
Der Streit in der Autoindustrie über die finanzielle Beteiligung am Dieselfonds für bessere Luft in den Kommunen stößt zunehmend auf Kritik. Laut Städtetag-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy sei es zwar nicht Sache der Städte, die Finanzierungsverhandlungen zwischen dem Bund und der Autobranche zu führen. „Aber ich finde schon, dass sich die Automobilindustrie als Hauptverursacher der Stickoxid-Probleme keinen schlanken Fuß machen darf und ihren Beitrag leisten muss.“ Kritik kam auch vom Verkehrsclub Deutschland (VCD).
Die ausländischen Autobauer weigern sich, sich an dem Fonds für sauberere Luft in Städten zu beteiligen. Der Präsident des Importeursverbands VDIK, Reinhard Zirpel, hatte am Dienstag gesagt, Investitionen zur Reduzierung der Emissionsbelastungen sollten aus Steuergeldern finanziert werden und seien keine Angelegenheit der Hersteller. Der geschäftsführende Bundesverkehrsminister Christian Schmidt (CSU) kritisierte diese Haltung scharf: „Es ist in keiner Weise nachvollziehbar, dass die ausländischen Hersteller, deren Fahrzeuge auch auf deutschen Straßen unterwegs sind, ihre Verantwortung nicht erkennen“, sagte er.
Der Fonds für die Städte hat ein Gesamtvolumen von einer Milliarde Euro, die Industrie soll insgesamt 250 Millionen Euro beisteuern. Zusagen gibt es bisher aber nur von Volkswagen, Daimler und BMW, so dass noch eine Lücke klafft. Die Hersteller sollen sich je nach Diesel-Marktanteil beteiligen. Bisher kommen als Beitrag der Autoindustrie am Fonds 160 bis 170 Millionen Euro zusammen, wie dpa aus Verhandlungskreisen erfuhr.
Der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, hatte die Importeure wiederholt aufgefordert, sich am Fonds zu beteiligen: Er sehe nicht, wie die Lücke beim Dieselfonds geschlossen werden solle, wenn man nicht auch sie dafür gewinne. Der VDA hat an diesem Mittwoch in Berlin zu einer Jahresabschluss-Pressekonferenz eingeladen.
Auch der VCD-Verkehrsexperte Gerd Lottsiepen forderte die ausländischen Hersteller auf, sich an dem Fonds zu beteiligen. „Andererseits versuchen die deutschen Hersteller, sich aus der Verantwortung zu stehlen“, meinte Lottsiepen. Der fehlende Betrag für den Fonds sei „lächerlich“. VW habe allein in den USA zur Bewältigung des Abgas-Skandals über 20 Milliarden Dollar bezahlt.
Welche Schadstoffe im Abgas stecken
Stickoxide (allgemein NOx) gelangen aus Verbrennungsprozessen zunächst meist in Form von Stickstoffmonoxid (NO) in die Atmosphäre. Dort reagieren sie mit dem Luftsauerstoff auch zum giftigeren Stickstoffdioxid (NO2). Die Verbindungen kommen in der Natur selbst nur in Kleinstmengen vor, sie stammen vor allem aus Autos und Kraftwerken. Die Stoffe können Schleimhäute angreifen, zu Atemproblemen oder Augenreizungen führen sowie Herz und Kreislauf beeinträchtigen. Pflanzen werden dreifach geschädigt: NOx sind giftig für Blätter und sie überdüngen und versauern die Böden. Außerdem tragen Stickoxide zur Bildung von Feinstaub und bodennahem Ozon bei.
Kohlendioxid (CO2) ist in nicht zu großen Mengen unschädlich für den Menschen, aber zugleich das bedeutendste Klimagas und zu 76 Prozent für die menschengemachte Erderwärmung verantwortlich. Der Straßenverkehr verursacht laut Umweltbundesamt rund 17 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen in Deutschland – hier spielt CO2 die größte Rolle. Es gibt immer sparsamere Motoren, zugleich aber immer größere Autos und mehr Lkw-Transporte. Außerdem mehren sich Hinweise darauf, dass Autobauer nicht nur bei NOx-, sondern auch bei CO2-Angaben jahrelang getrickst haben könnten.
Bei der Treibstoff-Verbrennung in vielen Schiffsmotoren fällt auch giftiges Schwefeldioxid (SO2) an. In Autos und Lkws entsteht dieser Schadstoff aber nicht, was am Kraftstoff selbst liegt: Schiffsdiesel ist deutlich weniger raffiniert als etwa Pkw-Diesel oder Heizöl und enthält somit noch chemische Verbindungen, die bei der Verbrennung in Schadstoffe umgewandelt werden.
Winzige Feinstaub-Partikel entstehen entweder direkt in Automotoren, Kraftwerken und Industrieanlagen oder indirekt durch Stickoxide und andere Gase. Die Teilchen gelangen in die Lunge und dringen in den Blutkreislauf ein. Sie können Entzündungen der Atemwege hervorrufen, außerdem Thrombosen und Herzstörungen. Der Feinstaub-Ausstoß ist in Deutschland seit Mitte der 1980er Jahre deutlich gesunken. Städte haben Umweltzonen eingerichtet, um ihre Feinstaubwerte zu senken.
Feinstaub entsteht aber nicht nur in den Motoren. Auch der Abrieb von Reifen und Bremsen löst sich in feinsten Partikeln. Genauso entstehen im Schienenverkehr bei jedem Anfahren und Bremsen feiner Metallabrieb an den Schienen. All das landet ebenfalls als Feinstaub in der Luft.
Katalysatoren haben die Aufgabe, gefährliche Gase zu anderen Stoffen abzubauen. In Autos wandelt der Drei-Wege-Kat giftiges Kohlenmonoxid (CO) mit Hilfe von Sauerstoff zu CO2, längere Kohlenwasserstoffe zu CO2 und Wasser sowie NO und CO zu Stickstoff und CO2 um. Der sogenannte Oxidations-Kat bei Dieselwagen ermöglicht jedoch nur die ersten beiden Reaktionen, so dass Dieselabgase noch mehr Stickoxide enthalten als Benzinerabgase. Eingespritzter Harnstoff („AdBlue“) kann das Problem entschärfen: Im Abgasstrom bildet sich so zunächst Ammoniak, der anschließend in Stickstoff und Wasser überführt wird.
Dedy sagte, der Städtetag gehe fest davon aus, dass der Mobilitätsfonds das Volumen von einer Milliarde Euro für nachhaltige Mobilität in den besonders betroffenen Städten behalte. „Davon darf auf keinen Fall etwas zurückgenommen werden. Dazu steht die Bundesregierung gegenüber den betroffenen Kommunen im Wort.“
Die Autoindustrie war auch wegen des Abgas-Skandals und zum Teil hoher Abweichungen zwischen Abgaswerten im Labor und auf der Straße schwer unter Druck geraten. In vielen Städten werden Grenzwerte beim Ausstoß gefährlicher Stickoxide anhaltend überschritten. Es drohen deshalb gerichtlich erzwungene Diesel-Fahrverbote.
Bei einem Treffen von Bund, Ländern und Kommunen war in der vergangenen Woche der Startschuss für konkrete Projekte in Kommunen gefallen, um die Luftqualität zu verbessern. Dabei geht es etwa um bessere Angebote im öffentlichen Nahverkehr, um Nachrüstungen von Dieselbussen sowie um eine Elektrifizierung von Busflotten.