anderen Hintergrund. Für den Automobilexperten Ferdinand Dudenhöffer ist es sogar „nicht mehr als ein Marketinggag“.

„Der Autobauer will davon ablenken, dass er die Elektromobilität verschlafen hat“, sagt der Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. Tatsächlich hält Toyota wie kaum ein anderer Autobauer an Hybridautos fest, deren Zeitalter das japanische Unternehmen 1997 mit dem Prius selbst eingeleitet hat. Doch in den letzten Jahren hat sich die Konkurrenz derweil auf Modelle eingeschossen, die allein von einer Batterie angetrieben werden. Sei es ein i3 von BMW, ein Zoe von Renault oder ein e-Golf von VW. Toyota sträubte sich bis zuletzt stets gegen diese vollständige Elektrifizierung des Automobils. Momentan bietet der Konzern noch kein reines Elektroauto für den Massenmarkt an.

Wenn Toyota aber langfristig eine entscheidende Rolle in der Elektromobilität spielen möchte, dürften selbst die fortschrittlichsten Hybride allein nicht ausreichen. Zwar rechnet Dudenhöffer Plug-In-Hybriden und sogenannten 48-Volt-Hybriden auch in den nächsten Jahren noch einen hohen Stellenwert zu. Allerdings mit einer großen Einschränkung: „Diese Fahrzeuge werden gerade in der Übergangszeit hin zu einer flächendeckenden Elektromobilität wichtig sein. Doch ab den 2030er Jahren werden Hybridfahrzeuge meiner Einschätzung nach eine immer geringere Rolle spielen“, sagt der Automobilexperte. „Wir bewegen uns auf das rein elektrische Mobilzeitalter zu.“ Deshalb geht Dudenhöffer davon aus, dass Toyota in den nächsten zehn Jahren zu den größten Verlierern auf dem globalen Automobilmarkt gehören werde.

Ein 48-Volt-System zum Beispiel ermöglicht es dem Verbrennungsmotor bereits in ausgewählten Audi-Modellen, während der Fahrt bis zu 40 Sekunden lang abzuschalten. Erst wenn der Fahrer wieder auf das Gaspedal steigt, wird der Verbrennungsmotor wieder aktiv. Der bauliche Aufwand soll deutlich geringer sein, als einen vollwertigen Elektromotor wie in einem herkömmlichen Hybrid zu verbauen.

Toyota hofft nun, andere Hersteller durch die Patentfreigabe dazu zu bewegen, den Hybriden noch eine Chance zu geben. Würden diese in der Folge populärer und günstiger, könnte Toyota von der Rolle als Marktführer profitieren. Das käme einem letzten Aufbäumen gegen das Ende der Hybridtechnologie gleich.

Toyotas Fokus auf die Brennstoffzelle

Um aber in der Zukunft nicht nur von der Symbiose aus Benzin und Batterie abhängig zu sein, setzt Toyota neben Hyundai wie kaum ein anderer Hersteller auf die Brennstoffzelle und bietet mit dem Mirai „das erste Wasserstoffauto in Serie“ an – wie es auf der Webseite des Unternehmens heißt. Diese Priorisierung der Brennstoffzelle steht im klaren Kontrast zu einer Elektrostrategie, wie sie Volkswagen vor kurzem eingeläutet hat. Die Preise für den Mirai beginnen bei stolzen knapp 80.000 Euro.

An den Erfolg der Brennstoffzellentechnologie, bei der Wasserstoff mit Sauerstoff reagiert, wodurch elektrische Energie freigesetzt wird, glaubt Ferdinand Dudenhöffer nicht – zumindest nicht kurzfristig: „Wenn ein Hersteller im Pkw-Markt in den nächsten zehn Jahren verlieren will, dann sollte er voll und ganz auf Wasserstoff setzen, das ist hoffnungslos.“ Zurzeit gibt es laut der H2 MOBILITY Deutschland GmbH zum Beispiel lediglich 64 Wasserstofftankstellen in ganz Deutschland. Außerdem: „Um ein heutiges Wasserstoffauto, das sich auf dem Niveau eines Golfs befindet, von 80.000 Euro in die preisliche Klasse eines vergleichbaren Elektroautos zu bringen, braucht es sicherlich zwanzig Jahre“, schätzt Dudenhöffer.

Ab 2020 soll Toyota in China ein Elektroauto auf den Markt bringen. Mit einer vorgeschriebenen Quote an Elektroautos möchte die Regierung in Peking die Verkehrswende auf den Straßen möglich machen. Und zwingt dadurch auch Toyota zum Umdenken. Vielleicht bekommt Toyota bei der Entwicklung von reinen E-Autos sogar zahlreiche Unterstützung. Das würde immerhin zu dem passen, was Toyota-Vorstandsmitglied Shigeki Terashi zur Freigabe der hauseigenen Patente sagte: „Die Zeit der Zusammenarbeit ist gekommen.“

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